Willa: Nun, wie du weißt, bin ich der Meinung, dass Michael Jacksons Gesicht sein größtes, bedeutendstes Kunstwerk war. Ich denke, die Art, in der er unsere sich verschiebende Wahrnehmung seines Gesichtes instrumentierte, ließ uns unsere Gedanken über Rasse und Geschlechterrollen, Sexualität und Subjektivität auf einer tiefen, fundamentalen Ebene in Frage stellen. Also ist es faszinierend für mich, die Entwicklung seiner Albumcover zu verfolgen und zu erkennen, wie er auf jedem einzelnen sein Gesicht darstellt. Sie sind wie Schnappschüsse einer sich in der Ausführung befindenden Arbeit.
Wie wir bereits besprochen haben zeigt er uns auf Off The Wall ein neues erwachsenes Gesicht – er ist nicht länger das Kind, das er auf Got To Be There oder sogar auch Forever, Michael war. Dann auf Thriller geht er noch ein bisschen weiter und gibt uns das Gesicht eines Sexsymbols – eines Sexsymbols, das Mädchen aller Hautfarben anspricht, was ziemlich radikal war in den 1980ern.
Und dann scheint Bad einen großen Sprung zu machen, künstlerisch. Er beginnt damit, zu beeinflussen, wie wir sein Gesicht interpretieren – besonders, wie sein Gesicht Merkmale von Rasse, Geschlechterzugehörigkeit und Sexualität zeigt. Sein Gesicht erscheint viel heller auf Bad und femininer, aber gleichzeitig identifiziert er sich selbst als Schwarz und er ist immer noch sehr sexy, wie Millionen Fans bestätigen können. Also spielt er mit diesen Merkmalen auf eine Art, die uns fragen lässt, wie wir sie dazu nutzen können, Identität zu bestimmen.
Und dann scheint Dangerous einen weiteren riesigen Sprung zu machen. Nun scheint er anzudeuten, dass Identität – zumindest seine Identität als Berühmtheit – ein soziales Konstrukt ist. Alles, was wir sehen, sind seine Augen, da ist also die Andeutung einer realen Person irgendwo da drinnen, hinter der Show Business Fassade. Aber wenn wir hinter diese Fassade blicken ins Zentrum der Abbildung auf dem Albumcover, ist das, was wir sehen eine graue, dampfende Fabrik mit Rohren und Öfen. Die Schlussfolgerung ist, dass da eine Industrie am Werk ist, die seine öffentliche Identität konstruiert und aufrecht erhält, und wir können nur einen kleinen Blick auf die reale Person, die hinter all dem versteckt ist, erhaschen.
Joie: Ich mag es, wie du das sagst, Willa. ‚ Eine Industrie am Werk ist, die seine öffentliche Identität konstruiert und aufrecht erhält‘. Ich stimme dir komplett zu. Und ich glaube auch, dass wir einen gesamten Post verbringen und einzig und allein über das Dangerous Albumcover reden könnten; da geht so viel vor sich. Ich liebe es, einfach da zu sitzen und es mir manchmal anzusehen. Es ist eines dieser Bilder, bei dem du fast sicher sein kannst, jedes Mal wieder etwas Neues zu entdecken.
Willa: Das ist es wirklich. Ungefähr so, wie als ich P.T. Barnums Autobiografie vor ein paar Jahren gelesen habe, und mich plötzlich das Porträt von P.T. Barnum mit Tom Thumb, der auf dessen Kopf steht, vom Dangerous Cover aus ansprang. Ich habe dem vorher niemals große Aufmerksamkeit geschenkt, aber plötzlich schien das sehr vielsagend. Du weißt, viele Leute sehen P.T. Barnum als den größten Showman in der Geschichte Amerikas, und gemäß Randy Taraborrellis Biografie bewunderte Michael das wirklich sehr – er ging damals 1984 sogar so weit, Frank DiLeo und John Branca eine Kopie von Barnums Buch zu geben und sagte zu ihnen:
„Dies wird meine Bibel sein und ich möchte, dass es auch eure ist. Ich will, dass meine gesamte Karriere die größte Show auf Erden wird.“
Wir sehen sehr viel von dieser Zurschaustellung ausgestellt auf dem Dangerous Album – es ist auf diese Art dem Video von Leave me alone sehr ähnlich.
Joie: Das stimmt, so ist es. Und ich liebe das Zitat, das du gebracht hast. Michaels Faszination von P.T. Barnum ist wirklich auf dem Dangerous Albumcover ausgestellt.
Willa: Ja, das ist es wirklich. Aber gleichzeitig, genau in der Mitte des Dangerous Covers zieht er den Vorhang zur Seite und zeigt uns die Fabrik bei der Arbeit, wie sie diese Illusion des Showgeschäfts erzeugt, und das auf eine Art, wie ich glaube, auf die es P.T. Barnum niemals gemacht hätte. Und diese Zerstörung der Illusion ist etwas, was wir ständig in Michael Jacksons Werken sehen, wie am Schluss des Beat it Videos, als die Kamera zurückfährt und uns zeigt, dass die Gangmitglieder auf einer Bühne getanzt haben, und nicht wirklich auf der Straße kämpften. Also zerstört er die Illusion am Ende und zeigt, dass das Drama, dessen Zeuge wir gerade waren, nur eine künstlerische Darstellung war. Er macht etwas Ähnliches in Black or White, wo er regelmäßig die Illusion der Realität unterbricht, indem er uns die Bühnenrequisiten und das Beleuchtungsequipment zeigt oder wenn der Regisseur ins Bild kommt. Oder bei Liberian Girl, wo er am Schluss hinter der Kamera sitzend erscheint und uns zeigt, dass es alles eine große Illusion war – aber in dem Sinn, dass die Unterbrechung der Illusion einfach nur wie eine weitere Illusion wirkt. Er war nicht wirklich der Kameramann für Liberian Girl (obwohl er sicherlich zu einem großen Ausmaß kontrolliert hat, was wir sahen) und die Aufnahme hinter der Kamera von ihm war ebenso eine Darstellung wie der Rest des Videos.
Ich bekomme dasselbe Gefühl des Loopingdrehens „dies ist eine Illusion; nein, dies ist die Illusion; nein wirklich, dies ist die Illusion“, wenn ich das Dangerous Cover ansehe, besonders dieser Blick hinter die Kulissen der Fabrik in der Mitte des Covers. Und was ich besonders interessant finde, ist, dass sich der Titel „Dangerous“, über dem Eingangstor, durch das man in diesen grauen, mechanisierten Ort gelangt, wölbt. Also ist es so, als wollte er uns erzählen, dass das Betreten dieses Ortes das ist, was „gefährlich“ ist, und wir können das auf unterschiedliche Arten interpretieren: dass es gefährlich ist Teil der Hollywoodmaschinerie zu werden, dass es gefährlich ist zu versuchen, hinter die Illusion zu blicken, dass es gefährlich ist, diesen Ort auf der Suche nach unvermittelter Realität überwinden zu wollen, weil wir niemals dorthin gelangen können.
Joie: Das ist wirklich faszinierend, Willa. Ehrlich, ich verliere mich in dem Cover, wann immer ich davor sitze und es wirklich ansehe, weil da so viel passiert. Mir geht es ähnlich bei dem Cover von Blood on the Dance Floor. Da gibt es einfach so viel zu sehen! Ich liebe den schachbrettartigen Tanzboden, auf dem er steht, und die Art, wie sich die blutrote Farbe seines Anzugs vom Rest des Covers abhebt. Und die Skyline der Stadt im Hintergrund fasziniert mich, weil die Wolken dahinter irgendwie das spiegeln, was die Skyline macht.
Willa: Wow, das ist wirklich interessant, Joie! Ich habe das bisher gar nicht bemerkt, aber du hast Recht – die Wolken, besonders an der Seite, wiederholen die Gebäudekonturen und bilden so etwas wie eine Phantasie-Stadtlandschaft bestehend aus Wolken. Und das knüpft daran an, was wir gerade über das Dangerous Cover gesagt haben. Ich kann erkennen, warum du auf die beiden auf ähnliche Weise reagierst, denn sie sind sich wirklich auf gewisse Weise ähnlich – so wie sie beide mit dem Gedanken spielen, was real ist und was nicht. Hast du zum Beispiel bemerkt, dass der schachbrettartige Tanzboden irgendwie durchsichtig ist, wie Wasser? Du kannst durch ihn hindurch sehen zu den Wolkenkratzern und den Straßen darunter. Was also ist real in dieser Szenerie? Der Tanzboden? Die Stadtlandschaft darunter? Die Wolkenlandschaft darüber? Alles davon? Nichts davon?
Für mich vermittelt dieses Albumcover eine Art Alice im Wunderland-Feeling, vielleicht durch die Art, wie es Phantasie und Realität vermischt, aber es ruft auch den Gedanken an Unterdrückung und Ausbruch hervor, über den wir vorher schon gesprochen haben. Er hat Armbänder an beiden Handgelenken, die wie Ketten aussehen, aber sie können ihn nicht zurückhalten – seine Hände sind zu Fäusten geballt, und er tanzt über der Skyline der Stadt. Er ist auch riesig, wie die Statue in HIStory – viel größer als die Wolkenkratzer, über denen er tanzt. Und dann sind da diese unglaublichen Wolken. Wir sehen nicht einfach kleine Wolkenbänder wie auf dem Off The Wall Cover. Hier dominieren die Wolken die Szenerie, und sie bilden die Umrisse der Gebäude, wie du erwähnt hast, Joie, also handelt es sich hier nicht einfach um natürliche Wolken. Sie sind eine Mischung aus Natur und Phantasie. Eine Stadt aus Wolken formiert sich über der Stadt darunter. Ich bin gerade so fasziniert davon.
Joie: Weißt du, ich habe einige verschiedene Leute gehört, die zu diesem Cover eine Geschichte über die Illuminati gesponnen haben – auf dieselbe Art, wie sie es über das Dangerous Cover machen.
Willa: Wirklich? Was sagen sie? Weißt du, ich habe noch nie etwas über die Illuminati gehört, bis du mir davon erzählt hast.