Hallo, ich habe in den letzten Tagen mal den folgenden Vanity Fair Artikel von 2009 übersetzt (Achtung, laaaaang :D)
Ich hatte ihn schon länger auf dem Rechner, bin aber irgendwie nie dazu gekommen.
Geschrieben wurde er von der Vanity Fair-Redakteurin Lisa Robinson, die diverse Interviews mit Michael geführt hat, vor allem in den Anfängen seiner Karriere.
Abgesehen von diesem einen Absatz, in dem sie ihre persönliche Meinung – die man ihr ja zugestehen muß - über einige Punkte kundtut, empfinde ich diesen Artikel als neutral/wohlwollend; und die Interviews als interessant und informativ, denn sie gewähren einen Einblick in die Mentalität, die Ansichten und Empfindungen des ganz jungen Michael
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Der Junge, der ein König sein würde
Zu der Zeit, als Michael Jackson starb, war er aufgrund seines unvergleichlichen Ruhms und seiner dunklen Probleme in einer zerbrechlichen Hülle gefangen. Mit ihren Interviews und Notizen aus den ersten Kapiteln in der Karriere des Pop-Königs läßt die Autorin die unschuldige, überschäumende, forschende Jugend wiederauferstehen, als er darum kämpfte, über seine Familie hinauszuwachsen und die Kontrolle über seine Kunst zu erlangen.
Fotografien von Annie Leibovitz aus ihrem VF Shooting von 1989 mit einem damals einunddreißigjährigen Jackson.
Von Lisa Robinson
Fotos von Annie Leibovitz
September 2009
Michael Jackson, fotografiert im Oktober 1989 in Los Angeles. Fotos von Annie Leibovitz
Westin Crown Center Hotel in Kansas City, Missouri, 23. Februar 1988:
Michael Jackson hat gerade die Premiere-Show seiner Bad Tour hinter sich, und sein Manager Frank DiLeo hat für mich einen Besuch bei dem Star in dessen Hotelsuite arrangiert. Keine Betreuer, keine Bodyguards, keine Mitläufer, keine Familienangehörigen - ungewöhnlich für einen Besuch bei Jackson – wir hatten jedoch eine freundschaftliche Journalist-Künstler-Beziehung in den letzten sechzehn Jahren, und Michael hatte darum gebeten, mich zu treffen. Für Kansas City war die Suite aufwendig, sie hatte die Größe einer kleinen Wohnung, doch als ich eintrat, eingelassen von einem Wachmann, war Michael nirgends zu sehen. "Michael?" rief ich, als ich umherging.
Ein paar Minuten später hörte ich ein Kichern hinter einer Tür. Der neunundzwanzigjährige Michael Jackson spielte tatsächlich Verstecken. Schließlich erschien er, in schwarzen Hosen und einem leuchtendroten Hemd, sein halb geglättetes Haar in einem lockeren Pferdeschwanz mit ein paar über sein Gesicht fallenden Strähnen. Er umarmte mich. Er war größer, als ich mich erinnerte, größer, als er auf Fotos erschien. Und während er weiterkicherte, dachte ich, daß seine Umarmung die eines Mannes war, nicht die eines Jungen; und wenngleich da nichts Sexuelles war, war sie einfach kraftvoll.
Dann zog er sich zurück, sah mich an und sagte, mit der tieferen und "normaleren" der beiden Stimmen, die er nach Belieben hervorbringen konnte: "Was ist das für ein Geruch? Was ist das für ein Parfum? Ich weiß, ich kenne diesen Geruch." Ich lachte. "Oh, Michael, du kennst dieses Parfum nicht. Das ist ein altes Drag Queen-Parfum aus den 1950ern." Bei den Worten "Drag Queen" begann er zu kichern und wiederholte: "Drag Queen ... hahahahahaha! Nein, ich weiß es. Es ist Jungle Gardenia, oder?" Ich war mehr als leicht überrascht. "Woher weißt du das? Die einzigen Menschen, die dieses Parfum jemals erkennen würden, sind Bryan Ferry und Nick Rhodes. Hey, ich glaube, du bist garnicht so la-la, wie man sagt." Über diese Phrase 'la-la' lachte er sich tot und er wiederholte: "La-la ... hahahahahaha!!!"
Lisa Robinson und Jackson während ihres ersten Interviews mit dem Star.
Von Andrew Kent.
--> Michael Jacksons frühe Karriere in Bildern
Ein paar Tage später schickte ich eine Schachtel mit Jungle Gardenia in seine Suite im Helmsley Palace Hotel in New York City. Am folgenden Abend, dem 2. März, stand ich in den Kulissen in der Radio City Music Hall, wo Michael mit einigen Gospel-Singern, den Winans, darauf wartete, Man in the mirror für die Grammy Awards Live-Fernsehsendung zu performen. Er sah mich an und flüsterte: "Danke für den Duft ... Ich trage ihn gerade."
Vor den tierischen Begleitern, vor dem Crotch grabbing auf der Bühne, vor den entstellenden Schönheitsoperationen, vor den eigenartigen Verkleidungen, vor den fragwürdigen Ehen, vor den auf geheimnisvolle Weise gezeugten Kindern, vor dem Gerüchten über Drogenabhängigkeit und Schlaflosigkeit, und noch vor den Freundschaften mit den alternden Legenden, den Krankenhaus-Aufenthalten, der angeblichen Entfremdung von seiner Familie, den verschwenderischen Ausgaben, dem Horten von Schnickschnack, der übertriebenen Fantasyland-Ranch, den philippinischen Häftlingen, die zu seinen Songs tanzten, und natürlich lange vor den Anklagen und dem Prozess wegen Kindesbelästigung, war Michael Jackson einer der begabtesten, liebenswertesten, begeistertsten, süßesten, überschwänglichsten Künstler, die ich jemals interviewt habe.
Von 1972 bis 1989 verbrachte ich Zeit mit Michael bei seiner Familie in Encino (Kalifornien), in New York City, backstage bei seinen Konzerten, auf Partys, im Studio 54 und am Telefon. Und im Jahr 1972, als Michael vierzehn Jahre alt war, ich jedoch dachte, er sei zwölf (er war zehn, als er zu Motown ging, war aber angewiesen worden, zu sagen, er sei acht, um ihn niedlicher erscheinen zu lassen), führten wir das erste Interview von vielen.
Havenhurst, Encino, Kalifornien, 8. Oktober 1972: Ein Schild am Tor des Hauses der Familie Jackson besagt 'Vorsicht, Wachhund', mit der Telefonnummer der Stätte, wo der Hund abgerichtet wurde. ("Promotion", wie Michael mir später sagte). Laut Michael wohnte Liberace auf der anderen Straßenseite, und die Jacksons pflegten ihn zu besuchen und sich seine Diamanten anzuschauen. Die Familie hat einen deutschen Schäferhund namens Heavy und einen Dobermann namens H*tler (der Schlagzeuger der Gruppe nannte ihn H*tler), doch wenn sie in Interviews über den Hund sprechen, nennen sie ihn Duke. Den Boden des Swimmingpools zieren zwei blaue Delfin-Fliesen. Zitronen und Mandarinen wachsen auf den Bäumen rund um den Pool. Michael zeigt mir das Haus: den Pool, die Tiere, sein Zimmer mit zwei Betten, einer Uhr mit Zeitzonen aus verschiedenen Städten der Welt, dem Fernseher, einem Telefon (es gibt auch ein Münztelefon im Haus). Er klettert auf einen Baum, er macht Tanzschritte, er ist aufgeschlossen, neugierig, lustig. Ich rufe einen Freund an und sage: "Dieses Kind wird der größte Entertainer aller Zeiten werden, im Ernst, wie Frank Sinatra."
Lisa Robinson: Die Gruppe wird bald in London auftreten?
Michael Jackson: Ja ... und ich möchte shoppen gehen, wenn ich drüben bin, einen Haufen Souvenirs und Antiquitäten ... schon mal von Napoleon gehört?
LR Ja ...
MJ Ihn möchte ich auch sehen.
LR Du meinst die Denkmäler? Sein Grab? In Paris?
MJ Du hast es gesehen? Welche Fluggesellschaft hast du benutzt?
LR Nun, mehrere. Pan Am, TWA, Air France...
MJ Welches Tonbandgerät verwendest du?
LR Sony. [Es folgt eine Diskussion über die Größe von Tonbandgeräten; was, wenn sie kleiner werden und alle Menschen in der Lage sind, sie bei Konzerten einzuschmuggeln, diese aufzunehmen und Bootlegs zu machen?] Sie sind wirklich begeistert, daß du in England auftreten wirst.
MJ Ich weiß, wir haben eine Menge Briefe bekommen, sodaß wir beschlossen haben, dorthin zu gehen. Aber diesmal wollen wir die Größten sein ... für die Königin.
LR Ah ... du trittst vor der Königin auf. Ihr Palast ist riesig ...
MJ Du hast ihn gesehen?
LR Nun, nur von außen. Hat jemand von den anderen Gruppen erzählt, wie es ist, in England aufzutreten?
MJ Naja, die Supremes und die Temptations erzählten uns ein paar Dinge. Hast du jemals von Marty Feldman gehört? [Ich sage "ja".] Als die Supremes dort waren, ist Ringo Starr mit ihnen shoppen gegangen. Aber ich weiß nicht, wie das Publikum ist, ob sie ruhig sein werden oder laut.
LR Und? Was machst du gern in deiner Freizeit?
MJ Schwimmen ... Billard spielen ... wir gehen nicht viel aus, weil wir alles hier haben. Als wir noch in dem anderen Haus wohnten, gingen wir in den Park, um Basketball zu spielen, aber jetzt haben wir das hier.
[Michael stellt mir mehr Fragen als ich ihm, es gibt Diskussionen über meinen kastanienbraunen Nagellack, Antiquitätenkauf in der Portobello Road, das Apollo Theater, Madison Square Garden.]
LR Hattest du jemals Angst auf der Bühne?
MJ Nein. Wenn du weißt, was du tust, hast du keine Angst auf der Bühne.
... to be continued ...