Willa: Ich liebe diese Zeilen auch, und du hast Recht – er richtet unsere Beziehung zur Natur und der materiellen Welt völlig neu aus. Ich erkenne das ständig in Dancing the Dream, in dem er regelmäßig das Spirituelle innerhalb des Materiellen ansiedelt und ein Gefühl des Staunens und der Erleuchtung innerhalb der physischen Welt findet und nicht etwa darüber. (Und es tut mir leid wegen des Wortes „spirituell“ – ich scheine es nicht ganz vermeiden zu können!). Sogar das Vorwort deutet diesen Gedanken an:
Bewusstsein drückt sich aus durch Erschaffung. Diese Welt, in der wir leben, ist der Tanz des Schöpfers. Tänzer kommen und gehen mit einem Augenzwinkern, aber der Tanz lebt weiter. Wenn ich tanze, fühle ich mich immer wieder berührt durch etwas Heiliges. In jenen Momenten fühle ich, wie sich mein Geist aufschwingt und eins wird mit allem, das existiert. Ich werde zu den Sternen und dem Mond. Ich werde der Liebende und der Geliebte. Ich werde der Sieger und der Besiegte, ich werde der Master und der Sklave. Ich werde der Sänger und das Lied. Ich werde der Wissende und das Gewusste. Ich tanze weiter und dann ist es der ewige Tanz der Schöpfung. Der Schöpfer und die Schöpfung verschmelzen zu einer Ganzheit der Freude.
Ich tanze weiter und weiter … und tanze, bis da nur noch eins ist … der Tanz.
Besonders ergriffen bin ich von der Zeile „Wenn ich tanze, fühle ich mich immer wieder berührt durch etwas Heiliges“. Wenn man diese Zeilen im Sinne dessen, was du gesagt hast, liest, Eleanor, scheint es wesentlich zu sein, dass er sich mit einer höheren Geistigkeit / Spiritualität verbindet, dem „Heiligen“, mit einer erhöhten Körperlichkeit, mit dem „Tanzen“. Das Heilige ist nicht etwas, das den physischen Körper übertrifft, sondern etwas, zu dem er durch den physischen Körper Zugang findet.
Eleanor: Ja, auf dieses Thema kommt er immer wieder zurück. Und Danke, dass du mich auf dieses Zitat aufmerksam gemacht hast. Als relativ neuer Fan von MJ befürchte ich, muss ich mich immer wieder in meine Michael Jackson Studien vertiefen – aber nochmal, es passt so perfekt und verstärkt meine Meinung, dass er sehr „bewusst“ versucht hat, eine radikal neue Art zu erschaffen die Welt zu sehen. … Ich liebe seinen Ausspruch, dass sich Bewusstsein durch Erschaffung ausdrückt, mit anderen Worten, dass Materie eine Seele hat. Jedes Mal, wenn ich aus meinem Fenster sehe oder einen Spaziergang mache, frage ich mich, wie überhaupt jemand jemals daran zweifeln kann – bei jedem Blatt, das genau weiß, wie es sich positionieren muss, um die meiste Sonne zu bekommen, bei den Wurzeln der Bäume, die direkt in mein Abwassersystem hineinwachsen, bei meinen Gänsen – gar nicht dumm – die den Gänseküken das Schwimmen und Laufen beibringen und eine beschützende, geschlossene Front um sie herum bilden, bei meiner Stute, die so genau weiß, wie sie ihr Fohlen bemuttern und auf es aufpassen muss (so wie ich wünsche, dass meine eigene Mutter es auch gewusst hätte), wie sie herumflitzt und auf den Putz haut im Sonnenlicht. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich möchte gern ein Teil all diesen Lebens sein – dieser Energie - dieses Bewusstseins in der Natur – nicht getrennt von dieser „Ganzheit der Freude“.
Willa: Das geht mir auch so. Er erzeugt eine Sehnsucht in seinen Werken, durch die wir am „ewigen Tanz der Schöpfung“, die wir rund um uns herum sehen, teilhaben können, wenn wir die Natur für das was sie ist, erst einmal mit tiefer Wertschätzung sehen, und nicht nur dafür, wie wir sie (aus-)nutzen können – zum Beispiel, eine Wiese oder einen Wald zu würdigen als das Wunder, das sie sind und nicht als mögliches Grundstück oder Nutzholz, das es auszunutzen gilt.
Mich treffen auch die Zeilen in dem Vorwort, in denen er wieder einmal all diese hierarchischen Beziehungen umkehrt – „der Sieger und der Besiegte“, „der Master und der Sklave“, „der Wissende und das Gewusste“ – und so das Heilige mit dem niedrigeren Wirkungsbereich ebenso wie mit dem höheren verbindet.
Eleanor: Ja, ich nehme an, es ist überraschender für mich, dass er das „Höhere“ einbezieht. (Beachte, wie sogar unser geistiges Vorstellungsvermögen beeinflusst wird von der transzendenten Weltsicht.) Beim Schreiben über den Earth Song wurde ich wieder daran erinnert, dass er nicht jene „ganz oben“ für die Probleme der Welt verantwortlich macht, sondern das System selbst. Wir sind alle gefangen in diesem System. Und Transzendenz treibt uns alle dahin, uns nach oben zu orientieren und Kontrolle zu erlangen. Durch ihre ihr eigene „Natur“ erschafft sie hierarchische Beziehungen, also ist es MJ’s Ziel, sie umzudrehen. Und, er dreht nicht nur die Beziehungen um, sondern auch die Energie, die uns antreibt, diese Beziehungen aufzubauen – den Antrieb, der unsere Kultur aktiviert. Er hat den Wunsch, die Energie, die die menschliche Gesellschaft antreibt mit der Energie, die die Natur antreibt, abzugleichen und sie einander anzupassen. Und er selbst ist ein Beispiel für jemanden, der wirklich verbunden, wirklich angeschlossen ist. Ich denke, es ist diese Energie, die er L.O.V.E. nennt. In dem neu entstandenen globalen Dorf können wir uns nicht länger leisten gegen einander zu arbeiten; das Überleben hängt vom Wohlergehen aller ab. Und ALLER bedeutet allen Lebens, nicht nur menschlichen Lebens (ausgenommen Moskitos und Feuerameisen natürlich).
Willa: Obwohl ich so ein Gefühl habe, er würde Moskitos und Feuerameisen genauso einbeziehen! Er hat schließlich einen wunderschönen Song über eine Ratte gesungen – er ist einer meiner Lieblingssongs.
Noch einmal Danke, Eleanor, dass du heute mitgemacht hast. Es war so interessant! Du hast mir wirklich die Augen geöffnet für eine neue Art des Denkens über diese Gedanken über den Körper, die Seele, den Geist (da ist es wieder, das problematische Wort „Geist“). Nun möchte ich mir gerne wieder einmal Earth Song ansehen und Dancing the Dream lesen mit diesen Gedanken im Kopf, und das liebe ich. Ich liebe es, wenn mir jemand einen neuen Weg aufzeigt, um in ein Werk einzusteigen und es auf eine andere Art zu sehen. Danke, Eleanor.