Dancing With The Elephant

  • Willa: Nun, wie du weißt, bin ich der Meinung, dass Michael Jacksons Gesicht sein größtes, bedeutendstes Kunstwerk war. Ich denke, die Art, in der er unsere sich verschiebende Wahrnehmung seines Gesichtes instrumentierte, ließ uns unsere Gedanken über Rasse und Geschlechterrollen, Sexualität und Subjektivität auf einer tiefen, fundamentalen Ebene in Frage stellen. Also ist es faszinierend für mich, die Entwicklung seiner Albumcover zu verfolgen und zu erkennen, wie er auf jedem einzelnen sein Gesicht darstellt. Sie sind wie Schnappschüsse einer sich in der Ausführung befindenden Arbeit.


    Wie wir bereits besprochen haben zeigt er uns auf Off The Wall ein neues erwachsenes Gesicht – er ist nicht länger das Kind, das er auf Got To Be There oder sogar auch Forever, Michael war. Dann auf Thriller geht er noch ein bisschen weiter und gibt uns das Gesicht eines Sexsymbols – eines Sexsymbols, das Mädchen aller Hautfarben anspricht, was ziemlich radikal war in den 1980ern.


    Und dann scheint Bad einen großen Sprung zu machen, künstlerisch. Er beginnt damit, zu beeinflussen, wie wir sein Gesicht interpretieren – besonders, wie sein Gesicht Merkmale von Rasse, Geschlechterzugehörigkeit und Sexualität zeigt. Sein Gesicht erscheint viel heller auf Bad und femininer, aber gleichzeitig identifiziert er sich selbst als Schwarz und er ist immer noch sehr sexy, wie Millionen Fans bestätigen können. Also spielt er mit diesen Merkmalen auf eine Art, die uns fragen lässt, wie wir sie dazu nutzen können, Identität zu bestimmen.


    Und dann scheint Dangerous einen weiteren riesigen Sprung zu machen. Nun scheint er anzudeuten, dass Identität – zumindest seine Identität als Berühmtheit – ein soziales Konstrukt ist. Alles, was wir sehen, sind seine Augen, da ist also die Andeutung einer realen Person irgendwo da drinnen, hinter der Show Business Fassade. Aber wenn wir hinter diese Fassade blicken ins Zentrum der Abbildung auf dem Albumcover, ist das, was wir sehen eine graue, dampfende Fabrik mit Rohren und Öfen. Die Schlussfolgerung ist, dass da eine Industrie am Werk ist, die seine öffentliche Identität konstruiert und aufrecht erhält, und wir können nur einen kleinen Blick auf die reale Person, die hinter all dem versteckt ist, erhaschen.


    Joie: Ich mag es, wie du das sagst, Willa. ‚ Eine Industrie am Werk ist, die seine öffentliche Identität konstruiert und aufrecht erhält‘. Ich stimme dir komplett zu. Und ich glaube auch, dass wir einen gesamten Post verbringen und einzig und allein über das Dangerous Albumcover reden könnten; da geht so viel vor sich. Ich liebe es, einfach da zu sitzen und es mir manchmal anzusehen. Es ist eines dieser Bilder, bei dem du fast sicher sein kannst, jedes Mal wieder etwas Neues zu entdecken.


    Willa: Das ist es wirklich. Ungefähr so, wie als ich P.T. Barnums Autobiografie vor ein paar Jahren gelesen habe, und mich plötzlich das Porträt von P.T. Barnum mit Tom Thumb, der auf dessen Kopf steht, vom Dangerous Cover aus ansprang. Ich habe dem vorher niemals große Aufmerksamkeit geschenkt, aber plötzlich schien das sehr vielsagend. Du weißt, viele Leute sehen P.T. Barnum als den größten Showman in der Geschichte Amerikas, und gemäß Randy Taraborrellis Biografie bewunderte Michael das wirklich sehr – er ging damals 1984 sogar so weit, Frank DiLeo und John Branca eine Kopie von Barnums Buch zu geben und sagte zu ihnen:


    „Dies wird meine Bibel sein und ich möchte, dass es auch eure ist. Ich will, dass meine gesamte Karriere die größte Show auf Erden wird.“


    Wir sehen sehr viel von dieser Zurschaustellung ausgestellt auf dem Dangerous Album – es ist auf diese Art dem Video von Leave me alone sehr ähnlich.


    Joie: Das stimmt, so ist es. Und ich liebe das Zitat, das du gebracht hast. Michaels Faszination von P.T. Barnum ist wirklich auf dem Dangerous Albumcover ausgestellt.


    Willa: Ja, das ist es wirklich. Aber gleichzeitig, genau in der Mitte des Dangerous Covers zieht er den Vorhang zur Seite und zeigt uns die Fabrik bei der Arbeit, wie sie diese Illusion des Showgeschäfts erzeugt, und das auf eine Art, wie ich glaube, auf die es P.T. Barnum niemals gemacht hätte. Und diese Zerstörung der Illusion ist etwas, was wir ständig in Michael Jacksons Werken sehen, wie am Schluss des Beat it Videos, als die Kamera zurückfährt und uns zeigt, dass die Gangmitglieder auf einer Bühne getanzt haben, und nicht wirklich auf der Straße kämpften. Also zerstört er die Illusion am Ende und zeigt, dass das Drama, dessen Zeuge wir gerade waren, nur eine künstlerische Darstellung war. Er macht etwas Ähnliches in Black or White, wo er regelmäßig die Illusion der Realität unterbricht, indem er uns die Bühnenrequisiten und das Beleuchtungsequipment zeigt oder wenn der Regisseur ins Bild kommt. Oder bei Liberian Girl, wo er am Schluss hinter der Kamera sitzend erscheint und uns zeigt, dass es alles eine große Illusion war – aber in dem Sinn, dass die Unterbrechung der Illusion einfach nur wie eine weitere Illusion wirkt. Er war nicht wirklich der Kameramann für Liberian Girl (obwohl er sicherlich zu einem großen Ausmaß kontrolliert hat, was wir sahen) und die Aufnahme hinter der Kamera von ihm war ebenso eine Darstellung wie der Rest des Videos.


    Ich bekomme dasselbe Gefühl des Loopingdrehens „dies ist eine Illusion; nein, dies ist die Illusion; nein wirklich, dies ist die Illusion“, wenn ich das Dangerous Cover ansehe, besonders dieser Blick hinter die Kulissen der Fabrik in der Mitte des Covers. Und was ich besonders interessant finde, ist, dass sich der Titel „Dangerous“, über dem Eingangstor, durch das man in diesen grauen, mechanisierten Ort gelangt, wölbt. Also ist es so, als wollte er uns erzählen, dass das Betreten dieses Ortes das ist, was „gefährlich“ ist, und wir können das auf unterschiedliche Arten interpretieren: dass es gefährlich ist Teil der Hollywoodmaschinerie zu werden, dass es gefährlich ist zu versuchen, hinter die Illusion zu blicken, dass es gefährlich ist, diesen Ort auf der Suche nach unvermittelter Realität überwinden zu wollen, weil wir niemals dorthin gelangen können.


    Joie: Das ist wirklich faszinierend, Willa. Ehrlich, ich verliere mich in dem Cover, wann immer ich davor sitze und es wirklich ansehe, weil da so viel passiert. Mir geht es ähnlich bei dem Cover von Blood on the Dance Floor. Da gibt es einfach so viel zu sehen! Ich liebe den schachbrettartigen Tanzboden, auf dem er steht, und die Art, wie sich die blutrote Farbe seines Anzugs vom Rest des Covers abhebt. Und die Skyline der Stadt im Hintergrund fasziniert mich, weil die Wolken dahinter irgendwie das spiegeln, was die Skyline macht.


    Willa: Wow, das ist wirklich interessant, Joie! Ich habe das bisher gar nicht bemerkt, aber du hast Recht – die Wolken, besonders an der Seite, wiederholen die Gebäudekonturen und bilden so etwas wie eine Phantasie-Stadtlandschaft bestehend aus Wolken. Und das knüpft daran an, was wir gerade über das Dangerous Cover gesagt haben. Ich kann erkennen, warum du auf die beiden auf ähnliche Weise reagierst, denn sie sind sich wirklich auf gewisse Weise ähnlich – so wie sie beide mit dem Gedanken spielen, was real ist und was nicht. Hast du zum Beispiel bemerkt, dass der schachbrettartige Tanzboden irgendwie durchsichtig ist, wie Wasser? Du kannst durch ihn hindurch sehen zu den Wolkenkratzern und den Straßen darunter. Was also ist real in dieser Szenerie? Der Tanzboden? Die Stadtlandschaft darunter? Die Wolkenlandschaft darüber? Alles davon? Nichts davon?


    Für mich vermittelt dieses Albumcover eine Art Alice im Wunderland-Feeling, vielleicht durch die Art, wie es Phantasie und Realität vermischt, aber es ruft auch den Gedanken an Unterdrückung und Ausbruch hervor, über den wir vorher schon gesprochen haben. Er hat Armbänder an beiden Handgelenken, die wie Ketten aussehen, aber sie können ihn nicht zurückhalten – seine Hände sind zu Fäusten geballt, und er tanzt über der Skyline der Stadt. Er ist auch riesig, wie die Statue in HIStory – viel größer als die Wolkenkratzer, über denen er tanzt. Und dann sind da diese unglaublichen Wolken. Wir sehen nicht einfach kleine Wolkenbänder wie auf dem Off The Wall Cover. Hier dominieren die Wolken die Szenerie, und sie bilden die Umrisse der Gebäude, wie du erwähnt hast, Joie, also handelt es sich hier nicht einfach um natürliche Wolken. Sie sind eine Mischung aus Natur und Phantasie. Eine Stadt aus Wolken formiert sich über der Stadt darunter. Ich bin gerade so fasziniert davon.


    Joie: Weißt du, ich habe einige verschiedene Leute gehört, die zu diesem Cover eine Geschichte über die Illuminati gesponnen haben – auf dieselbe Art, wie sie es über das Dangerous Cover machen.


    Willa: Wirklich? Was sagen sie? Weißt du, ich habe noch nie etwas über die Illuminati gehört, bis du mir davon erzählt hast.

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  • Joie: Nun, gemäß der Theorien gibt es hier alle möglichen Illuminati-Symbole – genauso wie Hinweise zu 9/11 – versteckt in dem schlichten Bild auf diesem Cover. Beispielsweise steht der schwarz-weiß-karierte Tanzboden stellvertretend für die Böden, die in den geheimen Unterkünften der Freimaurer benutzt wurden, die angeblich hinter den Illuminati stehen. Die blutrote Farbe seines Anzugs soll für das tatsächliche Blut stehen, also ist das ganze Bild von ihm in dem roten Anzug auf dem karierten Boden eine Art Code für das rituelle Blutopfer der Freimaurer.


    Du hast auch die Transparenz des Bodens erwähnt. Nun, das soll symbolisch für die Redewendung „wie oben, so auch unten“ stehen. Es ist offenbar ein Glaubensgrundsatz der Illuminati und auch des Satanskultes. Aber unterhalb des transparenten Bodens, auf der rechten Seite, kannst du das Bild der Pyramide erkennen, das wirklich bekannt ist als Symbol der Illuminati.


    Nun zur 9/11 Verbindung. Und du musst bedenken, dass dieses Album einige Jahre, bevor 9/11 passierte, veröffentlicht wurde, aber die Theorie ist, dass die Illuminati dem Rest von uns zeigen wollen, was passieren wird, lange bevor etwas wirklich geschieht. Wenn du dir also die Position seiner Arme ansiehst, dann zeigt, wenn das Cover die Oberfläche einer Uhr darstellt, sein linker Arm auf die Position der 9, während sein rechter Arm auf die 11 zeigt. Außerdem soll die Skyline angeblich New York darstellen, aber die Twin Towers sind nicht da. Und die Wolken, die du und ich so lieben und die die Skyline spiegeln? Nun, eingestreut zwischen die Gebäude haben sie die Konturen von menschlichen Körpern, wenn du genau hinsiehst. Einige dieser großen Gebäude sehen im Grunde mehr wie Körper aus, und sie sollen stellvertretend für die Seelen stehen, die gehen müssen, wenn die Gebäude einstürzen.


    Da gibt es noch sehr viel mehr, aber dies sind einige der offensichtlicheren Hinweise. Es ist alles äußerst interessant, wenn du beginnst es zu untersuchen, aber man kann sehr schnell besessen davon werden und es kann sogar furchteinflößend sein, wenn du es zulässt, das zu glauben. Ich sage nicht, dass ich das tue, aber ich kann es auch nicht widerlegen. Aber ich kann nur zustimmen, dass das Cover von Blood on the Dance Floor wahrhaft faszinierend ist und dass das Betrachten und Studieren einen gefangen nimmt.


    Willa: Wow Joie, das ist wild! Aber ich bin verwirrt – sie sagen aber nicht, dass Michael Jackson in den Angriff auf das World Trade Center auf irgendeine Weise involviert war, nicht wahr? Ich meine, das ist doch verrückt. Oder meinen sie, dass jemand ohne sein Wissen die Symbole auf sein Albumcover geschmuggelt hat? Ich bin vollkommen verwirrt.


    Joie: Nein, sie sagen nicht, dass er beteiligt war. Ich schätze, ich hätte damit beginnen müssen die Illuminati zu erklären. Ganz vereinfacht ausgedrückt sind sie angeblich eine geheime Gesellschaft, deren hauptsächliches Ziel eine neue Weltordnung ist, und sie rekrutieren verschiedene Mitglieder der Popkultur, um ihnen bei ihrer Aufgabe zu helfen. Wenn du den Theorien glaubst, wirken die Illuminati grundsätzlich in Hollywood und haben eine enorme Präsenz in der Musikindustrie, und es gibt verschiedene Illuminati- / Freimaurer- / geheime Symbole, zu deren Einbeziehung in Dinge wie Videos und Albumcover JEDER Künstler verpflichtet ist, ob sie wollen oder nicht, denn die Illuminati haben deren Schicksal in der Hand. Der einzige Grund, dass jemand berühmt werden kann ist der, dass die Illuminati es ihm „erlauben“.


    Die Theorie, die Michael Jackson betrifft, ist die, dass er sich weigerte, von ihnen rekrutiert zu werden und sich in den späteren Jahren seines Lebens sogar gegen sie aussprach, in verschiedenen Songs und Interviews und folglich als Ergebnis dessen von ihnen ermordet wurde. Tupac Shakur wurde angeblich aus genau demselben Grund durch die Illuminati ermordet.


    Es ist wirklich interessant, das zu untersuchen, Willa. Mach einfach mal eine Schnellsuche bei Google oder noch besser, geh auf YouTube und gib ‚Illuminati Music Industry‘ oder sogar ‚Michael Jackson Tupac Illuminati‘ ein und sieh nach, was dann erscheint.


    Willa: Hmmm, das klingt nach The da Vinci Code. Ich werde nachsehen, wenn du meinst, Joie, aber ich muss sagen, dass ich extrem skeptisch bin – besonders wenn sie vermuten, dass die Entscheider in Hollywood mit al Quaeda unter einer Decke stecken. Das ergibt für mich überhaupt keinen Sinn. Es könnte kaum zwei Gruppen mit weiter auseinandergehenden Weltsichten geben. Ich kann nicht glauben, dass sie in allzu vielem einer Meinung sein sollen, und noch weniger, dass sie zusammenarbeiten, um eine gemeinsame Vision einer neuen Welt hervorzubringen. Das ergibt keinen Sinn für mich.


    Und weißt du, Zufälle passieren ständig. Wie letztes Jahr, als wir in Las Vegas waren, um Immortal zu sehen und im Luxor abstiegen, das wie eine Pyramide aussieht und einen Laserstrahl auf dem Dach hat, der den Wüstenhimmel „illuminiert“. Aber das heißt nicht, dass wir einer geheimen Gruppe der Illuminati angehören. Es war nur ein Zufall.


    Joie: Nun, ich denke, du hast nicht ganz verstanden, wie es gemeint ist, Willa. Niemand sagt, dass die Entscheider in Hollywood mit al Quaeda gemeinsame Sache machen. Im Grunde ist die ganze Geschichte um al Quaeda einfach die – wenn du den Theorien der Illuminati glaubst – was „sie“ dich glauben lassen wollen, weil die Bedrohung des Terrorismus von außen die Aufmerksamkeit von dem, was wirklich vor sich geht, weglenkt. Aber du hast Recht, in gewisser Weise klingt es sehr nach The da Vinci Code.

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  • Willa: Hmmm. Okay, ich muss wohl einfach mal eine Recherche dazu machen, denn ich weiß absolut gar nichts darüber, aber ich muss sagen, ich bin skeptisch – extrem skeptisch. Also, was denkst du über das Invincible Albumcover? Ich mag es sehr. Was denkst du?


    Joie: Nun, lange Zeit mochte ich das Invincible Cover überhaupt nicht, obwohl es wahrscheinlich mein liebstes MJ Album ist. Aber dann, als ich erst einmal M Poetica gelesen hatte, begann ich, dieses Cover in einem ganz anderen Licht zu sehen.


    Willa: Weißt du, ich habe mit dem Schreiben von M Poetica nicht lange nach seinem Tod angefangen, und ich war einfach in einem Zustand der Trauer, wie so viele von uns. Und ich war wirklich überwältigt von diesem Gedanken, dass obwohl er gerade erst gestorben war, er tatsächlich schon seit langer Zeit verschwunden war. Das Bild von ihm war überall, wo du hinsahst, aber er selbst – das heißt die wirkliche Person, der reale Michael Jackson, der Künstler hinter der öffentlichen Person – war aus dem Blickfeld verschwunden und das schon seit langer Zeit – weißt du, so wie wir gerade über das Dangerous Cover gesprochen haben. Es ist wie in dieser Zeile in dem Rapteil von Unbreakable, in dem er über „Akt des Verschwindens … Copperfield Material“ (disappearing acts … Copperfield material) spricht. Und es schien mir, dass wir diesen Gedanken künstlerisch auf dem Cover dargestellt sehen können. Auf der Vorderseite ist sein Gesicht vollständig ausgeblichen und sogar seine Gesichtszüge sind verschwunden. Nur sein rechtes Auge und die Augenbraue sind eingefärbt. Dann auf der Rückseite ist alles, was wir sehen dieses rechte Auge und die Augenbraue, aber nun sind sie blass und gepixelt und verschwinden auch. Es ist also so, als würden wir ihn direkt vor unseren Augen beim Verschwinden beobachten.


    Aber dann habe ich einen Post auf MJJ-777 gelesen, der mich noch einmal über das Invincible Cover nachdenken ließ und ich habe andere Wege erwogen, es zu interpretieren. Gemäß dem MJJ-777 Post wollte er sein Gesicht auf dem Cover gern goldfarben haben wie bei dem Kind auf diesem Porträt von Albert Watson:



    Joie: Das ist so interessant, Willa. Ich habe diesen Post bisher noch nie gelesen.


    Willa: Hatte ich auch nicht, aber ich bin so fasziniert davon, und ich liebe das Albert Watson Foto. Es ist so wunderschön, und das Gesicht des Kindes ganz in Gold sieht wie ein Kunstwerk aus – wie die King Tut Maske oder der Sarkophag, den Michael Jackson in der Bashir Dokumentation so mochte. Und es lässt mich wieder einmal über sein Gesicht als ein Kunstwerk nachdenken. Ich habe meine vorangegangene Interpretation nicht aufgegeben – ich sehe es auf beide Arten. Im Grunde denke ich, sie passen ziemlich gut zusammen. Wie öffentliche Darstellungen seines Gesichts und seines Images mehr und mehr zu einem Kunstwerk werden, und er selbst verschwand.


    Diese Interpretation des Invincible Covers als Darstellung seines Gesichts als Kunstwerk wird verstärkt durch die Tatsache, dass fünf Versionen des Covers veröffentlicht wurden – vier mit einer unterschiedlichen Hintergrundfarbe, ebenso wie das Weiße – und das erinnert an die vier Andy Warhol Porträts von Michael Jackson, jedes mit einer anderen Hintergrundfarbe. Also auf diese Art erzeugt das Invincible Cover die Vorstellung der Warhol Porträts, in denen sein Gesicht, sein Image außer Frage zu einem Kunstwerk geworden ist durch einen der einflussreichsten Künstler des letzten Jahrhunderts.


    Joie: Das ist wahr, Willa, sie beschwören den Gedanken an Warhol herauf. Und weißt du, es gibt einige wenige Invincible CD’s, die im Umlauf sind, auf denen das Cover ein Bild mit allen vier Hintergrundfarben enthält, so sieht es wirklich wie ein Warhol Porträt aus. Wenn du sie auftreiben kannst, dann für ein nettes Sümmchen.


    Willa: Wirklich? Das wusste ich nicht. Weißt du, eines der Warhol Porträts von Michael Jackson – das mit dem gelben Hintergrund – hängt in der National Portrait Gallery in Washington, D.C. Wenn du die Gelegenheit hast, solltest du es dir ansehen. Es ist wirklich cool, es höchstpersönlich anzusehen.


    Joie: Nun, dies klingt jetzt wahrscheinlich lustig, aber ich kann nicht glauben, dass wir es tatsächlich geschafft haben, über alle Albumcover in einem einzigen Post zu reden. Ich meine … da gibt es so viele faszinierende Dinge, die man bei jedem einzelnen besprechen kann und ich bin erstaunt, dass wir es hinbekommen haben ohne es in zwei Posts aufzuteilen, wir könnten mit einigen wirklich ewig weitermachen. Ich bin irgendwie stolz auf unsere Beschränkung, du nicht auch?


    Willa: Das ist lustig, Joie! Besonders weil wir gerade über Beschränkung und Befreiung gesprochen haben … Aber du hast Recht – jedes dieser Albumcover könnte einen eigenen Blogpost füllen. Also, nun da wir am Ende damit sind uns zu zügeln, sollten wir uns vielleicht mit einer kleinen Flucht aus der Wirklichkeit verwöhnen und uns die Wolken anschauen. Was denkst du?


    Joie: Oh! Diese da sieht aus wie ein Hase (bunny)!



    :herz: :herz: :herz:

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  • Wir beide – das ist für immer
    We Are Forever
    09/01/2013


    Joie: Also Willa, ich habe kürzlich sehr viel nachgedacht über all die Michael Jackson Songs, die immer noch ‚im Tresor’ liegen, um es mal so auszudrücken. Weißt du, all jene immer noch unveröffentlichten Melodien, die wir vielleicht, aber vielleicht auch nie hören werden oder diejenigen, die über die Jahre durchgesickert (geleakt worden) sind und ziemlich ausgereift klingen, aber trotzdem nie auf einem wirklichen Album veröffentlicht wurden (ich denke hierbei speziell an Slave to the Rhythm und Blue Gangsta, aber es gibt noch andere). Und ich frage mich, ob wir es jemals erleben werden, dass diese Songs zukünftig auf einem posthumen Album erscheinen werden.


    Willa: Ich weiß es nicht. Ich hoffe es natürlich, obwohl ich verstehen kann, dass der Estate ein wenig vorsichtig ist nach dem Michael Album und all der Kontroversen, die es ausgelöst hat. Es ist ein kompliziertes Thema, wie wir bereits im letzten Frühjahr mit klugen und wohlmeinenden Leuten besprochen haben, die allerdings leidenschaftlich unterschiedliche Sichtweisen vertraten. Und wirklich, es gibt berechtigte Argumente, die mich hierzu unterschiedliche Meinungen annehmen lassen.


    Joie: Ich weiß, mich auch. Beide Seiten haben wirklich wunderbare, berechtigte Argumente, und man kann leicht die jeweiligen Vorzüge beider Seiten erkennen. Und während ich über das alles nachdachte, habe ich mir das Material, das seit Michaels Tod vor dreieinhalb Jahren veröffentlicht wurde, einmal genauer angesehen. Besonders habe ich das das Michael Album betrachtet und weißt du, ich kann dem Estate keine Schuld daran geben, an diesem Punkt verwirrt oder vorsichtig zu sein. Die Reaktionen der Fans auf dieses Album waren so in der Mitte gespalten und so heftig. Auf der einen Seite gab es die Fans, die wirklich dieses Album wollten und so gespannt darauf waren, neues, unveröffentlichtes Material irgendeiner Form zu hören. Aber dann auf der anderen Seite gab es die große Gruppe von Fans, die ganz vehement dagegen war, dass irgendetwas von Michaels Werken von anderen Produzenten berührt oder „fertiggestellt“ würde und einfach wollte, dass das Material veröffentlicht wird, ‚wie es ist‘.


    Willa: Und dann gibt es Fans wie mich, die hin- und hergerissen sind und beiden Seiten zustimmen. Ich denke, es ist wichtig, dass es anderen Künstlern erlaubt ist seine Werke neu zu interpretieren – sehr wichtig – aber ich möchte auch wissen, was seine Vision war und wie seine „unfertigen“ Werke klingen.


    Joie: Es ist so ähnlich wie, sie sind verdammt, wenn sie es tun und verdammt, wenn sie es nicht tun.


    Willa: Aber warum können wir nicht beides haben – neues Material, das veröffentlicht wird „wie es ist“, neben geschliffeneren Versionen, die von anderen vervollständigt wurden?


    Joie: Ich weiß es nicht; warum können wir nicht beides haben? Das klingt wie ein wunderbarer Kompromiss für mich und es gibt den Fans – allen Fans, von beiden Seiten dieses Themas – genau das, was sie wollen. Aber wir kommen hier gerade etwas vom Weg ab.


    Worüber ich wirklich sprechen möchte, ist das Michael Album. Oder vielmehr ein spezieller Song von diesem Album – Best of Joy. Also, wie du weißt, Willa, dies ist nicht nur mein liebster der neuen Songs, die wir seit Michaels Tod gehört haben, sondern er wurde auch sehr schnell zu einem meiner liebsten Songs überhaupt. Ich liebe ihn einfach.


    Willa: Ich weiß – im Grunde habe ich ihn im Geiste schon umbenannt in Best of Joie, einfach weil du ihn so sehr liebst …


    Joie: Er ist aus so vielen Gründen so besonders für mich. Einer davon ist die Tatsache, dass es der letzte Song war, an dem Michael jemals im Studio gearbeitet hat, bevor er starb. Das zu wissen, finde ich einfach so berührend und irgendwie so beeindruckend, denn für mich klingen die Lyrics dieses Songs fast so, als würde er sich verabschieden:


    Ich bin deine Freude
    Deine größte Freude
    Ich bin das Mondlicht
    Du bist die Quelle
    Unsere Liebe ist eine heilige Sache
    Du weißt ich werde dich immer lieben
    Ich werde immer da sein


    Ich bin dein Freund
    Durch dick und dünn
    Wir brauchen einander
    Wir werden uns niemals trennen
    Unsere Liebe kommt vom Herzen
    Wir sagen niemals, ich brauche dich nicht
    Wir beide – das ist für immer


    Den ganzen Song hindurch ist es, als ob er uns daran erinnert, wie groß seine Liebe für uns ist und wie viel wir ihm bedeuten, und dann, mit der Wiederholung des Refrains von „Ich werde immer da sein, wir beide, das ist für immer“, ist es, als würde er uns versichern, dass egal, was passiert, seine Liebe für uns niemals sterben wird. Es ist wie eine Zeile dieses alten Gedichtes von Dylan Thomas:


    Wenn auch die Liebenden sich verlieren, die Liebe wird es nicht
    Und der Tod soll nicht die Herrschaft darüber haben


    Though lovers be lost, love shall not
    And death shall have no dominion


    Willa: Oh, ich mag diese Verbindung zu Dylan Thomas, Joie! Und wir sehen, dass dieser Gedanke von „der Tod soll nicht die Herrschaft haben“ noch in weiteren Songs und Filmen von Michael Jackson auftaucht – zum Beispiel in Heaven can wait, in dem er singt „Wenn die Engel zu mir kommen, werde ich Nein zu ihnen sagen“.


    Joie: Oh, daran habe ich bisher gar nicht gedacht, Willa, aber du hast Recht. Ich vermute, dass es ein Thema ist, das er auch vorher schon genutzt hatte. Aber aus irgendeinem Grund, für mich wenigstens, scheint Best of Joy dieses Thema wirklich zu betonen. Wie in Heaven can wait erzählt er uns eine Geschichte von zwei Liebenden, bei denen der Mann abwägt, was er tun würde, wenn der Tod jemals versuchen würde, sie zu trennen. Aber in Best of Joy klingt seine Erzählung irgendwie persönlicher. Es ist eine Botschaft, die er versucht, ganz dringend mitzuteilen, bevor es zu spät ist.


    Ich bin dein Freund
    Durch dick und dünn
    Wir brauchen einander…
    Unsere Liebe kommt vom Herzen…
    Wir beide – das ist für immer


    Es ist, als würde er uns drängen „Vergesst nicht! Vergesst nicht, wie sehr ich euch liebe, vergesst nicht, wie viel wir einander bedeutet haben. Erinnert euch immer daran!“ Oder vielleicht deute ich da auch zuviel hinein, weil ich getrauert habe, als die Welt diesen Song zum ersten Mal gehört hat. Zugegebenermaßen habe ich eine sehr emotionale Verbindung zu diesem Song. Ich muss ihm dennoch zuhören, auch wenn ich in Tränen aufgelöst bin.

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  • Willa: Er ist sehr eindrucksvoll, und es ist interessant für mich, dass du ihn nicht nur als einen Love Song siehst, sondern auch als einen Song an sein Publikum. Ich habe nicht auf diese Art darüber gedacht.


    Joie: Wirklich? Siehst du, das ist ein weiterer Grund, warum er für mich herausragt. Weil ich wirklich überhaupt niemals von ihm als Love Song in einem traditionellen Sinn gedacht habe. Nicht auf eine „romantische“ Art, meine ich.


    Willa: Oh, da stimme ich dir zu. Ich meine, ich kann diesen Song als romantische Geschichte von einem Liebenden zu einem anderen sehen, aber es hat mich darüber hinaus viel mehr als eine Romanze getroffen. Wie wir schon zuvor besprochen haben, verschob Michael Jackson oft den Blickwinkel in seinen Songs, also frage ich immer gerne: Wer ist das „Du“ in diesem Song – wer ist genau angesprochen? Und wer ist das „Ich“ in diesem Song? Wer spricht da gerade? Manchmal scheint es Michael Jackson selbst zu sein, aber manchmal ist es auch eine Rolle oder eine andere Figur oder jemand ganz anderer als Michael Jackson selbst. Wir sprachen im vergangenen Herbst darüber in dem Post über Money. Wir erkennen regelmäßig vielfältige Perspektiven in seinen Werken, in denen er den Blickwinkel einer anderen Figur einnimmt und mit ihrer Stimme spricht.


    Ich sehe das auch so in Best of Joy, aber mit einer überraschenden Wendung. Für mich ist das Michael Jackson in diesem Song, aber er ist nicht das „Ich“, er ist das „Du“. Mit anderen Worten, dies ist kein Song von ihm, sondern an ihn – dies ist ein Song der Bestätigung und Zuwendung an ihn. Und die Stimme, die es singt, ist die Musik selbst. Musik war sein „Freund / durch dick und dünn“. Musik war für ihn da, als jeder andere ihn im Stich ließ, und Musik belebte ihn, als „nichts anderes ihn aufheitern“ konnte. Musik war seine „größte Freude“ (his Best of Joy).


    Ich bin der eine, der sagte, dass du frei bist
    Als das Leben so schwierig schien
    Und nichts dich aufmuntern könnte
    Ich werde immer da sein
    War nicht ich es, der dich getragen hat
    Als alle Wände eingestürzt sind?
    Als die Dinge dich verletzt haben?
    Ich werde immer da sein (Ich werde immer da sein)
    Wir beide – das ist für immer


    Musik bleibt ewig, Musik war immer da für ihn, und Musik ist das, was „ihn getragen hat“, als „alle Wände eingestürzt sind“.


    Besonders diese eine Zeile ist interessant, denn sie erinnert an die Schlacht von Jericho. Du weißt wahrscheinlich viel mehr als ich darüber, Joie, aber die Geschichte über Jericho handelt von einer „Schlacht“, die ohne irgendeinen Kampf gewonnen wurde. Stattdessen war es Musik, die „die Mauern zum Einstürzen brachte“ – mit Ausnahme einer Wohnung. Dieser Teil der Wand, die eine Wohnung blieb verschont. Also gewann die Musik die Schlacht von Jericho ohne dass in dieser Schlacht gekämpft wurde, und Musik schützte die Familie in dieser einen Wohnung, „als alle Wände einstürzten“.


    Ich bin nicht ganz sicher warum, aber ich habe Best of Joy immer als einen Song von der Musik an ihn betrachtet, einen Song der Bestätigung, dass Musik immer für ihn da sein wird. Ich denke, vielleicht ist es auch deswegen, weil er mich an Music and Me erinnert, jenen wunderschönen Song, den er als 15-jähriger Junge gesungen hat. Es ist ein weiterer Song, in dem er über eine immerwährende Freundschaft singt, aber diese Freundschaft besteht nicht zu einer anderen Person. Sie besteht mit der Musik:


    Wir sind so eng verbunden, wie es nur zwei Freunde sein können
    Es hat auch anderes gegeben
    Aber niemals zwei Liebende
    Wie Musik, Musik und mich


    Joie: Oh, mein Gott, Willa … Ich liebe diese Interpretation! Und es ist amüsant für mich, dass du es darauf bezogen hast, dass Michael das „Du“ in diesem Song ist, denn ich habe das auch oft so empfunden. Und seit wir beide Freunde geworden sind und ich M Poetica gelesen habe, habe ich gelernt, dass es immer mehrere Wege gibt einen Song zu interpretieren. Bei jedem Song ist es so, dass solange die Interpretation durch die Lyrics gestützt werden kann, diese ihre Gültigkeit hat. Also, dieser Song beinhaltet für mich viele Interpretationsmöglichkeiten, und während ich ihn vorrangig als einen Song von Michael an sein Publikum sehe, erkenne ich ihn auch als einen Song an ihn selbst, wie du erwähnt hast. Nur habe ich noch nie daran gedacht, dass Musik hier das „Ich“ sein kann, bis du es gerade gesagt hast, und es ergibt einen vollkommenen Sinn für mich. Aber meiner Meinung nach war das „Ich“ in diesem Song immer Gott.


    Wie wir alle wissen, war Michael ein sehr spiritueller, sehr religiöser Mensch, und er hatte eine lange und enge Beziehung zu Gott. Und wenn ich über den Song auf diese Art nachdenke, ergibt es ebenfalls einen großen Sinn für mich. Genau dieselben Zeilen, auf die du vorhin hingewiesen hast, haben genau so große Bedeutung, wenn du den Song in diesem Zusammenhang siehst:


    Ich bin der eine, der sagte, dass du frei bist
    Als das Leben so schwierig schien
    Und nichts dich aufmuntern könnte
    Ich werde immer da sein
    War nicht ich es, der dich getragen hat
    Als alle Wände eingestürzt sind?
    Als die Dinge dich verletzt haben?
    Ich werde immer da sein (Ich werde immer da sein)
    Wir beide – das ist für immer


    Und weißt du, ich glaube wirklich, dass diese Interpretation das ist, was in mir so stark nachhallt und dass es einen großen Anteil daran hat, dass ich immer in Tränen ausgelöst bin, wenn ich es höre. Ja, dieser Song fühlt sich für mich wie ein Abschied an. Als wenn Michael sagen würde, dass er nun gehen muss und mich daran erinnert, dass er mich immer lieben wird. Aber es lässt mich auch an Gott denken und über meine Beziehung zu Ihm und wie gut Er immer zu mir gewesen ist. Es ist ein sehr emotionaler Song für mich aus beiden genannten Gründen.

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  • Willa: Wow, Joie, das ist eine wirklich eindrucksvolle Interpretation, und es klärt die Dinge wirklich auf, nicht wahr? Michael Jackson war eine sehr spirituelle Person, wie du sagst, also scheint die Interpretation seiner Weltsicht und dem, wer er war, sehr nahe zu kommen. Wenn wir aber einmal beide Interpretationsmöglichkeiten nebeneinander betrachten – dass das „Ich“ sowohl Gott als auch Musik sein könnte – erinnert mich das an etwas anderes, über das wir bereits mehrere Male gesprochen haben: dass es für ihn eine tiefe Verbundenheit zwischen seinem spirituellen Leben und seinem kreativen Leben zu geben scheint. Er sah seine Talente und seine Kreativität als heilige Gaben, für die er dankbar war und denen er sich auch verpflichtet fühlte. Es ist so, als würde er ein geheiligtes Vertrauen fühlen, diese Gaben, die ihm gegeben wurden, so gut er konnte zu nutzen.


    Er sprach auch regelmäßig darüber, dass er nicht wirklich selbst seine Songs schrieb – dass es nicht das war, wonach sich sein kreativer Prozess für ihn anfühlte. Stattdessen waren seine Songs wie Geschenke für ihn, die ihm von oben in den Schoß fielen, und seine Rolle als Songschreiber war, für sie der Empfangende zu sein. Gennie sandte uns gerade erst vergangene Woche sogar ein Email über diesen Gedanken: Es war ein Link zu einem TED Gespräch von Elizabeth Gilbert, der Autorin von Eat, Pray, Love, in dem sie den kreativen Prozess diskutiert. Gilberts Kernaussage besteht darin, dass die Art, wie wir den Begriff der Kreativität in der modernen Welt als das Werk eines einzelnen Genies verstehen, psychisch verletzend für Künstler sein kann. Also untersuchte sie, wie andere Kulturen Kreativität gesehen haben, und sie ist der Meinung, dass die Griechen und Römer gesündere Modelle dafür hatten. Sie sagt:


    „Die alten Griechen und die alten Römer – die Menschen glaubten damals nicht, dass Kreativität von den Menschen selbst kam. Die Menschen glaubten, dass Kreativität dieser göttliche, sie begleitende Geist war, der zu ihnen aus einer entfernten und unbekannten Quelle aus entfernten und unbekannten Gründen kam.“


    Dies scheint sehr nah an Michael Jacksons Vorstellung zu sein, dass seine Kreativität etwas war, das durch ihn hindurch floss, und dass seine Rolle als Künstler nicht so sehr darin bestand, Werke zu erschaffen, wie darin, diesen Fluss anzunehmen und ihm zu erlauben, sich durch ihn auszudrücken. Hier ist der Link, den Gennie uns geschickt hat:


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    Joie: Ich liebe einfach diesen Vortrag von Ms. Gilbert, ich denke, es ist sehr inspirierend. Etwas, was meiner Meinung nach jeder Künstler oder Schriftsteller hören und worüber er nach nachdenken sollte, und ‚Danke‘ an Gennie für das Zusenden.


    Aber ich stimme auch dir vollkommen zu, Willa. Dies scheint äußerst nah an dem dran zu sein, was wir über Michael Jacksons kreativen Prozess wissen und wie er ihn empfand. Wie viele Male haben wir ihn sagen hören, dass er das Gefühl hätte, er dürfe nicht wirklich die Anerkennung für seine Songs annehmen, weil er einfach das Gefäß war, durch das sie kamen?


    Willa: Genau, und offensichtlich ist dies ein Empfinden, das von weiteren bedeutenden modernen Künstlern, wie John Lennon, geteilt wird. In Earth Song: Inside Michael Jacksons Magnum Opus sagt Joe Vogel, dass Michael Jackson ein Zitat von John Lennon aufgehängt hatte, das er wie eine Erinnerung an sich selbst sehen konnte, während er am Earth Song arbeitete:


    „Wenn die wirkliche Musik zu mir kommt“, war da zu lesen, „die sphärischen Klänge, die Musik, die den Verstand übertrifft – das hat nichts mit mir zu tun, denn ich bin nur der Kanal. Die einzige Freude für mich ist, dass sie mir gegeben wurde und dass ich sie wie ein Medium umsetzen kann. … Für diese Momente lebe ich.“


    Das klingt den Gedanken von Elizabeth Gilbert über Kreativität als einem „göttlichen, sie begleitenden Geist,der zu den Menschen aus einer entfernten und unbekannten Quelle kam“ sehr ähnlich, und es erinnert mich auch an Dancing the Dream. Im Grunde denke ich, ist diese Vorstellung eines der zentralen Themen von Dancing the Dream. Michael Jackson schreibt in der Einleitung:


    Bewusstsein drückt sich durch Gestaltung aus. Diese Welt, in der wir leben, ist der Tanz des Schöpfers. Tänzer kommen und gehen mit einem Augenzwinkern, aber der Tanz lebt weiter. Bei vielen Gelegenheiten, wenn ich tanze, spüre ich, wie mich etwas Heiliges berührt. In diesen Momenten fühle ich, wie sich meine Seele aufschwingt, um eins zu werden mit allem, was existiert. Ich werde zu den Sternen und zum Mond. Ich werde der Liebende und der Geliebte. Ich werde zum Sieger und zum Besiegten. Ich werde der Gebieter und der Diener. Ich werde der Sänger und das Lied. Ich werde zum Wissenden und zum Gewussten. Ich tanze weiter und dann ist es der ewige Tanz der Schöpfung. Der Schöpfer und das Erschaffene verschmelzen zu einer einzigen Ganzheit der Freude.


    Ich erkenne, wie dieser Gedanke ebenso während Best of Joy ausgedrückt wird wie in den einleitenden Zeilen, die du zuvor zitiert hast:


    Ich bin deine Freude
    Deine größte Freude
    Ich bin das Mondlicht
    Du bist die Quelle
    Unsere Liebe ist eine heilige Sache
    Du weißt ich werde dich immer lieben
    Ich werde immer da sein


    Wenn die Kreativität durch ihn fließt, wird er zu „den Sternen und zum Mond … dem Liebenden und dem Geliebten … dem Sänger und dem Lied“, denn er schließt sich „dem ewigen Tanz der Schöpfung“ an und „verschmilzt zu einer Ganzheit der Freude“ – „seiner „größten Freude“ (his Best of Joy).


    Joie: Oh, das ist eine schöne Interpretation, Willa. Ich hätte niemals vorher diese Verbindung zwischen Best of Joy und dem Tanz hergestellt. Sehr interessant. Und weißt du, ich bin wirklich irgendwie gespannt darauf, was unsere Leser über Best of Joy denken und darauf, einige ihrer Interpretationen zu hören. Es ist meiner Meinung nach ein sehr besonderer kleiner Song.


    Willa: Das ist er. Für mich sind die Lyrics wie Poesie.


    Ich möchte auch jeden wissen lassen, dass die zweite Ausgabe von M Poetica nun erhältlich ist, und ihr könnt sie bis Montag (10.-14. Januar) kostenfreiherunterladen. Amazon gab mir die Möglichkeit, es für fünf Tage kostenfrei zu überlassen und ich wollte diesen Vorteil nutzen. Ich weiß, dass viele Leser bereits die erste Ausgabe haben, und es scheint nicht fair, dass sie es noch einmal kaufen sollen.


    Ich denke auch, dass viele Fans irgendwie misstrauisch gegenüber Büchern geworden sind, die behaupten, Michael Jackson positiv darzustellen, einfach weil sich herausgestellt hat, dass so viele dieser Bücher nicht gerade positiv waren. Offen gesagt, nachdem ich die Bücher von Boteach und Halperin gelesen habe, kann ich das verstehen. Also wollte ich jenen Fans die Gelegenheit geben, es zu lesen und für sich selbst zu entscheiden.



    :herz: :herz: :herz:

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    Or every man be blind
    Emily Dickinson

    Einmal editiert, zuletzt von Lilly ()

  • Im Regen wandernd
    Wandering in the Rain
    23/01/2013


    Willa: Also Joie, wann immer ich mit jemandem über Michael Jacksons Videos rede, weiß ich, dass sie mir schließlich die gefürchtete Frage stellen werden – welches ist dein liebstes? Und das ist so schwer für mich zu beantworten. Es ist so, als würdest du eine Großmutter fragen, welches Enkelkind ihr am liebsten ist. Wie jede Großmutter dir erzählen wird, liebt sie sie alle gleich! Und wenn du dich manchen nicht so verbunden fühlst wie anderen, so ist es vielleicht deswegen, weil du sie einfach nicht alle gleich gut kennst.


    You rock my world zum Beispiel gab mir lange Zeit ein unbehagliches Gefühl – es war ein schwieriges Kind für mich, mit dem ich warm werden musste. Aber nachdem wir einige Male darüber gesprochen haben – im November und Dezember 2011 – erkannte ich, dass darin so viele faszinierende Dinge zu finden sind, die ich zuvor nie gesehen hatte, und ich verstand es immer besser, und nun liebe ich es wirklich und genieße es, es mir anzusehen.


    All dies drückt auf Umwegen aus, dass ich kein Michael Jackson Lieblingsvideo habe – ich liebe sie wirklich alle – aber ich muss zugeben, dass Stranger in Moscow einen ganz besonderen Platz dabei einnimmt. Zum einen ist es so wunderschön: das Konzept, die Bilder, seine erstaunliche Stimme. Ich liebe alles daran.


    Joie: Ich liebe dieses Video auch. Für mich ist es visuell einfach überwältigend. Ich mag es einfach, dazusitzen und darin wirklich die Spezialeffekte zu betrachten; ich sitze immer wie hypnotisiert da, wenn es läuft. Es ist sehr hypnotisierend auf gewisse Art. Weißt du, meine Cousine sagte einmal zu mir: ‚Sieh dir dieses Video nicht an, es ist so deprimierend!‘ Und ich verstehe, was sie damit sagen will, aber ich konnte einfach nicht glauben, dass sie das gesagt hat, denn für mich ist dieses Video wunderschön. Ein wahrer Augenschmaus.


    Willa: Das ist es wirklich, obwohl ich auch nachvollziehen kann, was deine Cousine gesagt hat. Es scheint mir, als würde er versuchen, seinen emotionalen Zustand zu jener Zeit zu vermitteln, in den Monaten sofort nach den Anschuldigungen 1993, und das war eine schreckliche Zeit für ihn. Wie er uns in den Lyrics erzählt, „fühlte er sich, als würde er wahnsinnig werden“ (feeling insane), so als würde er einen „Weltuntergang des Verstandes“ (Armageddon of the brain) erleben. Es scheint mir, als würde er uns auffordern, uns vorzustellen, was er durchmachen musste, um zu verstehen, wie diese Situation für ihn ist – um mit den Anderen zu empfinden, wie er es so oft in seinen Werken macht. Also wiederholt der Refrain in erster Linie ständig die Zeile „Wie fühlt es sich an“ (How does it feel):


    Wie fühlt es sich an?
    (Wie fühlt es sich an?)
    Wie fühlt es sich an?
    Wie fühlt es sich an?
    Wie fühlt es sich an?
    Wie fühlt es sich an?
    (Wie fühlt es sich jetzt an?)
    Wie fühlt es sich an?
    Wie fühlt es sich an?


    Wenn du einsam bist und innerlich kalt
    Wie ein Fremder in Moskau?


    Es scheint ziemlich klar zu sein, dass er uns dazu bringen will, uns in diese Lage zu versetzen – wie in die von jemandem, der fälschlicherweise eines schrecklichen Verbrechens angeklagt und dafür in der ganzen Welt verurteilt wird, ohne daraus entkommen zu können. Wie fühlt sich das an? Wie würde es sein, sich in einer solchen Situation zu befinden?


    Frank Cascio spricht darüber in seinem Buch My Friend Michael: An Ordinary Friendship with an Extraordinary Man und er zitiert ihn so:


    „Ich glaube nicht, dass du es wirklich begreifen kannst … ich habe die ganze Welt gegen mich, die denkt, dass ich ein Kindesbelästiger bin. Du weißt nicht, wie es sich anfühlt, falsch angeklagt zu sein und ‚Wacko Jacko‘ genannt zu werden. Tagein tagaus muss ich auf diese Bühne gehen und auftreten, muss so tun, als sei alles perfekt. Ich gebe alles, was ich habe, ich gebe die Performance, die jeder sehen will. In der Zwischenzeit sind mein Charakter und mein Ruf ständigen Angriffen ausgesetzt. Wenn ich von der Bühne herunterkomme, sehen die Leute mich an, als wäre ich ein Krimineller.“


    Ich denke nicht, dass wir überhaupt anfangen können uns vorzustellen, wie das für ihn war, Tag für Tag, Jahr für Jahr, ohne Unterlass. Wir können versuchen es zu verstehen, aber ich denke nicht, dass wir es jemals wirklich können. Aber in Stranger in Moscow versucht er, uns einen kleinen Einblick in das zu geben, was diese Erfahrung für ihn bedeutet hat.


    Und das ist bedeutsam auf einer ganz persönlichen Ebene – einfach wie ein Mensch versucht einen anderen Menschen zu verstehen – aber es ist auch wichtig auf einer kulturellen Ebene, denn im Laufe seiner Karriere wurde er zur menschlichen Verkörperung des Abweichenden, des Andersseins. In gewisser Weise also stellt dieses Video genau dieselbe Frage, die Ben 40 Jahre zuvor gestellt hat: Haben wir die emotionale Fähigkeit mit jemandem zu empfinden, der ausgeschlossen ist, verlacht wird und gefürchtet ist, weil er als anders gekennzeichnet ist? Können wir diese Situation vom Standpunkt des Außenseiters sehen? Und „wie fühlt sich das an“, wenn wir das tun?

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  • Joie: Das ist eine sehr fesselnde Frage, Willa. Können wir uns selbst in die Schuhe eines anderen stellen und uns ihre Welt aus seiner Perspektive betrachten? Wir können es sicherlich versuchen, wenn wir unser Herz und unsere Gedanken an der richtigen Stelle haben, aber weißt du, es ist nicht immer eine leichte Sache für manche Menschen, dies zu tun. Es war fast so, als hätte Michael verstanden, dass dies eine schwierige Aufgabe für die meisten Menschen war und so versuchte er immer wieder, uns durch verschiedene Songs zu zeigen, was diese Erfahrung für ihn bedeutete. Im Grunde haben wir beide dies im Herbst 2011 bereits in der Tiefe diskutiert, als wir über Is it scary gesprochen haben. Und ich sagte am Schluss dieses Posts, dass ich das Gefühl hätte, er sei einer der tapfersten Menschen jemals gewesen, dass er den Mut hatte, seinen Kopf in dieser Situation Tag für Tag hochzuhalten und dabei immer noch fähig zu sein, die schönste, tiefgründigste Kunst zu erschaffen und sie der Welt zu präsentieren, die sich gegen ihn gewendet hatte. Es ist einfach unglaublich für mich.


    Willa: Oh, ich kann dir nur aus ganzem Herzen zustimmen. Es braucht enormen Mut und großes Selbstvertrauen – und ebenso Selbsterkenntnis. Er wusste, wer er war, und er besaß die innere Stärke an sich selbst zu glauben, sogar nachdem sich die Welt gegen ihn gewendet hatte. Aber es musste trotzdem unglaublich schmerzhaft für ihn gewesen sein, und ich denke, er untersucht dies in den Eröffnungsszenen in Stranger in Moscow.


    Joie: Weißt du Willa, ich denke genauso. Dieser Kurzfilm versetzt einen wirklich in eine gewisse Stimmung, direkt in den Eröffnungsszenen. Aber der Song selbst gibt auch eine gewisse Stimmung vor, und ich glaube, dies ist eins der seltenen Videos, in denen die Bilder auf der Leinwand den Song perfekt porträtieren. Wie Dirty Diana.


    Willa: Das ist ein interessanter Punkt, Joie. Einige seiner Videos gehen wirklich in eine ganz andere Richtung – ich denke nicht, dass irgendjemand das Leave me alone Video hätte voraussagen können nur durch das Anhören des Songs. Aber manche sind viel näher dran, und bei Stranger in Moscow gibt es wirklich einige direkte Korrelationen zwischen dem, was im Song gesagt wird und dem, was auf der Leinwand passiert. Zum Beispiel singt er „ein Betteljunge rief meinen Namen“ und plötzlich verändert sich die Szenerie hin zu einigen Straßenkindern, die Baseball spielen. Dann hören wir im nächsten Zwischenspiel einen Jungen, der „Michael!“ ruft und sehen einige Kinder vorbeilaufen. Also gibt das Video auf vielerlei Weise die Lyrics des Songs wieder.


    Aber ich denke, dieses Video verdeutlicht den Song auf wichtige Art und Weise. Zum Beispiel nannten einige Kritiker diesen Song „paranoid“, weil er den Kreml und Stalin erwähnt und sagt, der „KGB verfolgte mich“. Aber wie das Video klarstellt, spricht er auf metaphorische Weise. Er fühlt sich wie ein „Fremder in Moskau“, aber das Video spielt ganz eindeutig in den Vereinigten Staaten: die Autos, der Coffeeshop, die Straßenschilder, die Telefonzelle sind alle amerikanisch, und als der Passant einen Quarter zu dem obdachlosen Mann auf der Straße schnippt, ist es ein amerikanischer Quarter. Also befindet er sich in den Vereinigten Staaten, seinem Geburtsland, aber es ist ihm so fremd geworden, dass er sich emotional so fühlt, als würde er in einem fremden Land leben. Das ist es, was es für mich bedeutet, wenn er sagt „Ich lebe einsam, Baby / Wie ein Fremder in Moskau“. Es erinnert mich an diese Zeile in They Don’t Care About Us, in der er sagt „Ich kann nicht glauben, dass dies das Land ist, aus dem ich komme“. Sein Heimatland ist ihm so fremd und nicht wiedererkennbar geworden, es fühlt sich nicht länger wie sein Zuhause an.


    Und es ist sehr wichtig zu realisieren, dass er nicht die einzige Person in diesem Video ist, die „einsam lebt“. Wir sehen auch andere Menschen im Schmerz, die irgendwie aus dem Lebensfluss ausgeschlossen sind. Dies wird visuell dadurch dargestellt, dass einige der leidenden Menschen hinter Glas gezeigt werden – wie die traurige Frau in dem Coffeeshop, die man durch eine Glasscheibe sieht und den einsamen Mann in seinem Apartment, den man durch sein Apartmentfenster sehen kann. Es ist daher symbolisch gesehen wesentlich, als das Glas zerbricht, und es ist wesentlich, dass es spielende Kinder sind, die es zerbrechen lassen.


    In meinen Augen ist das Vorhandensein der Kinder ein subtiles Mittel in diesem Video, aber eines von entscheidender Bedeutsamkeit, zum Teil weil sie eine Wende herbeiführen in dem, was passiert. Im Grunde sehe ich Straßenkinder, die Baseball spielen und als Höhepunkt des Films das Fenster zerbrechen. Weißt du, es gibt da dieses allgemeine Missverständnis, dass der Höhepunkt eines Filmes oder einer Geschichte auch der aufregendste Teil sein müsste, aber technisch ist es nicht das, was das Wort „Höhepunkt“ bedeutet, wenn du Literatur oder Filme analysierst. Stattdessen bezeichnet der Höhepunkt den Wendepunkt, den Moment, der den Ausgang der Geschichte bestimmt. Manchmal ist es aufregend, aber oft ist es das nicht – oft ist es ein ruhiger Augenblick, in dem der Held oder die Heldin eine schicksalhafte Entscheidung treffen, die bestimmt, welchen Weg er oder sie einschlagen wird und wie die Geschichte schließlich endet. Zum Beispiel ist der Höhepunkt von Star Wars nicht die große Kampfszene am Schluss, als Luke Skywalker den Death Star zerstört. Es ist die viel frühere traurige Szene, als er entdeckt, dass seine Tante und sein Onkel getötet wurden und er sich entschließt mit Ben zu gehen und die dunkle Seite zu bekämpfen. Das ist der Wendepunkt von Star Wars. Und für mich ist der Wendepunkt oder der Höhepunkt von Stranger in Moscow, als die Straßenkinder das Glas zerbrechen.


    Joie: Das ist sehr interessant, Willa. Und ich mag, was du gesagt hast über den Höhepunkt einer Geschichte oder eines Films, dass es oft ein stiller Moment ist, in dem eine Entscheidung getroffen wird.


    Aber ich möchte darüber sprechen, was du über die Menschen im Schmerz in diesem Video gesagt hast. Du sagtest, sie sind alle irgendwie vom Fluss des Lebens ausgeschlossen, und das ist wirklich wahr. Aber ich glaube, all diese Aufnahmen von ihnen, die man durch die Glasscheiben oder Fenster sieht, sind auch dazu bestimmt, ein Gefühl der Isolation und Verzweiflung hervorzurufen. Das ist wirklich das Gefühl, das Michael Jackson in diesem Song zu erfassen versucht, denke ich.


    Wie fühlt es sich an?
    (Wie fühlt es sich jetzt an?)
    Wie fühlt es sich an?
    Wie fühlt es sich an?
    Wenn du einsam bist und innerlich kalt


    Jeder dieser Menschen – der einsame Mann in seinem Apartment, die traurige Frau im Coffeeshop, sogar der obdachlose Mann, der auf der Straße liegt und der Teenagerjunge, der die anderen Kinder beim Ballspiel beobachtet – sie sind alle sehr isoliert und in einem Zustand der Verzweiflung. Und jedes Mal, wenn ich dieses Video ansehe, möchte ich noch mehr von dieser Geschichte wissen, weißt du? Warum spielt der Teenagerjunge nicht Ball mit den anderen Kindern? Was hat die Frau im Coffeeshop so mitgenommen? Warum ist dieser Mann in seinem Apartment ganz allein eingesperrt, und wie ist die Geschichte des obdachlosen Mannes? Wir wissen, warum Michael sich wie ein Fremder in Moskau fühlt, aber was ist mit den anderen?

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  • Willa: Das ist ein wirklich guter Punkt, Joie, und ich denke, unsere Unfähigkeit wirklich zu wissen was sie durchmachen, wie sie sich fühlen und warum sie auf diese Art reagieren, verstärkt das Gefühl der Isolation. Wir wissen nicht, was sie gerade erleben, wir kennen nicht ihren Schmerz und diese Unfähigkeit das Leiden der anderen wirklich zu verstehen, ist ein bedeutendes Element dieses Videos, denke ich. Sie „leben auch einsam“, genau wie er, und diese Isolation verstärkt den Schmerz noch. Also kommen wir wieder einmal zurück zu der zentralen Frage: „Wie fühlt es sich an?“


    Joie: Und das ist solch ein wichtiger Punkt, Willa. Sie „leben einsam“, genau wie er. Und das lässt uns auf gewisse Weise über uns selbst nachdenken. Bis wir uns nicht aktiv selbst nach anderen ausstrecken und unsere Last teilen, leben wir alle genauso einsam wie jene Menschen in diesem Kurzfilm. Und dieses Gefühl der Isolation verstärkt den Schmerz und das emotionale Leiden. Und sogar wenn wir manchmal von Menschen umgeben sind, die sich um uns sorgen, ist es doch noch möglich, das Gefühl zu haben, als würde man „einsam leben“.


    Willa: Das stimmt, Joie, und es ist auch eine bedeutende Feststellung. Und manchmal, wenn wir verletzt sind, dann isolieren wir uns selbst. Es ist, als würden wir Zeit für uns allein benötigen, um uns zu erholen und unser Gleichgewicht zurückzuerlangen, aber uns selbst auf diese Art zurückzuziehen, kann genauso auch Probleme hervorrufen.


    Joie: Weißt du, Willa, der Schluss dieses Videos verwirrt mich irgendwie. Das hat es bisher nicht getan, aber nun, da du und ich darüber reden, beginne ich darüber nachzudenken, wie ich es nie zuvor getan habe. Am Schluss sehen all diese einsamen, gepeinigten Menschen, den Regen herunterkommen, und sie gehen hinaus und begrüßen ihn. Sie lassen ihre Gefühle von Isolation für einen kurzen Moment los und stehen unter dem fließenden Wasser und lassen sich vom Regen abspülen. Nichts ist geklärt. Aber trotzdem, jeder von ihnen scheint durch dieses Vorgehen in gewisser Weise beruhigt zu werden.


    Das ist nicht genau das, was ich als Ende davon erwartet hätte. Man könnte doch bei dem Thema dieses Filmes denken, dass wir am Ende all diese isolierten Menschen sehen würden, wie sie zueinander finden und zusammenkommen. Oder sich vielleicht Familie und Freunden anschließen, so dass sie nicht länger so isoliert sind. Aber das ist nicht das, was hier passiert. Was schließt du daraus?


    Willa: Das ist solch eine schwere Frage. Dies ist ein wirklich uneindeutiges Video – eines seiner unklarsten überhaupt, denke ich. (Das mag ein weiterer Grund dafür sein, warum ich es so sehr mag!) Also ist es möglich, das Ende auf viele verschiedene Arten zu interpretieren, aber er bietet uns einige wichtige Hinweise an. Bevor zum Beispiel diese leidenden Menschen in den Regen hinausgehen, sehen und hören wir Kinder, die im Regen herumrennen. Der Mann in seinem Apartment hört ihre aufgeregten Rufe, sieht nach unten durch sein Fenster, verlässt schließlich sein Apartment und steht im Regen. Die Art, wie diese Sequenz strukturiert ist, deutet an, dass es die Kinder sind, die ihn dazu inspirieren.


    Wir sehen ebenso, wie Michael Jackson durch die Kinder inspiriert wird. Er sucht gerade unter einem Dach Unterschlupf, als die Kinder an ihm vorbeilaufen, durch die Pfützen rennen, und dann tritt er hinaus in den Regen. Dies ist eine wirklich lange Sequenz, die Szenen der Kinder, die ständig durch den Regen rennen unterbrochen von den Szenen, in denen Michael Jackson sie beobachtet, wie sie vorbeilaufen und denen der anderen traurigen Erwachsenen ebenfalls. Es gibt eine Aufnahme der Kinder aus der Entfernung, dann von Michael Jackson, wie er sie beobachtet und dabei singt „How does it feel? Wie fühlt es sich an?“, dann einen langen Abschnitt der Kinder von Nahem, eine schnelle Einblendung von Michael Jackson, der wieder singt „Wie fühlt es sich an?“, ein weiterer Abschnitt der Kinder von Nahem in Zeitlupe, dann der Mann in seinem Apartment, der seine Hand über das Glas des Fensters gleiten lässt, während wir hören „Wie fühlt es sich an?“, der obdachlose Mann, der seine Hand zum Regen ausstreckt, Michael Jackson im Hintergrund, während die Kinder vor ihm vorbeirennen, der obdachlose Mann regendurchtränkt mit erhobenem Gesicht, Michael Jackson und die Kinder sind alle zusammen auf der Bildfläche zu sehen, eine Rückansicht der Kinder, wie sie durch den Regen spritzen, der Geschäftsmann im Regen, eine Rückansicht von Michael Jackson, der in den Regen tritt, der obdachlose Mann, der Geschäftsmann, Michael Jackson, so geht es reihum …


    Ich liebe diese Sequenz und die Art, in der diese Bilder miteinander verwoben werden. Es ist sehr geschickt gemacht und es verstärkt wieder die Vorstellung, dass Kinder ein subtiler, aber äußerst wichtiger Bestandteil dieser Geschichte sind. Und Joie, dies wirst du mögen – in der letzten Aufnahme der Kinder halten sie sich an den Händen.


    Aber dies wirft eine weitere komplizierte Frage auf: Was repräsentiert der Regen?


    Joie: Nun, das ist wirklich eine interessante Frage, Willa! Was stellt der Regen dar? Weißt du, da gibt es im Grunde viele, viele mögliche Antworten auf diese Frage. Regen stellt eine Quelle des Lebens dar; er ist äußerst wichtig für das Leben. Er nährt Menschen, Tiere und Pflanzen. Ohne ihn könnten wir nicht überleben. Und in Regionen, in denen es nicht viel Niederschlag gibt, gilt er als Symbol von Leben und Neugeburt.


    Regen kann auch für Segnungen stehen, die vom Himmel herabfließen, aber ebenso auch für Flüche. Im Grunde baute Noah, gemäß der Bibel, die Arche aus einem bestimmten Grund, richtig? Und es hatte niemals vorher auf der Erde geregnet, also kein Wunder, dass alle Menschen dachten, Noah sei vollkommen verrückt. Wasser, das vom Himmel fällt? Yeah, genau!


    Aber ich denke, in der modernen heutigen Welt symbolisiert Regen oft Tränen und Traurigkeit und Depression. Aber er ist auch, sehr oft, symbolisch zu sehen für eine emotionale Reinigung oder Heilung. Und manchmal impliziert er auch einen Hauch von Romantik! Also sind die Möglichkeiten wahrlich endlos, Willa.

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    Emily Dickinson

  • Willa: Wow, das ist eine wunderbare Aufzählung, Joie! Und du hast Recht, der Regen kann viele verschiedene Dinge bedeuten. Eigentlich denke ich, dass sich die Bedeutung des Regens im Verlauf des Videos verändert, was wahrscheinlich der Hauptgrund dafür ist, dass dieses Video so eindrucksvoll für mich ist. Am Anfang scheint der Regen „Tränen und Traurigkeit und Depression“ zu repräsentieren, wie du erwähnt hast, Joie. So wie er in der Eröffnungsstrophe singt:


    Ich wanderte im Regen
    Maske des Lebens, ich verliere den Verstand
    Rasant und plötzlich in Ungnade gefallen
    Die sonnigen Tage scheinen weit weg
    Der Schatten des Kremls verkleinert mich
    Stalins Grab lässt mich nicht sein
    Immer weiter und weiter geht es
    Ich wünschte, der Regen würde mich einfach in Ruhe lassen


    Er scheint also eindeutig den Sonnenschein mit Glück gleichzusetzen („Die sonnigen Tage scheinen weit weg“) und den Regen mit der emotionalen Qual, durch die er gehen muss („Immer weiter und weiter geht es / Ich wünschte, der Regen würde mich einfach in Ruhe lassen“).


    Aber dann sieht er die Kinder durch den Regen laufen, und er beginnt, anders darüber zu denken. Diese Kinder inspirieren ihn dazu aus seinem Unterstand herauszutreten und aufzuhören den Regen zu meiden, und er taucht im Grunde darin ein – er erlebt den Regen vollständig. Er streckt seine Arme aus, wirft seinen Kopf nach hinten und steht da mit offenem Mund, um ihn zu trinken. Diese Schlussszene, in der er sein Gesicht nach oben dreht und seinen Mund öffnet, um Regentropfen einzufangen, erinnert mich immer an jemanden, dem die Kommunion erteilt wird. Aber der Regen fließt auch an seinem gesamten Körper entlang, wie bei einer Taufe, und so scheint er dies auch zu erfahren. Es fühlt sich also für mich so an, dass der Regen für ihn zu etwas physisch und spirituell Nährendem geworden ist, „zu einer emotionalen Reinigung und Heilung“, wie du es so wunderschön gesagt hast, Joie.


    Joie: Ich stimme dir zu, Willa. Ich denke, die Bedeutung des Regens verändert sich im Verlauf des Kurzfilms und wir sehen das nicht nur an Michael Jacksons Verhalten, sondern auch am Verhalten der anderen. Die Frau in dem Coffeeshop, der alte Mann in seinem Apartment, der Teenager, der den anderen Kindern beim Ballspielen zusieht. Selbst der obdachlose Mann auf der Straße. Sie alle entscheiden sich dafür, unter dem Guss des Regens zu stehen und diese emotionale Reinigung und Heilung über sich ergehen zu lassen.


    Willa: Das ist wahr, die Bedeutung des Regens hat sich für sie alle verändert – sie alle scheinen eine spirituelle Erneuerung durch den Regen zu erlangen – und das ist ein entscheidend wichtiger Punkt. Ich bin so froh, dass du das angesprochen hast, Joie. Sie alle erfahren etwas und profitieren von dieser Verschiebung in der Bedeutung des Regens und das ist emotional so bewegend für mich und thematisch so faszinierend.


    Weißt du, Regen ist nichts als Wassertropfen vom Himmel. Er „bedeutet“ nichts, eigentlich, aber wir Menschen haben ihn mit gewaltiger Bedeutung ausgestattet und das haben wir seit Jahrhunderten. So wie die Farbe unserer Haut, für sich selbst gesehen, nichts bedeutet oder die Form unserer Augen oder ein Fluss zwischen zwei Regionen, die als getrennte Länder ausgewiesen werden, oder ein mehrfarbiger Stoff, der an einer Fahnenstange weht, oder ein schwarzes Stück Stoff, das auf dem Kopf getragen wird, oder die Länge unserer Haare oder der Stil unserer Kleidung oder der Akzent unserer Sprache oder tausend andere Merkmale. Aber wir haben diesen beliebigen Zeichen Bedeutung auferlegt und lassen sie Bedeutungen transportieren – Bedeutungen eingeschlossen, die sehr schmerzhaft für uns sein können.
    Was wichtig ist, wir haben die Macht diese Bedeutungen zu verändern – und Michael Jackson wusste wie man es macht. Ich kann nicht oft genug betonen, wie wichtig das ist. Ich denke, dass Michael Jackson seine gesamte Karriere hindurch sehr fokussiert darauf war, die konnotative Bedeutung, oft negative Bedeutung, die von bestimmten Merkmalen transportiert wird, in Frage zu stellen und zu verändern – ganz so wie er die Bedeutung des Regens in diesem Video verändert.


    In der Tat stellt Stranger in Moscow für mich im Mikrokosmos das zentrale Projekt seiner ganzen Karriere dar: Zu verändern, wie wir beliebige körperliche Zeichen interpretieren und emotional darauf reagieren, ganz so wie er verändert, wie die leidenden Menschen in Stranger in Moscow den Regen interpretieren und wie sie emotional auf ihn reagieren – von etwas Negativem, das sie außerdem isoliert und bedrückt, zu etwas Positivem, das sie nährt und belebt. Also für mich ist Stranger in Moscow zu einer Metapher für sein Lebenswerk geworden. Das ist es, was Michael Jacksons Werk für mich bedeutet und das ist der Grund, warum es für mich so wichtig und so mächtig ist.


    Tatsächlich gehe ich hier noch einen Schritt weiter. Dies ist nicht nur eine Metapher dafür, wie ich Michael Jacksons Kunst sehe, sondern wie ich Kunst mittlerweile generell sehe. Kunst hat die Macht, entscheidend zu verändern, wie wir unsere Welt wahrnehmen, erfahren und verstehen - zum Beispiel die Bedeutung des Regens zu verändern oder die Bedeutung unserer Hautfarbe oder unseres Geschlechts oder unserer Nationalität oder des Akzents unserer Stimmen oder einer Menge anderer Zeichen – und ich sehe dies jetzt als den höchsten Zweck von Kunst. Und Joie, zu dieser Vorstellung gelangte ich durch Michael Jackson. Er hat meine Vorstellungen revolutioniert, nicht nur über Kunst, sondern auch darüber, wie wir als Individuen unsere Welt erfahren. Diese Ideen werden für mich alle durch Stranger in Moscow repräsentiert und dadurch, wie er die Bedeutung des Regens verändert.


    Joie: Das ist eine sehr interessante Idee, Willa. Sie gibt uns sicher eine Menge zum Nachdenken. Aber was auch immer die Bedeutung des Regens oder die Bedeutsamkeit all dieser Merkmale sein mag, die du gerade erwähnt hast... Stranger in Moscow ist einer von Michael Jacksons tiefgründigsten Kurzfilmen. Ich denke, wir können uns beide in diesem Punkt einig sein.


    (Danke, biba :kiss: )



    :herz: :herz: :herz:

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  • :flowers: Danke, Lilly (und - seh ich jetzt erst- Biba :Tova: ...) schöner Beitrag - ich liebe Stranger In Moscow, und habs mir gleich paarmal angesehen, die letzten Tage - und vorher bestimmt noch nie so genau...wie jetzt..


    Zitat

    Aber ich möchte darüber sprechen, was du über die Menschen im Schmerz in diesem Video gesagt hast. Du sagtest, sie sind alle irgendwie vom Fluss des Lebens ausgeschlossen, und das ist wirklich wahr. Aber ich glaube, all diese Aufnahmen von ihnen, die man durch die Glasscheiben oder Fenster sieht, sind auch dazu bestimmt, ein Gefühl der Isolation und Verzweiflung hervorzurufen. Das ist wirklich das Gefühl, das Michael Jackson in diesem Song zu erfassen versucht, denke ich

    ...und ich finde es so aussagekräftig, dass Michael nicht wie die anderen "Einsamen" in dem Film, hinter Glas sitzt, oder abseits steht - sondern dass er mitten unter all den Leuten ist, umgeben von Menschen - aber trotzdem einsam. Das ist, was er immer sagte....das ist für mich seine ganz eigene Einsamkeit.


    Zitat

    Warum spielt der Teenagerjunge nicht Ball mit den anderen Kindern?

    ..da denke ich immer an Michael als Kind, wie er eben nur andere Kinder beim spielen beobachten konnte - und nicht mitmachen durfte/konnte..."And I remember going to the record studio and there was a park across the street and I’d see all the children playing and I would cry because it would make me sad that I would have to work instead."


    Zitat

    sie alle scheinen eine spirituelle Erneuerung durch den Regen zu erlangen

    ...alle die, die sich dem aussetzen,wie diese Kinder - mir fällt auf, dass alle anderen Passanten das nicht tun - sie laufen alle unterm Schirm herum. Dann wäre diese spirituelle Erneuerung vlt. auch wieder ein Schritt dahin, das innere Kind zu finden...



    Ich hab dazu noch Joe Vogels Kapitel, aus Man In The Music - über Stranger in Moscow übersetzt..und im Thread vom Buch eingestellt:

    http://www.mjjackson-forever.c…&postID=210427#post210427

    Einmal editiert, zuletzt von maja5809 () aus folgendem Grund: Edit...

  • :Tova: ...


    "After Michael's passing in 2009, I looked at the 'Stranger in Moscow' video over and over as a way of healing my grief over his loss.
    The comments made on this video were full of beautiful healing messages of love and hope.
    I made this video to capture forever some of those powerful words." Gerri Stone

  • Endlich in den Regen zu gehen ...



    … das steht für mich irgendwie auch für den Entschluss, sich den Dingen stellen zu wollen.


    Diese Menschen haben alle ein Problem, wahrscheinlich nicht nur das der Einsamkeit, sondern die Einsamkeit resultiert vielleicht daraus, dass sie sich wegen anderer Probleme zurückziehen. Wir wissen ja, welches Problem Michael hatte, und er hätte sich auch völlig zurückziehen können. Das hat er innerlich ja auch wohl bis zu einem gewissen Grad gemacht (und das muss man wahrscheinlich auch erstmal tun, um seine Wunden zu lecken). Aber dass er als einziger nicht hinter Glas gezeigt wird, sagt ja auch aus, dass er sich nicht so einfach zurückziehen konnte, dass die Welt auf ihn blickt, weil er in der Öffentlichkeit steht, während die anderen irgendeine Art privaten Schutz um sich haben. Aber er musste auch wieder „rausgehen“ in die Welt, auf Tour, auf die Bühne, unter die Leute. Er konnte sich nicht einfach verstecken. Und er hat sich seinen Problemen gestellt.


    Und meistens ist es ja so, wenn man sich nicht mehr davor versteckt, dann verlieren die Dinge ihren Schrecken, plötzlich ist alles nicht mehr so schlimm. Das ist es meiner Meinung nach, was „das in den Regen gehen“ bei den Menschen im Video bewirkt.

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  • Jetzt ist mir auch noch was zum Regen eingefallen..


    Wenn man Regen als etwas verbindendes zwischen Himmel und Erde ansieht, als Teil des endlosen Kreislaufs der Natur...könnte es auch bedeuten, dass man sich in den Regen stellt und sich so in diesen Kreislauf der Natur begibt. Dieser Kreislauf des Wasses ist wesentlich für alles Leben auf der Erde. Ohne den Kreislauf, ohne Regen gäbe es kein Leben auf der Erde. Die Erde hält sich quasi durch diesen Naturkreislauf selbst am leben, sie sorgt für sich und für alles, was auf ihr lebt.
    Für Michael war die Erde nicht einfach nur ein seelenloser "Materieklumpen" der im All herumfliegt..sondern, er sagt über die Erde:
    "You are my sweetheart, soft and blue
    Do you care, have you a part
    In the deepest emotions of my own heart"

    (Planet Earth)
    ..tritt er in den Regen, gibt er sich in diesen Kreislauf, er vertraut der Erde - der Natur, dass sie für ihn sorgt, dass sie ihn nicht im Stich lässt... :herz:


    ...vlt. bisschen ausschweifend, aber mir gefällt der Gedanke.

    Einmal editiert, zuletzt von maja5809 ()

  • :wave:
    Bin nun seit Tagen im Bann von Stranger in Moscow.
    Eure Gedanken zum Regen finde ich sehr berfruchtend.
    Ohne Zweifel war Michael sich gerade bei diesem Video :herz: sicher, dass jeder die Deutung findet, die für ihn die Richtige ist. Und dass man die Hoffnung darin findet. Dieser bedrückende Regen wandelt sich zu etwas absolut Positivem.


    Man kann immer mal im Regen stehen und dann kann man den Kopf zwischen die Schultern ziehen und hoffen er möge vorbeigehen, oder in mit himmelwärts gerichtetem Gesicht 'empfangen'.
    Mich erinnert das an meine Zeit der Wirren und der Selbstfindung als Teenager.
    Ich liebte es mich in den schlimmsten Regen zu stellen, völlig durchnässt zu werden, am besten Gewitter. Es gab mir unendlich viel Kraft.
    Und ich erinnere mich auch wie sehr ich es vermisste, als mir das langsam verloren ging. Natur empfand ich lange als wirklich heilsam... i-wann entglitt mir der Zauber... Aber es hat sich wieder geändert ;)


    Was mich bei dem Song wirklich umwirft ist die Bedeutung der Lyrics.

    "Swift and sudden fall from grace
    Here abandoned in my fame
    Armageddon of the brain "

    :flenn:

    Diese Zeilen sind sooo... :rotz:


    Ich bin einfach überwältigt von dem Schmerz den man dahinter spüren kann. :wimmer:
    Gleichzeitig ist es so tröstlich, dass Michael :herz: diesen seinen Schmerz in so etwas Schönes umwandeln konnte.


    Doch die Tatsache, dass das damals alles so verlaufen ist, wird mich wohl noch lange quälen. Mir tut das soooo leid. :stuhl:
    Sorry... wollte gar nicht so jammern.


    Das hier finde ich auch sehr inspirierend:

    Zitat

    Willa: Aber wir haben diesen beliebigen Zeichen Bedeutung auferlegt und lassen sie Bedeutungen transportieren – Bedeutungen eingeschlossen, die sehr schmerzhaft für uns sein können.
    Was wichtig ist, wir haben die Macht diese Bedeutungen zu verändern – und Michael Jackson wusste wie man es macht. Ich kann nicht oft genug betonen, wie wichtig das ist. Ich denke, dass Michael Jackson seine gesamte Karriere hindurch sehr fokussiert darauf war, die konnotative Bedeutung, oft negative Bedeutung, die von bestimmten Merkmalen transportiert wird, in Frage zu stellen und zu verändern – ganz so wie er die Bedeutung des Regens in diesem Video verändert.

    Das ist das für mich die Essenz aus diesen ganzen Gesprächen zwischen Willa und Joie. Am meisten fasziniert mich, dass Michael das gelebt hat. Er hat das nicht nur in seinen Kurzfilmen getan (diese Veränderung), er war der beste aus Zitronen-Limonade-Macher überhaupt.


    Heute beschäftigten mich auch wieder diese Kontraste:
    Seine Sanftmut und Verletzlichkeit :love: und demgegenüber diese unglaubliche Stärke :beten: mit der er sein Leben gemeistert hat.
    Er hat uns vorgelebt, dass man das vereinen kann!
    Er war kindgleich und absolut sexy.
    Er wirkte in vielem weiblich und war doch so sehr Mann.
    Er musste sich den schlimmsten Anschuldigungen stellen (wirklich den Schlimmsten überhaupt) und ist da durchgegangen, hat weiter gemacht und nicht seine Kreativität und Liebesfähigkeit zerstören lassen. Was an ein Wunder grenzt. Es muss so sein, dass er unter besonderem Schutz stand, oder eben einen gaaanz tiefen Glauben besaß.
    Das erinnert mich an die schöne Collage von Maja mit dem Zitat:


    Whenever
    you do not understand what's happening in your life, just close your
    eyes, take a deep breath and say:
    "God, I know it's your
    plan. Just help me through it."



    Eigentlich hat Michael damals alles verloren gehabt worauf er hingearbeitet hat. Seine Integrität. Mit der hätte er Heal the World zum größtmöglichen Erfolg geführt.
    Diese Porzellanfigur von Lladro... dass sie nicht in Produktion ging... Sie ist wie das Symbol für das was hätte sein können. :flenn:
    Michael war ein Botschafter und nicht nur als Sänger stimmgewaltig.
    Es hat uns eine Chance genommen, diesen haltlosen raffgierigen Anschuldigungen überhaupt Gehör zu schenken. Dahinter muss wirklich eine teuflische Kraft gesteckt haben, die ihn stürzen wollte.


    Heal the World... All das wurde ihm zerstört - (Ich weiß, dass die Foundation einige Zeit bestand, aber was wäre möglich gewesen...)
    ... und Michael :herz: steht auf und erschafft einen Song wir Stranger in Moscow... :beten: und geht einfach aufrecht weiter.
    Das ist genial und beinhaltet alle Hoffnung der Welt, oder?
    Und wir wissen, dass Michael :herz: diesen Kraftakt erneut vollbrachte, sogar übertraf.


    Vielen vielen Dank für diesen Thread :flowers: die Links, Videos und Bilder und Eure Gedanken. :blume:


    Keep the Faith :Tova: Sky*



  • Mit deinem Stift quälst du die Menschen
    06/02/2013


    Joie: Also Willa, ich habe kürzlich über Michaels Leben nachgedacht und darüber, wie surreal es gewesen sein muss, dieser Art öffentlicher Beobachtung 24/7 ausgesetzt zu sein. Kannst du dir vorstellen, wie verrückt das sein muss? Oder wie wertvoll deine ruhige, private Zeit werden würde, wenn so dein Leben aussehen würde? Ich kann mir nicht vorstellen, eine öffentliche Person dieses Kalibers zu sein. Nun, eigentlich keines Kalibers, aber dieses speziellen schon gar nicht. Wenn ich mich nur hinsetze und darüber nachdenke, haut es mich schon um. Er war wirklich einer von diesen Menschen, den die ganze Welt beobachten und über den sie hören wollte. Ob du ihn geliebt hast oder es liebtest, ihn zu hassen, jeder wollte immer mehr – wir konnten nicht genug von ihm bekommen.


    Willa: Das ist wahr, Joie. Sein gesamtes Leben spielte sich auf einer globalen Bühne ab – nicht nur seine Auftritte, sondern auch sein nicht-öffentliches Leben. Und wie du sagst, es fast unmöglich sich vorzustellen, wie so etwas sein würde. Was wäre, wenn jede peinliche Sache, die du jemals in deinem Leben gesagt oder getan hast der ganzen Welt gezeigt würde? Oder wenn deine schmerzlichsten Augenblicke vor einem weltweiten Publikum ausgestellt und debattiert würden? Stell dir einfach nur vor – deine Frau reicht die Scheidung ein, was schmerzhaft genug ist, aber dann fühlen sich vor allem Millionen von Menschen dazu berufen, darüber zu spekulieren, ob sie dich jemals wirklich geliebt hat. Das ist für mich einfach unvorstellbar.


    Joie: Es ist unvorstellbar. Und unmöglich es vollständig zu erfassen. Er schrieb oft über seine Erfahrungen in Songs wie Leave me alone, Scream und Privacy. Und er wurde von den Kritikern oft beschuldigt, deswegen paranoid zu sein. Und im Grunde, wenn du darüber nachdenkst, gibt es viele, viele Songs, die in die Kategorie ‚vermeintliche Paranoia’ fallen könnten. Songs wie Tabloid Junkie, Money und Is it scary. Sogar Songs wie 2Bad und This time around. Und der richtig Große, der mir dazu einfällt, ist der der unveröffentlichte Song Xscape. Diese Lyrics handeln nur von dieser ‚vermeintlichen Paranoia’.


    Überall, wo ich mich hindrehe, egal wohin ich sehe,
    Ist das System unter Kontrolle, wird immer strikt nach Schema F verfahren,
    Ich muss daraus entkommen, damit ich meinen Kopf frei bekomme,
    Flucht ist das, was ich brauche,Weg von den elektrischen Augen


    Egal, wo ich bin, ich sehe überall mein Gesicht
    Sie schreiben Lügen über meinen Namen, dann verbreiten sie es von Stadt zu Stadt
    Hab’ keinen Ort, wo ich hingehen kann, aber es gibt keinen Grund sich zu verstecken
    Ich muss einen Ort finden,
    Also werde ich mich nicht verstecken


    (Flucht) Ich muss entfliehen vor dem lockeren System in der heutigen Welt
    (Flucht) Der Druck, dem ich mich vergänglichen Beziehungen gegenübersehe
    (Flucht) Der Mann mit dem Stift, der die Lügen schreibt, die diesen Mann unter Druck setzen
    (Flucht) Ich mache, was ich will, denn ich muss niemand anderen erfreuen als mich selbst


    Ich liebe diesen Song so sehr; ich hoffe wirklich, dass es eines Tages auf ein angemessenes Album schafft, so dass jeder ihn genießen kann. Aber für’s Erste ist hier eine Version auf YouTube:


    jf0QrTFlZII


    Willa: Wow Joie, ich habe bisher nie von diesem Song gehört, aber es ist faszinierend, nicht wahr? Die Drums haben diesen rat-tat-tat-tat Rhythmus, wie Maschinengewehrfeuer, und da sind elektronische Klangeffekte, die einem wirklich das Gefühl geben, dass er unter Beobachtung steht oder sogar von diesen „elektrischen Augen“ gejagt wird. Und die Lyrics geben das auch wieder – es fühlt sich wirklich so an wie, dass egal wo er hinreist, er sich in einem begrenzten Raum mit Wänden befindet, innerhalb derer er eingesperrt ist.


    Joie: Die Worte sind wirklich auf eine Art sehr traurig. Wie muss das sein, wenn du dein Gesicht auf all diesen Boulevardblättern siehst, überall wo du auch hinguckst, mit wenig schmeichelhaften, unwahren und sogar ausgesprochen gemeinen Überschriften?Weißt du, ich habe diese ganze Behauptung in Bezug auf Paranoia nie wirklich verstanden. Ja, er hat wirklich eine Aussage damit getroffen, indem er mindestens einen dieser Songs auf jedes Album gebracht hat, aber warum ihn als paranoid bezeichnen, wenn er einfach nur einen Song über die Erfahrungen seines Lebens schreibt? Das scheint mir nicht fair zu sein.


    Willa: Und du bist nicht paranoid, wenn das, was du sagst, wahr ist. Du bist nur paranoid, wenn du ein wahnhaftes Empfinden darüber hast, dass Leute darauf aus sind, etwas von dir zu wollen, wenn es gar nicht so ist. Aber die Leute wollten wirklich etwas von ihm, von Paparazzi, die ihm für ein Schockfoto auflauerten über angebliche Geschäftspartner, die ihn für ein Stück seines Reichtums verklagten bis zu Familienmitgliedern, die ihn moralisch zu Konzerten verpflichten wollten, die er nicht machen wollte und zu Managern, die jeden letzten Tropfen an Einkünften aus ihm rausquetschten, den sie nur kriegen konnten. Das war keine Paranoia. Das war sein Leben.


    Joie: Genau! Das war sein Leben! Weißt du, vor einigen Wochen habe ich die Golden Globes angesehen und Jodie Foster wurde der Cecil B. DeMille Award für ihr Lebenswerk überreicht. Und in ihrer Rede sagte sie etwas, das mich wirklich getroffen hat und mich sofort an Michael denken ließ. Sie sagte:


    „Aber im Ernst, wenn du eine öffentliche Person bist seit du ein Kleinkind warst, wenn du für ein Leben kämpfen musst, das sich gegen alle Widerstände wirklich und ehrlich und normal anfühlt, dann hätte Privatsphäre für dich vielleicht auch den höchsten Stellenwert. Privatsphäre.“


    Dieser Teil ihrer Rede stach wirklich aus allem heraus für mich, denn, wie wir alle wissen, gilt Jodie Foster als eine notorisch auf ihre Privatsphäre bedachte Schauspielerin, die fast so berühmt für die Art ist, wie sie ihre Privatsphäre schützt wie für ihren erstaunlich beeindruckenden Filmkatalog. Sie ist außerdem jemand, der vollkommen nachempfinden können muss, was Michael in seinem Leben durchmachen musste. Wie Michael wurde sie in einem sehr, sehr jungen Alter ein riesiger Star und zu einem allgemeinen Begriff und sie hat über die Jahre vehement „für ein Leben gekämpft, das sich wirklich und ehrlich und normal anfühlt“. Meines Wissens nach wurde sie jedoch niemals beschuldigt paranoid zu sein, weil sie versucht ihre Privatsphäre zu schützen.

    The truth must dazzle gradually
    Or every man be blind
    Emily Dickinson

  • Willa: Das ist wohl wahr, und ich denke nicht, dass Jodie Foster die Zudringlichkeiten jemals in dem Ausmaß erfuhr wie es bei Michael Jackson der Fall war. Er war wirklich 24/7 auf Sendung, wie du sagtest. Es ist wie in diesem Film The Truman Show, der davon handelt, dass eine Unterhaltungsfirma ein Baby adoptiert und dann sein gesamtes Leben wie eine ausgedehnte Reality Show zur Schau stellt. Dies ist tatsächlich sehr interessant – Aldebaranredstar hat uns ein Zitat von Peter Weir, dem Regisseur von The Truman Show gezeigt, in dem er sagt, dass seine Idee zu dem Hauptdarsteller durch Michael Jackson inspiriert wurde:


    „Du siehst dir die Truman Show an und, ich meine, Jim Carrey hat einen fantastischen Job gemacht, aber Michael Jackson ist Truman. Er ist es, auf dem alles basiert und er kommt Truman am nächsten.“


    Joie: Weißt du, ich habe davon nichts gehört, bis Michael starb. Und ich bin nie ein Fan von Jim Carrey gewesen, also habe ich The Truman Show nie gesehen, ob du es glaubst oder nicht. Aber nun, da ich den Kommentar von Peter Weir gehört habe, möchte ich es wirklich ansehen. Vielleicht leihe ich ihn dieses Wochenende aus.


    Willa: Oh, er ist faszinierend, Joie – besonders wenn du ihn mit dem Gedanken an Michael Jackson ansiehst. Ich denke, du kannst sehr viel daraus schließen.


    Joie: Jetzt interessiert es mich wirklich sehr. Ich werde es dich wissen lassen, wenn ich ihn mir ansehe. Aber ich möchte über ein paar dieser anderen Songs reden, die du vorher erwähnt hast. Zum Beispiel haben mich die Lyrics zu Tabloid Junkie immer fasziniert, und wenn ich über sie im Kontext der „vermeintlichen Paranoia“ nachdenke, mit der so viele versucht haben Michael Jackson zu etikettieren, dann sagen sie sehr viel aus.


    Mach dir Gedanken darüber den einen zu brechen, den du hasst
    Bring die Lüge in Umlauf, die du für dich vereinnahmt hast
    Richte hin und verstümmele
    Es sind die hetzenden Medien, in Hysterie


    Speculate to break the one you hate
    Circulate the lie you confiscate
    Assassinate and mutilate
    It’s the hounding media, in hysteria


    Dies sind sehr starke Worte, und ich bin sicher, dass diese Worte aus seiner Sicht und von seinen Lebenserfahrungen her sehr wahr waren.


    Willa: Dies sind starke Worte, im Klang und in der Bedeutung. Eigentlich bin ich auch fasziniert vom Klang dieser Worte – speculate, circulate, confiscate, assassinate, mutilate – und wie sie das Wort „hate“ (Hass) widerhallen lassen, ein Wort, dass er an einer sehr markanten Stelle am Ende der ersten Zeile platziert. Die Art, wie dieser Klang lokalisiert wird, lässt es fast so erscheinen, als würde dies während dieser Strophe ein Nachhall von „hate, hate, hate, hate, hate“ sein. Und ich frage mich, ob es sich so für ihn anfühlte, geschlagen zu werden mit einer gehässigen Geschichte nach der anderen.


    Joie: Wow, ich habe daran auf diese Art noch nie gedacht, Willa. Es fühlte sich für ihn wahrscheinlich wie Hass an. Aber das war sein Leben und ich vermute, dass es manchmal für ihn kaum auszuhalten gewesen sein muss. Wenn ich mir diese Worte ansehe, kann ich aber auch erkennen, woran die Kritiker – oder die Medien – Anstoß nehmen und zurückschlagen wollen, indem sie versuchen ihn verrückt und paranoid erscheinen zu lassen. Besonders, wenn er Worte wie diese einbezieht:


    Es ist Beleidigung
    Du sagst, es ist kein Schwert
    Aber mit deinem Stift quälst du die Menschen
    Du kreuzigst den Herrn


    Und er macht hiermit weiter:


    Es sind Beleidigungen
    Die Worte, die du benutzt
    Du bist ein Parasit, der es schriftlich macht
    Der alles tut für Neuigkeiten


    Wenn du nicht hingehst und es kaufst
    Dann werden sie es nicht verherrlichen
    Es zu lesen heiligt es
    Warum täuschen wir uns dann selbst?


    Weißt du, es war fast so, als würden sie sich gegenseitig verspotten. Michael schrieb einen Song über seine Erfahrungen im Leben, die Medien nahmen ihm das dann übel und holten gegen ihn aus, so dass er auf die einzige, ihm bekannte Art zurückschlug … indem er einen weiteren Song über diese Erfahrung schrieb. Ein schlimmer Kreislauf. Es war eine sehr heikle Art der Beziehung zwischen ihnen.


    Willa: Ich erkenne, was du sagen willst, Joie, aber es ist ein kompliziertes Thema, und wir sehen etwas von dieser Komplexität in den Strophen, die du gerade zitiert hast. Beispielsweise bezieht er sich in den Zeilen „Du sagst, es ist kein Schwert / Aber mit deinem Stift quälst du die Menschen“ auf die alte Redensart „Der Stift ist mächtiger als das Schwert“. Dieses Sprichwort lobt im Grunde die Macht des geschriebenen Wortes, durch das sozialer Wandel erreicht werden kann. Es besagt, dass das geschriebene Wort – ob in Novellen oder Essays oder Gedichten oder der Presse – machtvoller ist als Armeen bei Widerstand gegen Unterdrückung, das Ungerechtigkeit entlarvt und Falsches richtigstellt. Das ist dem Gedanken sehr ähnlich, den er unter anderem in Beat it und Bad und Jam ausdrückt, dass Kunst mehr Kraft hat als Gewalt, und wir wissen, dass dies eine Vorstellung war, an die er leidenschaftlich glaubte.


    Aber die heutige Presse mit ihrem Fokus auf dem Sensationellen und Trivialen leugnet die Macht, die dies hat – „du sagst, es ist kein Schwert“ – und verschwendet dann sorglos diese Kraft, um „die Menschen zu quälen“. Anstatt zu einem Leuchtsignal für das Gute zu sein, wurden sie zu „einem Parasit, der es schriftlich macht“.

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    Emily Dickinson

  • Joie: Ich mag diesen Ausdruck einfach! „Ein Parasit, der es schriftlich macht. Der alles tut für Neuigkeiten“. Es ist ein so perfekter Ausdruck für die rücksichtslosen Prominachrichten, die wir heute sehen, denke ich.


    Willa: Das ist es wirklich. Also mir erscheint es so, dass er die Presse nicht nur dafür kritisiert, dass sie ihn attackiert, sondern für die Missachtung des höheren Zwecks, den sie erfüllen sollte. Sie sollte ihren Teil zu „Heal the world / Make it a better place“ beitragen, und das tut sie nicht. Stattdessen greift sie diejenigen an, die dies versuchen. Ich habe sogar abfällige Artikel über Nelson Mandela und Mutter Teresa gelesen. So wie Michael Jackson in den von dir zitierten Zeilen der Presse sagt, Joie: „Du kreuzigst den Herrn“, anstatt wenn man die Möglichkeit dazu hat dabei zu helfen Ungerechtigkeit zu bekämpfen.


    Joie: Ich sehe das genauso, Willa. Der gesamte Song ist ein wirklich vernichtender Blick auf die Medien. Es ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Michael Jackson uns einen Spiegel vorhält, um uns selbst zu hinterfragen, aber natürlich hört niemand zu außer den Fans. Jeder nennt ihn immer noch paranoid.


    Willa: Oh ja, es ist ein sehr vernichtender Blick. Nicht nur sind die Angriffe auf ihn unfair und verletzend, sondern sie lenken die Nachrichtenorganisationen auch von der wirklichen Arbeit ab, die sie tun sollten. Wir erkennen diesen Gedanken ebenso auch in Breaking News. Im Grunde spielt der gesamte Song mit dem Begriff „Kurzmeldung“. Normalerweise beziehen sich diese Worte auf ein Nachrichtenblatt, dass sich auf ein Event bezieht, das gerade stattgefunden hat, aber er verändert die Bedeutung, so dass die Worte Bezug nehmen darauf, wie gestört die Nachrichtenorganisationen geworden sind. Diese Organisationen können nicht länger über wirkliche Nachrichten berichten, weil die traditionellen Systeme der Berichterstattung zerfallen – er sagt „Du zerbrichst die Nachrichten“ (You’re breaking the news).


    Es ist auch interessant, dass er unterschwellig noch einmal auf den Gedanken „der Stift ist mächtiger als das Schwert“ Bezug nimmt, als er singt: „Du schreibst Worte, um zu zerstören, als wären sie eine Waffe“. Also nochmal, er drückt aus, dass die Medien dieses mächtige Schwert haben – die Macht der Presse – und sie missbrauchen es, um „Menschen zu quälen“ statt damit gegen Korruption und Ungerechtigkeit und für eine bessere Welt zu kämpfen.


    Joie: Das stimmt, Willa. Und was du gerade gesagt hast über die Presse, die ihre Macht missbraucht, um „Menschen zu quälen“ statt sie dazu zu nutzen, gegen Korruption und Ungerechtigkeit zu kämpfen, lässt mich an einen anderen Song denken, den man in diese Diskussion einbeziehen kann: Why You Wanna Trip on Me. Beim ersten Hören ist es nicht wirklich ein ‚paranoider‘ Song, aber wenn wir die Lyrics untersuchen, passt es so gut zu dem, was du gerade gesagt hast:


    Sie sagen ich sei anders
    Sie verstehen es nicht
    Aber da ist ein größeres Problem
    Das viel dringender gelöst werden muss
    Es gibt den Welthunger
    Nicht genug zu essen
    Da ist also wirklich keine Zeit dafür
    Auf mir herumzutrampeln


    Es gibt Lehrer
    Die nicht lehren wollen
    Es gibt erwachsene Menschen
    Die nicht schreiben und lesen können
    Es gibt seltsame Krankheiten
    Ah, aber keine Heilung
    Es gibt viele Ärzte
    Die sich nicht so sicher sind
    Also sag mir


    Warum willst du auf mir herumtrampeln?


    Was er hier sagt ist, dass, bei all den Millionen wirklichen Problemen auf der Welt, warum um Himmels willen die Medien die ganze Zeit auf ihm herumtrampeln? Warum brechen sie sich fast den Hals dabei, um jede seiner Bewegungen zu verfolgen und ihm ihre Kamera ins Gesicht schieben, wenn es doch so viele andere, viel bedeutendere und erschütterndere Themen gibt auf der Welt?


    Willa: Wow, Joie, ich habe überhaupt nicht an Why You Wanna Trip on Me gedacht, aber du hast Recht – das spricht es wirklich deutlich aus, nicht wahr? Er sagt „Da ist ein größeres Problem / Das viel dringender gelöst werden muss“, welches die Aufmerksamkeit der Presse erregen müsste, warum also verbringt sie so viel Zeit und Energie damit, ihn zu jagen und zu kritisieren?


    Aber weißt du, mir scheint es so, dass wenn die Kritiker Michael Jackson als paranoid bezeichnen, sie sich nicht nur auf seine Songs über die Presse beziehen. Sie verweisen auch auf seine Songs über lügende, bedrohliche und stalkende Frauen – in Songs wie Heartbreak Hotel, Billie Jean, Dirty Diana und Dangerous. Aber wie du in einem unserer ersten Posts aufgezeigt hast, Joie, können jene bedrohlichen Frauen auch dahingehend interpretiert werden, dass sie den Ruhm, das Berühmtsein oder spezifischer die Medien darstellen. Zum Beispiel gibt es diese Lyrics aus (dem Post) „Wanna Be Startin‘ Somethin‘“ (eigene Anmerkung: Es war in „Willkommen im Heartbreak Hotel“ / „Welcome To Heartbreak Hotel“):


    Billie Jean redet ständig
    Wenn niemand anderes spricht
    Erzählt sie Lügen und sucht die Gesellschaft,
    So nannten sie ihren Mund einen Motor


    Billie Jean kann eine Frau sein, die „ständig redet“ und deren Mund wie „ein Motor“ ist, aber es ist ebenso auch eine ziemlich genaue Beschreibung der Boulevardpresse.

    The truth must dazzle gradually
    Or every man be blind
    Emily Dickinson

  • Joie: Oh, wow. Gute Beobachtung, Willa! Ich habe niemals wirklich von diesen Songs als Teil der ganzen „Paranoia“-Geschichte gedacht, aber du hast Recht; es passt, nicht wahr? Die bedrohlichen Frauen in all diesen Songs wollen ihn sich irgendwie alle „schnappen“, stimmt’s? Das ist wirklich interessant.


    Weißt du, die ganze Unterhaltung lässt mich immer noch über diese Bemerkung von Jodie Foster in ihrer Golden Globe Rede nachdenken, darüber, für ein Leben zu kämpfen, das sich ‚wirklich und ehrlich und normal anfühlt‘. Und es ist einfach so traurig, dass er das niemals wirklich hatte, weil sein Leben ständig zur Schau gestellt war. Und wie du vorher schon sagtest, war er nicht paranoid im medizinischen Sinn, denn „sie“ waren wirklich hinter ihm her. Jeden Tag seines Lebens. Vielleicht waren sie nicht darauf aus, ihn zu schnappen, aber sie wollten ganz sicher jede seiner Bewegungen einfangen.


    Willa: Ja, das wollten sie. Aber wie er in vielen dieser Songs betont hat, bieten sie nur das an, was der Konsument wünscht, wie du oben aus Tabloid Junkie zitiert hast:


    Wenn du nicht hingehst und es kaufst
    Dann werden sie es nicht verherrlichen
    Es zu lesen heiligt es
    Warum täuschen wir uns dann selbst?


    Er drückt einen ähnlichen Gedanken in Monster aus:


    Es lässt dich springen, wie du solltest
    Es belebt dich wie verrückt
    Es macht dich trunken genug, um zu fallen


    Also sagt er damit, dass die Konsumenten abhängig von solchen Schockgeschichten geworden sind – „Es macht dich trunken genug, um zu fallen“ – und die Medien nähren diese Abhängigkeit. Aber wenn wir (das kollektive „wir“) uns selbst von dieser Art Beleidigungen irgendwie entgiften können und den Markt für solche Geschichten auflösen, wird diese Art des Journalismus ausgedörrt und eingehen.


    Joie: Und weißt du, die wirklich schwierige Sache dabei ist zu verstehen warum? Es scheint, dass sich jedermann über „diese Art des Journalismus“ beschwert, aber er besteht immer noch. Und sehr oft ist „diese Art des Journalismus“ nicht einmal wahr oder genau. Michael hat das so gut in Tabloid Junkie herausgearbeitet:


    Nur weil du es in einem Magazin gelesen hast
    Es auf einem Fernsehbildschirm gesehen hast
    Lässt es das nicht zu einer Tatsache werden


    Willa: Und Joie, das ist vielleicht der wichtigste Punkt von allen. Weißt du, ich denke, die meisten Leute realisieren, dass die Artikel und Fernsehsendungen im Boulevardstil nicht wirklich die Neuigkeiten berichten – dass sie sensationalisiert werden oder große Übertreibungen darstellen oder sogar komplett konstruiert sind – warum also existieren sie überhaupt? Was ist der Punkt dabei, dass „Zeitungen“ und „Nachrichten“-Sendungen über Prominente falsche Nachrichten berichten? Das ergibt überhaupt keinen Sinn.


    Ich denke, sie sind im Grunde eine Gattung der Unterhaltung – eines korrupten Entertainments – keine Nachrichten. Die Boulevardmedien verwandelten Michael Jackson in ein „Monster“ und ein „Tier“, wie er es auch in Monster singt, und dann verspotteten sie ihn in einer Art grausamer Unterhaltung. Aus irgendeinem Grund bestehen wir darauf, ab und zu Menschen zu Monstern zu machen, und die Boulevardmedien haben ihm dies angetan und ihm diese kulturelle Rolle aufgezwungen. Er spricht über dieses Phänomen ein wenig in seinem späteren Werk – Songs wie Threatened und Is it scary und Monster und Breaking News. Und es ist grausam.


    Weißt du, mein Sohn ist 14 und er hat in den letzten Jahren eine Menge Informationen über Drangsalierungen mit nach Hause gebracht. Die Schulen arbeiten wirklich hart daran, um diesen Schikanen vorzubeugen und den Kindern zu helfen, damit umzugehen, wenn es dann doch passiert. Und eine Sache, die ich gemerkt habe, ist die, dass fast alles, was mein Sohn mir über dieses Schikanieren erzählt hat – von Beschimpfungen über Internet-Mobbing bis hin zu sich denen gegenüber, die als anders wahrgenommen werden zusammenzurotten – zur Boulevardpresse genauso gut passt. Es sind brutale Menschen, und wir sollten dem verletzenden Verhalten der Boulevardmedien aufmerksam vorbeugen genauso wie wir auch das verletzende Verhalten der Rüpel zu verhindern suchen.


    Wir sollten dem nicht nur vorbeugen, weil es ihre Zielopfer verletzt, Menschen wie Michael Jackson, sondern auch weil es uns selbst ebenso verletzt. Ich glaube, die meisten Leute denken, dass die Boulevardmedien ziemlich harmlos sind – nur gedankenloser Staub über UFO’s und Prominente und die Vorhersagen des Nostradamus – und sie bemerken nicht, wie schädlich dieses konstante Trommelfeuer der Falschinformation und des engherzigen Verhaltens sein kann. Ich denke, die Boulevardmedien und die Shows anstößiger Radiomoderatoren und diese Arten aufrührerischer Unterhaltung haben beeinflusst, wie wir miteinander reden, indem sie uns weniger zivilisiert und viel verurteilender machen. Und ob wir es merken oder nicht, sie haben auch unsere Wahrnehmung und unsere Weltsicht beeinflusst. Wie Michael Jackson damals 1993 Oprah erzählte: „Wenn du eine Lüge oft genug hörst, fängst du an sie zu glauben“.


    Joie: Willa, ich könnte dir nicht mehr zustimmen. Ich mag besonders, was du gerade gesagt hast über die Boulevardmedien und die Shows anstößiger Radiomoderatoren, die eine Art aufrührerische Unterhaltung darstellen, und ich denke, dass man wahrscheinlich 90% dieser sogenannten „Reality“ TV Shows in dieselbe Kategorie einordnen kann. Und solche Shows haben die Art und Weise beeinflusst, wie wir miteinander reden und welche Beziehung wir zueinander haben – und das keineswegs auf eine gute Art. Noch einmal, dies ist eine der vielen Lektionen, die Michael Jackson versucht hat, uns wieder und wieder zu lehren, aber die meisten weigerten sich zuzuhören.


    :herz: :herz: :herz:

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    Emily Dickinson

  • Wieder eine super interessante Unterhaltung :wow:
    Michael hat sooo deutliche Worte gefunden :wow:
    Hat das niemand vernommen (außer den Fans?)
    Liebe Lilly :kiss:

    :herz: Sky*