Dancing With The Elephant

  • Willa: Ich liebe diese Zeilen auch, und du hast Recht – er richtet unsere Beziehung zur Natur und der materiellen Welt völlig neu aus. Ich erkenne das ständig in Dancing the Dream, in dem er regelmäßig das Spirituelle innerhalb des Materiellen ansiedelt und ein Gefühl des Staunens und der Erleuchtung innerhalb der physischen Welt findet und nicht etwa darüber. (Und es tut mir leid wegen des Wortes „spirituell“ – ich scheine es nicht ganz vermeiden zu können!). Sogar das Vorwort deutet diesen Gedanken an:


    Bewusstsein drückt sich aus durch Erschaffung. Diese Welt, in der wir leben, ist der Tanz des Schöpfers. Tänzer kommen und gehen mit einem Augenzwinkern, aber der Tanz lebt weiter. Wenn ich tanze, fühle ich mich immer wieder berührt durch etwas Heiliges. In jenen Momenten fühle ich, wie sich mein Geist aufschwingt und eins wird mit allem, das existiert. Ich werde zu den Sternen und dem Mond. Ich werde der Liebende und der Geliebte. Ich werde der Sieger und der Besiegte, ich werde der Master und der Sklave. Ich werde der Sänger und das Lied. Ich werde der Wissende und das Gewusste. Ich tanze weiter und dann ist es der ewige Tanz der Schöpfung. Der Schöpfer und die Schöpfung verschmelzen zu einer Ganzheit der Freude.


    Ich tanze weiter und weiter … und tanze, bis da nur noch eins ist … der Tanz.

    Besonders ergriffen bin ich von der Zeile „Wenn ich tanze, fühle ich mich immer wieder berührt durch etwas Heiliges“. Wenn man diese Zeilen im Sinne dessen, was du gesagt hast, liest, Eleanor, scheint es wesentlich zu sein, dass er sich mit einer höheren Geistigkeit / Spiritualität verbindet, dem „Heiligen“, mit einer erhöhten Körperlichkeit, mit dem „Tanzen“. Das Heilige ist nicht etwas, das den physischen Körper übertrifft, sondern etwas, zu dem er durch den physischen Körper Zugang findet.


    Eleanor: Ja, auf dieses Thema kommt er immer wieder zurück. Und Danke, dass du mich auf dieses Zitat aufmerksam gemacht hast. Als relativ neuer Fan von MJ befürchte ich, muss ich mich immer wieder in meine Michael Jackson Studien vertiefen – aber nochmal, es passt so perfekt und verstärkt meine Meinung, dass er sehr „bewusst“ versucht hat, eine radikal neue Art zu erschaffen die Welt zu sehen. … Ich liebe seinen Ausspruch, dass sich Bewusstsein durch Erschaffung ausdrückt, mit anderen Worten, dass Materie eine Seele hat. Jedes Mal, wenn ich aus meinem Fenster sehe oder einen Spaziergang mache, frage ich mich, wie überhaupt jemand jemals daran zweifeln kann – bei jedem Blatt, das genau weiß, wie es sich positionieren muss, um die meiste Sonne zu bekommen, bei den Wurzeln der Bäume, die direkt in mein Abwassersystem hineinwachsen, bei meinen Gänsen – gar nicht dumm – die den Gänseküken das Schwimmen und Laufen beibringen und eine beschützende, geschlossene Front um sie herum bilden, bei meiner Stute, die so genau weiß, wie sie ihr Fohlen bemuttern und auf es aufpassen muss (so wie ich wünsche, dass meine eigene Mutter es auch gewusst hätte), wie sie herumflitzt und auf den Putz haut im Sonnenlicht. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich möchte gern ein Teil all diesen Lebens sein – dieser Energie - dieses Bewusstseins in der Natur – nicht getrennt von dieser „Ganzheit der Freude“.


    Willa: Das geht mir auch so. Er erzeugt eine Sehnsucht in seinen Werken, durch die wir am „ewigen Tanz der Schöpfung“, die wir rund um uns herum sehen, teilhaben können, wenn wir die Natur für das was sie ist, erst einmal mit tiefer Wertschätzung sehen, und nicht nur dafür, wie wir sie (aus-)nutzen können – zum Beispiel, eine Wiese oder einen Wald zu würdigen als das Wunder, das sie sind und nicht als mögliches Grundstück oder Nutzholz, das es auszunutzen gilt.


    Mich treffen auch die Zeilen in dem Vorwort, in denen er wieder einmal all diese hierarchischen Beziehungen umkehrt – „der Sieger und der Besiegte“, „der Master und der Sklave“, „der Wissende und das Gewusste“ – und so das Heilige mit dem niedrigeren Wirkungsbereich ebenso wie mit dem höheren verbindet.


    Eleanor: Ja, ich nehme an, es ist überraschender für mich, dass er das „Höhere“ einbezieht. (Beachte, wie sogar unser geistiges Vorstellungsvermögen beeinflusst wird von der transzendenten Weltsicht.) Beim Schreiben über den Earth Song wurde ich wieder daran erinnert, dass er nicht jene „ganz oben“ für die Probleme der Welt verantwortlich macht, sondern das System selbst. Wir sind alle gefangen in diesem System. Und Transzendenz treibt uns alle dahin, uns nach oben zu orientieren und Kontrolle zu erlangen. Durch ihre ihr eigene „Natur“ erschafft sie hierarchische Beziehungen, also ist es MJ’s Ziel, sie umzudrehen. Und, er dreht nicht nur die Beziehungen um, sondern auch die Energie, die uns antreibt, diese Beziehungen aufzubauen – den Antrieb, der unsere Kultur aktiviert. Er hat den Wunsch, die Energie, die die menschliche Gesellschaft antreibt mit der Energie, die die Natur antreibt, abzugleichen und sie einander anzupassen. Und er selbst ist ein Beispiel für jemanden, der wirklich verbunden, wirklich angeschlossen ist. Ich denke, es ist diese Energie, die er L.O.V.E. nennt. In dem neu entstandenen globalen Dorf können wir uns nicht länger leisten gegen einander zu arbeiten; das Überleben hängt vom Wohlergehen aller ab. Und ALLER bedeutet allen Lebens, nicht nur menschlichen Lebens (ausgenommen Moskitos und Feuerameisen natürlich).


    Willa: Obwohl ich so ein Gefühl habe, er würde Moskitos und Feuerameisen genauso einbeziehen! Er hat schließlich einen wunderschönen Song über eine Ratte gesungen – er ist einer meiner Lieblingssongs.


    Noch einmal Danke, Eleanor, dass du heute mitgemacht hast. Es war so interessant! Du hast mir wirklich die Augen geöffnet für eine neue Art des Denkens über diese Gedanken über den Körper, die Seele, den Geist (da ist es wieder, das problematische Wort „Geist“). Nun möchte ich mir gerne wieder einmal Earth Song ansehen und Dancing the Dream lesen mit diesen Gedanken im Kopf, und das liebe ich. Ich liebe es, wenn mir jemand einen neuen Weg aufzeigt, um in ein Werk einzusteigen und es auf eine andere Art zu sehen. Danke, Eleanor.



    :herz: :herz: :herz:

    The truth must dazzle gradually
    Or every man be blind
    Emily Dickinson

  • Bis ich meine Bestimmung finde
    Until I Find My Destiny
    03/04/2013


    Joie: Hey Willa, siehst du dir jemals Michaels so eindrucksvolles Werk an und denkst ‚Wow!‘? Ich mache das ziemlich oft und wundere mich immer über die Tatsache, dass er so lange Zeit in dem Business war. Und ich mag es zurückzugehen und mir einige der frühen Stücke anzuhören; ich finde, es ist faszinierend, der Entwicklung vom süßen kleinen Kinderstar der Jackson Five bis zum erwachsenen Superstar als King of Pop zuzuhören. Aber ich muss sagen, dass ich wirklich diese Art Zwischenstufe genieße – die Arbeit mit seinen Brüdern als The Jacksons.


    Michael nahm sechs Alben mit seinen Brüdern als The Jacksons auf. Eins davon war das unglaubliche Live Album (1981) und eins war das Victory Album (1984), welches meiner Meinung nach nicht wirklich zählt, denn Michael war in dieses ganzen Projekt nicht wirklich involviert.


    Willa: Oh, aber Joie. Darauf ist einer meiner liebsten Michael Jackson Songs …


    Joie: Welcher Song ist das?


    Willa: „Always / Please, be not always / And if always / Bow our heads in blame / ‚Cause time has made promises …“ Oh, Mann! Ich liebe diesen Song.


    Joie: Wirklich? Das ist ein Song, von dem ich ehrlich behaupten kann, dass ich ihn nicht mag. Aber, nochmal zurück zu den anderen vier Alben – The Jacksons (1976), Goin‘ Places (1977), Destiny (1978) und Triumph (1980) – auf sie möchte ich mich konzentrieren. Um genau zu sein möchte ich Destiny etwas genauer ansehen, wenn es möglich ist.


    Das Destiny Album war sehr einzigartig, denn es war das erste Album, das sie aufnahmen und für dessen kreativen Inhalt sie größtenteils selbst verantwortlich waren. Sie schrieben nahezu das gesamte Album selbst mit Ausnahme des Songs Blame It on the Boogie. Es wird als das Album angesehen, das den Status der Brüder als meistverkaufte Gruppe wiederherstellte, und es wurde ihr erstes beurkundetes, mit Platin ausgezeichnetes Album. Das ist bedeutend, denke ich, denn jahrelang hatten sie versucht, die Entscheider zu überzeugen, sie ihre eigene Musik aufnehmen zu lassen. Im Grunde war kreative Freiheit ein großes Thema für sie und einer der Gründe, warum sie seinerzeit Motown verließen.

    Willa: Du hast Recht, Joie. Destiny war in kreativer Hinsicht ein bedeutendes Album für sie. Damit bewiesen sie gegenüber der Plattenindustrie, den Kritikern, der Öffentlichkeit und am wichtigsten gegenüber sich selbst, dass sie schreiben und ihre eigenen Werke produzieren konnten. Und du kannst das hören. Ich kenne mich mit Musikgenres nicht besonders gut aus, und ich weiß nicht, wie ich das, was ich heraushören kann, beschreiben soll, aber die Jackson 5 Songs klingen wie Motown für mich. Ich liebe sie und sie sind ganz offensichtlich die Jackson Brüder, die da singen, natürlich, aber sie haben diesen Motown Sound. Und dann haben The Jacksons und Goin‘ Places den Philly Sound.


    Aber Destiny klingt nach den Jacksons. Ich habe das Gefühl, es nicht wirklich gut erklären zu können und ich übertreibe die Dinge, um eine Aussage machen zu können – der Übergang ist nicht so abrupt, wie ich es darstelle, und du kannst immer noch einige verschiedene musikalische Einflüsse auf Destiny hören. Aber es hört sich für mich wirklich so an, als würden sie mehr zu sich selbst gefunden haben, auf gewisse Weise.


    Joie: Du erklärst das großartig, Willa. Und liegst absolut richtig! Die Jackson 5 haben diesen absolut unverwechselbaren Motown Sound; er war in jedem Song enthalten, den sie aufgenommen haben. Aber als die Gruppe Motown verließ und zu CBS wechselte, ließen sie diesen „Bubble Gum Pop“ Sound hinter sich. Sie hatten keine Wahl. Und wirklich, ich denke ohnehin, dass sie nicht länger damit weitermachen wollten. Sie waren nicht mehr die pausbäckigen, heranwachsenden Jungen, sie wurden erwachsen. Sie waren damals alle junge Männer, und sie wollten, dass ihre Musik das wiedergab. Wenn ich jedoch ihren ersten zwei Alben bei CBS zuhöre, bekomme ich irgendwie das Gefühl, dass sich das kreative Team dort nicht ganz sicher war, was es mit ihnen anfangen sollte oder in welche Richtung sie gehen sollten. Weißt du, es ist fast so, als würden sie auf den ersten zwei Alben versuchen, den Zaun zu überspringen, der diesen süßen, Bubble Gum Pop Sound und den älteren, etwas anspruchsvolleren Sound voneinander trennt.


    Willa: Ich erkenne, was du sagen willst, Joie, aber weißt du, auf gewisse Weise fühlt es sich für mich wie das Gegenteil davon an. Sehr viele der Songs bei Motown schienen zu alt für sie zu sein. Es ist, als mochte das Management bei Motown die Ironie dessen, dass Kinder erwachsene Songs singen, so hatte man also einen zehnjährigen Michael Jackson, der Who’s Loving You / Wer liebt dich singt, und einen Jermaine, der I’m Losing You / Ich verliere dich („Ah woman, your touch has gone cold … I can feel the presence of another man“ / Ah Frau, deine Berührung ist kalt geworden … ich kann spüren, dass da ein anderer Mann ist). Und der Motown Sound war entwickelt worden für erwachsene Sänger – Gruppen wie The Supremes und The Temptations und The Four Tops. Ich möchte nicht zu kritisch klingen – ich liebe die frühen Jackson 5 bei Motown. Aber als Kind, nur einige Jahre jünger als Michael Jackson, waren meine Lieblingssongs diejenigen, die meinem Alter angemessener waren, die nicht so klangen, als würden Kinder vorgeben Erwachsene zu sein – Songs wie Ben und ABC und Rockin‘ Robin.


    Eins der Dinge, die ich also an Destiny mag, ist, dass sie sich in gewisser Weise jünger für mich anhören. Oder vielmehr, sie hören sich so an, wie sie sind – eine Gruppe sehr talentierter junger Männer, die eine gute Zeit haben und ihren eigenen Sound finden.

    The truth must dazzle gradually
    Or every man be blind
    Emily Dickinson

  • Joie: Nun, du hast Recht, eine Menge von dem Motown-Zeug war viel zu alt für sie zu jener Zeit. Aber für mich hatte es immer noch diese überzuckerte Bubble Gum Qualität an sich. Ob die Songs nun altersgerecht waren oder nicht. Eigentlich denke ich manchmal, allein die Tatsache, dass der Song nicht altersgerecht ist, lässt ihn umso süßlicher und schmalziger klingen, nur wegen des Spiels mit dem Alter (wie das gesprochene Intro der Live Version von Who’s Lovin‘ You, wo Michael ausruft ‚I gave her my cookies! Ich habe ihr meine Kekse gegeben!‘ – in der Bedeutung, dass dieser kleine Tausch der physische Beweis seiner Liebe wäre, so als habe er ihr einen Diamantring geschenkt).


    Und bei diesen zwei ersten CBS Alben habe ich manchmal das Gefühl, als würden sie irgendwie in der Mitte feststecken. Nimm zum Beispiel das erste Album The Jacksons. Unter den ersten drei Songs auf diesem Album hast du Enjoy Yourself – eine amüsante, leichte Tanznummer über junge Menschen auf einer Party, auf der er versucht ein Mädchen zu überreden mit ihm zu tanzen. Track Drei ist Good Times – ein wirklich sanfter, süßer Song über einen jungen Mann, der an eine zu Ende gegangene Liebesbeziehung zurückdenkt. Beide Songs klingen sehr altersgerecht und erwachsen für mich. Aber genau dazwischen eingeklemmt ist Think Happy – ein Song, der für mich so klingt, als wäre er bei einer dieser Motown Aufnahmesessions übrig geblieben. Es klingt sehr danach, als könnte er von diesen jugendlich frischen Heranwachsenden aufgenommen worden sein, die mit ABC und I Want You Back in die Szene platzten.


    Es ist so, als würden The Jacksons und Goin‘ Places ein wenig an einer Identitätskrise leiden. Aber dann, als den Brüdern erst einmal die kreative Freiheit zugestanden wurde, nach der sie sich so lange gesehnt hatten, waren sie schließlich fähig zu sich selbst zu finden und der Welt ihren eigenen Sound vorzustellen. Mit Destiny haben sie endlich eine eigenständige, zusammenhängende Identität gefunden. Es ist, als würden die Brüder sagen ‚Ok, lasst uns ihnen endlich zeigen, was wir drauf haben‘. Zumindest wirkt es auf mich so.


    Willa: Nun, das ist interessant, Joie, denn ich stimme eindeutig zu, dass Destiny mehr „ihren eigenen Sound“ wiedergibt, aber ich bin nicht so sicher über den Teil der „zusammenhängenden Identität“. Was ich meine ist, dass sie nicht einen eindeutigen Sound erschufen, indem sie bei einer Formel oder einem Stil oder sogar einem Genre bleiben. Es gibt sehr viel Experimentieren auf Destiny.


    Zum Beispiel zeigt der Titelsong einen starken Country-Einfluss, finde ich – oder wenigstens beginnt es mit Country. Es ist zum Ende hin sehr viel funkier. Und Country-Musik ist nicht das, was du auf einem Jacksons Album erwartest, obwohl sie offensichtlich ursprünglich daher kamen. Ihre Mutter mochte Country-Musik und sang sie gerne am Radio mit, und sie begannen mit einzustimmen. Aber Destiny ist einer der wenigen Songs, wo du diesen Einfluss wirklich hörst.


    Joie: Ich erkenne, was du sagen willst, Willa, über den Einsatz mehrerer Stile und Genres – etwas, das Michael später als Solokünstler fortgesetzt hat – aber ich rede nicht wirklich über den „Sound“. Was ich damit sagen will ist, dass sie endlich eine eigenständige, zusammenhängende Identität hatten. Ich spreche von … der inneren Einstellung, vermute ich. Wahrscheinlich erkläre ich mich ziemlich schlecht, aber was ich deutlich machen möchte ist, dass die Brüder mit dem Destiny Album endlich von der süßen, kleinen Kinder-Nummer zu erwachsenen musikalischen Stars herangewachsen waren. Vorbei waren die süßen, Bubble Gum-artigen, auf Nummer sicher gehenden Songs wie Think Happy und Living Together und Music’s Takin‘ Over und Jump for Joy, die die ersten zwei CBS Alben füllten. Die „sicheren“, jugendlichen Sachen waren endlich ersetzt worden durch Songs, die sehr viel ‚funkiere‘ Kanten an sich hatten, Songs, die bewirken, dass du dich wirklich zu ihnen bewegen möchtest. Songs, die dich über das Leben und die Liebe nachdenken lassen. Songs, auf die die Brüder unglaublich stolz waren, weil sie sie selbst geschrieben und produziert hatten. Sie waren nun erwachsen und ihre Musik reflektierte das endlich.


    Sie hatten jahrelang jedem bei Motown erzählt, dass sie das könnten und bettelten um eine Chance, aber niemand hörte zu. Und ihnen wurde diese Chance bei CBS versprochen, aber es entwickelte sich sehr langsam. Jeder wusste, dass diese Jungs äußerst talentierte Sänger und Tänzer waren, aber niemand wollte die Zügel zum Schreiben und Produzieren aus der Hand geben. Sie waren unerprobt in diesem Bereich und die Aussichten bargen Risiken. Aber die Brüder bestanden weiter darauf, dass sie es schaffen könnten, dass die bereit wären. Und sie haben es bewiesen, als Destiny Platz 11 auf den Bill Board Album Charts und Platz 3 auf den Billboard Black Album Charts erreichte. Es verkaufte sich schließlich über vier Millionen Mal und wurde ihr erstes durch die RIAA (Verband der Musikindustrie der USA) zertifiziertes Platinalbum. Das muss eine große Belohnung für sie gewesen sein.

    The truth must dazzle gradually
    Or every man be blind
    Emily Dickinson

  • Willa: Oh, auf jeden Fall. Und wo wir gerade von den Charts sprechen, hier ist eine interessante Nebensächlichkeit – wie du erwähnt hast, Joie, schrieben die Jackson Brüder alle Songs auf Destiny selbst , außer einem, Blame It on the Boogie, und dieser Song wurde geschrieben von … Michael Jackson. Nicht Michael Joseph Jackson, sondern Michael George Jackson. Er ist in den Credits als Mick Jackson aufgeführt, und das hat mich neugierig gemacht. War es ein Cousin? Also habe ich nachgeforscht und herausgefunden, dass er kein Verwandter ist – er ist Engländer, wurde aber in Deutschland geboren, wuchs dort auf und lebt immer noch dort.


    Und hier ist der interessante Teil: Er nahm seine eigene Version von Blame It on the Boogie auf, bevor die Jacksons es aufnahmen, aber seine Version wurde aus irgendeinem Grund verspätet veröffentlicht, so dass sowohl seine Version als auch die der Jacksons in England zur selben Zeit herauskam, und sie erreichten beide sehr gute Plätze. Die Version der Jacksons erreichte Platz 8 der Charts und seine Version Platz 15. Offenbar mochten die Briten den Gedanken wirklich, dass es zwei Blame It on the Boogies von zwei verschiedenen Michaels Jacksons zur selben Zeit in den Charts gab, also startete ein Wettbewerb, der „Battle of the Boogie“ (Kampf zwischen den Boogies) genannt wurde:


    9MRmvmhOoNo&feature=player_embedded


    Und hier ist Mick Jacksons Version:


    ZcDj46elLhQ&feature=player_embedded 


    Joie: Ja, ich habe die Mick Jackson Version schon mal gehört. Heftig die Unterschiede zwischen den beiden, nicht wahr? Aber mir war bisher nicht der "Battle of the Boogie" bekannt, der daraus entstand. Das ist eine amüsante Tatsache. Und das ist ein interessanter Clip über die Dokumentation; Danke für's Zeigen, Willa.


    Willa: Ja, es ist interessant, nicht wahr? Und du hast Recht, es ist auch interessant die beiden Versionen zu vergleichen. Ich meine, die Mick Jackson Version ist ein gut gesungener Popsong, die gut angekommen ist - er war schließlich auf Platz 15 in den Charts. Aber wenn ich mir dann die Version der Jacksons anhöre, wow! Für mich ist sie so sehr viel fesselnder und dramatischer. Und ich denke, eine Menge dieses Dramatischen ist einfach auf Michael Jacksons stimmliche Fähigkeiten zurückzuführen. Eigentlich frage ich mich, ob das einer der großen Unterschiede zwischen Destiny und den früheren Alben ist - einfach Michael Jacksons Wachstum als Sänger und die Freiheit, die er nun hatte, alles auszuprobieren, was er wollte und uns dies durch seine Stimme zu vermitteln.


    Ich habe vor Kurzem ein wenig in die beiden Alben reingehört, über die du sprechen wolltest, Joie - The Jacksons und Goin' Places - und eine Sache, die ich umhaut ist, dass du kaum welche von Michael Jacksons non-verbalen Vokalisierungen hörst, die wir einige Mal in der Vergangenheit erwähnt haben - sein Jaulen und Aufschreien und das schrille "Woo!" und "Whoa!" und "ow!" (Ich liebe dieses hohe, verspielte "ow!", das er manchmal von sich gibt.) Du hörst auch nicht, dass er die Struktur seiner Stimme so oft ändert, vom rauen, tiefen Knurren zu kristallklaren Falsetts. Und diese Strukturen und Vokalisierungen fügen seinen Songs doch gerade so viel Charakter und Dramatik zu.


    Dann kam Destiny, welches mit Blame It on the Boogie startet, und die erste Sache, die wir hören ist, dass er "hee-hee-hee-hee" singt, zu Beginn ganz hoch und dann tiefer fließend wie Wasser. Diese Vokalisierungen sind so ausdrucksvoll und sie lassen uns dadurch von Anfang an wissen, dass dies ein ganz anderer Sound ist, als wir ihn bisher von ihnen gehört haben.


    Joie: Du hast Recht, Willa. Und die Tatsache, dass wir bis zum Erscheinen des Destiny Albums nicht all jene non-verbalen Ticks hören, die wir so lieben, ist tatsächlich sehr interessant und auch sehr vielsagend, meiner Meinung nach. In meinen Augen zeigt dies mehr als alles andere die kreative Unterdrückung, die er und seine Brüder gefühlt haben müssen, bevor ihnen die kreative Freiheit zugestanden wurde, zu schreiben und aufzunehmen, was sie wollten anstatt die Dinge immer auf die "althergebrachte" Art machen zu müssen. Nun, da sie endlich die Zügel in der Hand hatten, fühlten sie sich frei, etwas von ihrer wirklichen Persönlichkeit durch ihre Musik durchscheinen zu lassen. Und das können wir wirklich spüren in jedem einzelnen Song auf dem Destiny Album.



    :herz: :herz: :herz:

    The truth must dazzle gradually
    Or every man be blind
    Emily Dickinson

  • Der Groove deines Gangs, wie du sprichst
    18/04/2013


    Willa: Diese Woche möchten Joie und ich über die Dichtkunst in Michael Jacksons Lyrics, die rhythmische und klangliche Beschaffenheit seiner Worte ebenso wie ihre Bedeutung, sprechen, aber wir dachten uns, dass wir dabei ein wenig professionelle Hilfe gebrauchen könnten. Glücklicherweise haben wir einen Experten unter uns!


    Bjørn Bojesen ist ein regelmäßiger Teilnehmer bei den Diskussionen hier im Blog und der Autor von En Untersøgelse af Fænomenet Rim, das gerade veröffentlicht und im Laufe dieses Jahres erhältlich sein wird. (Für diejenigen von uns, die kein Dänisch sprechen, habe ich mir sagen lassen, dass es mit Eine Untersuchung des Phänomens des Reimens übersetzt wird.) Bjørn hat den Grad eines Master of Arts (M.A.) in Skandinavischen Studien mit dem Schwerpunkt auf nordischen Sprachen und Literatur, und er schrieb seine Abschlussarbeit über das Reimen - im Grunde war seine Abschlussarbeit die Basis für sein Buch. Und er half vor ein paar Wochen in den Kommentaren dabei eine komplizierte Frage zu entwirren, was von vielen von uns sehr geschätzt wurde.


    Leider kann Joie heute nicht dabei sein, aber vielen Dank, dass du dich mir anschließt, Bjørn!


    Bjørn: Vielen Dank für die Einladung zu dieser Diskussion, Willa! Es ist eine ziemliche Ehre.


    Willa: Oh Bjørn, ich bin so aufgeregt und dankbar, dich hier zu haben! Ich bin von der Poesie von Michael Jacksons Lyrics seit langer Zeit fasziniert, und ich bin so gespannt deine Gedanken dazu zu hören. Wie kam es dazu, dass du dich für das Reimen interessierst?


    Bjørn: Nun, ich war immer schon an Worten und Bildern interessiert. Als Teenager habe ich viele Gedichte geschrieben und Stunden damit verbracht großartige Reime zu erstellen. Während meiner letzten Jahre auf der Universität habe ich versucht jemanden zu finden, der einige meiner Gedichte veröffentlicht. Als das nicht klappte, fing ich an, über den Einsatz meiner Reime nachzudenken. Das meiste der modernen Dichtung, das ich in den Buchgeschäften gefunden habe, hat überhaupt keine Reime. Aber wann immer ich das Radio anstellte, hörte ich, dass all die Rapper und Popsänger reimten, einschließlich Michael Jackson … Hatten die Reime die Bücher verlassen, nur um ein neues Zuhause in der Musik zu finden? Ich teilte meine Gedanken einer Freundin mit und sie pflichtete mir bei, dass es ein interessantes Thema für meine bevorstehende Abschlussarbeit sein würde.


    Willa: Das stimmt, Bjørn. Ich habe noch nicht über diese beiden Veränderungen im Zusammenhang nachgedacht, aber du hast Recht - Reime und andere Wortspiele sind sehr wichtige Elemente des Rap, während moderne Dichter fast gegen das Reimen zu revoltieren scheinen, oder wenigstens gegen die regulären Reimschemen, so als wären sie zu einschränkend. Und es ist interessant, dass du das als eine Wanderbewegung darstellst: "Hatten die Reime die Bücher verlassen, nur um ein neues Zuhause in der Musik zu finden?" Es ist faszinierend, auf diese Art darüber zu denken.


    Dieser Einsatz der Reime in der Musik ist eins der Dinge, über die ich mit dir sprechen möchte. Als Joie und ich zuerst auf dieses Thema kamen, musste ich sofort an einen Kommentar denken, den du im letzten Frühjahr über The way you make me feel gemacht hast:


    Dinge wie die erste Zeile von TWYMMF sind rhythmisch und klanglich brillant: 'Hey pretty baby with the high heels on …' (Hey hübsches Kind mit den High Heels …) Hier reimt such 'hey' mit dem 'ba' von 'baby', während 'pretty' und 'baby' eine Art halber Reim sind mit der Endung -y, das auch noch einmal reflektiert wird von dem i in 'with'. 'Hey', 'high' und 'heels' bilden einen Stabreim (Alliteration, fangen mit demselben Klang an) und geben der Songeröffnung auf diese Art eine gehauchte, drängende Stimmung. 'High' ist wie das dunkle Echo von 'Hey'.


    Ich liebe es, wie du dich auf die Klangqualität dieser ersten Zeile konzentrierst, besonders weil ich schon immer von dem wundervollen Takt dieser Zeile hingerissen war - dem Schaukelpferd-Rhythmus dieser drei Trochäen, die von drei starken Takten am Ende gefolgt werden. Ich weiß nicht so richtig, wie ich diesen Rhythmus in gedruckter Form ausdrücken soll, aber es ist irgendwie so: DUM DUM-da DUM-da DUM-da DUM DUM DUM. Also habe ich mich gefragt, ob wir damit beginnen könnten, über diese Zeile ein wenig mehr zu reden.


    Bjørn: Was so grossartig an dieser Zeile ist, ist die Art, wie die Laute mit zu der Vorwärtsbewegung des Songs beitragen. Eine der hauptsächlichen Funktionen von Reimen ist es, Spannung und Erleichterung zu erzeugen. Lass mich kurz auf einen anderen Song kommen - She's Out of My Life. Wenn Jackson direkt nach "and it cuts like a knife" ("und es schneidet wie ein Messer") aufgehört hätte, dann wäre es in der Tat schneidend wie ein Messer gewesen! Aber glücklicherweise macht er weiter mit "she's out of my life", und wir als Zuhörer sind besänftigt - nicht nur wegen der Vervollständigung der Bedeutung, sondern ebenso auch wegen der klanglichen Erleichterung, die der Reim knife : life mit sich bringt. Bitte achte mal auf die Art, wie ich Reime mit einem Doppelpunkt schreibe, das ist ein Brauch, den ich mir aus der deutschen Literatur abgeguckt habe.


    Willa: Oh, ich mag das. Ich versuche, diese Form auch zu benutzen.


    Bjørn: Also - wir erwarten einen Reim und nach ein paar quälenden Sekunden des Wartens werden wir belohnt! Nun, das ist das Spiel der traditionellen, geschriebenen Dichtkunst und von Liedern, die in dieser Manier geschrieben werden.


    Willa: Bei der Analyse englischer Dichtung nennen wir dies "Abschluss / Auflösung" - dieses Gefühl der Auflösung nach einer Phase der Anspannung - und es ist erstaunlich, wie machtvoll das ist. Wenn der Satzbau und das Versmaß und die Bedeutung und der Reim zusammenkommen und in einem perfekten Abschluss zusammentreffen, dann ergibt sich daraus ein sehr starkes Gefühl des Abschlusses, und das fühlt sich für uns als Zuhörer einfach richtig an.


    Sehr viel aus der modernen Dichtung widersetzt sich dem Abschluss und verhindert, das das Gefühl des Wohlbefindens erzeugt wird. Und dann gibt es da Dichter wie Emily Dickinson zum Beispiel, die gerne damit spielt. Sie schlägt ein Reimschema vor und wirft dann einige schräge Reime hinein, so dass sich alles ein wenig unrund anfühlt. Es ist überraschend, wie verstörend das sein kann und wie beruhigend es sich anfühlt, wenn wir, wie du sagst, Bjørn, "nach ein paar quälenden Sekunden des Wartens belohnt werden" mit einem perfekten Reim und einem Gefühl des Abschliessens. Es ist interessant über Michael Jacksons Lyrics im Hinblick darauf nachzudenken, wie er Reime einsetzt, um Erwartungen zu wecken, sie in einer Anspannung zu halten, um sie dann aufzulösen.


    Bjørn: Ja, da stimme ich dir zu! Weißt du, die großartige Sache über Song Lyrics ist, dass sie nicht etwas sind, worüber du in einem Buch liest. Ein Song ist ein organisches Ganzes, und Reime und reimähnliche Konstrukte können überall auftauchen. Du bist nicht an sichtbare Zeilenendungen oder an Zwischenräume zwischen den Wörtern gebunden. Wenn wir als Zuhörer uns The way you make me feel aussuchen und den Play-Button drücken, erwarten wir nicht "Dichtkunst" im literarischen Sinn. Aber dann überfällt uns Jackson buchstäblich mit einer Kette von Reimen - noch dazu mit "Schaukelpferd-Rhythmen" und "starken Beats", wie du es so passend beschrieben hast, Willa! Wegen der Intensität seiner Darbietung übernehmen sehr viele scheinbar zufällige klangliche Ähnlichkeiten die Funktion von Reimen: You've got the H- H- H- Reim (der eine Alliteration ist, genau wie in alter englischer Dichtkunst), du hast den Gleichklang oder den "Silbenreim" hey : ba- in "Hey … baby" … Je nachdem, wie tiefgehend deine Analyse ist, kannst du sogar sagen, dass es einen inneren Reim (Binnenreim) gibt in "pretty" (pree : tee). Der Punkt ist, dieses Flickwerk aus Klängen, die einander wiedergeben, erzeugen eine Menge Spannung und Schwung! Das allererste Wort "hey" hallt wider in "baby" und "high" (und "heels"). Außerdem, wie ich in jenem Kommentar festgestellt habe, ist "high" der dunkle Zwilling von "hey". Bis zu dieser Stelle trippeln wir über helle Vokale: ey - e - e - ey - e - e - (eh). "High" ist wie ein doppeltes Kennzeichen: Es bringt dunklere Vokale ins Spiel ebenso wie eine bemerkenswerte Änderung bei der Bedeutung der Lyrics …

    The truth must dazzle gradually
    Or every man be blind
    Emily Dickinson

  • Willa: Das ist so interessant, Bjørn! Besonders wenn du sagst, dass es Spannung und Schwung erzeugt - ich habe darüber bisher gar nicht nachgedacht. Und es ist interessant, sich dann auch die Schlussreime der ersten Strophe anzusehen. Hier ist das erste Reimpaar:


    Hey pretty baby with the high heels on
    You give me fever like I've never, ever known


    Hey, hübsches Kind, mit den High Heels
    Du lässt mich fiebern, wie ich es niemals jemals erlebt habe


    Die Wörter am Zeilenende bilden einen schrägen Reim (on : known) - einen nicht-ganz-echten-Reim - und wir als Zuhörer fühlen das auf eine unterbewusste Art und spüren, dass etwas nicht ganz richtig ist. Aber als sich die Strophe fortsetzt, wird uns das zufriedenstellende Gefühl echter Reime gegeben:


    You're just a product of loveliness
    I like the groove of your walk, your talk, your dress
    I feel your fever from miles aroun'
    I'll pick you up in my car and we'll paint the town


    Du bist einfach ein Produkt der Anmut

    Ich mag den Groove deines Gangs, wie du sprichst, dein Kleid
    Ich spüre dein Fieber schon meilenweit vorher
    Ich nehme dich in meinem Auto mit und wir machen die Stadt unsicher


    Das leichte Unbehagen des schrägen Reimes von on : known macht der Behaglichkeit von -ness : dress und aroun' : town Platz. Und dies entspricht der wachsenden Freude, die er spürt, als er diese junge Frau kennenlernt - oder der Aufgeregtheit und Erwartung sie bald kennenzulernen.


    Bjørn: Ich mag wirklich, was du sagst über die Reime am Ende der Strophe, Willa! Nach dieser perfekten ersten Zeile ist on : known ein bisschen holprig! Es ist wie eine klangliche Darstellung dieses "Fiebers", über das er singt. Wie er auch in You rock my world herausstellt, bringt die Sehnsucht und das Verlangen oft eine Gefühlsmischung aus "Glück und Schmerz" mit sich.


    Willa: Ganz genau! Jemanden neu kennenzulernen ist aufregend, aber es kann genauso auch verstörend sein - ebenso wie der leicht schräge Reim. Aber dann geht es ihm mit dem Gedanken immer besser und das spiegelt sich sich in der Behaglichkeit der echten Reime in diesen folgenden Zeilen wider.


    Aber wenn wir zurückgehen und uns ansehen, wie die erste Zeile uns zu dem Rest des Songs hinführt, dann bin ich neugierig darauf, was du meintest, Bjørn, als du gesagt hast "'High' ist wie ein doppeltes Kennzeichen: Es bringt dunklere Vokale ins Spiel ebenso wie eine bemerkenswerte Änderung bei der Bedeutung der Lyrics". Ich erkenne ein stärker werdendes Gefühl der Freude und des Wohlbefindens, aber vielleicht siehst du noch etwas anderes, das durch diese "dunkleren Vokale" passiert?


    Bjørn: Das tue ich definitiv! Aber ich muss dich warnen: Wenn man Klänge analysiert, dann wird man sehr schnell mitgerissen! In der Dichtkunst, und als ihre Erweiterung in Song Lyrics, tauchen wie aus dem Nichts viele schöne oder interessante Muster auf. Ich denke nicht, dass Michael Jackson jemals gedacht hat "Und nun lasst uns zu den dunkleren Vokalen gehen". Aber er hatte ein großartiges Gespür für Worte, und das Wort "high" funktioniert ganz sicher auf einer klanglichen wie auch auf einer erzählerischen Ebene.


    Ich denke, die meisten Leute würden zustimmen, dass "Hey pretty baby" sich ziemlich trivial anhört. Was meinst du damit, wenn du jemanden "baby" nennst? Du könntest es aus reiner Liebe und Zuneigung sagen, wie es oft getan wird. Allerdings denke ich, dass es auch ein Element der Verharmlosung der anderen Person beinhaltet, besonders wenn diese Person ein Erwachsener ist. Das ist die Stelle, an der Jackson seinem "pretty baby" High Heels anzieht. Genau in diesem Augenblick wird das Kräfteverhältnis umgedreht! Sie wird vom "pretty baby" zu einer starken Frau, die auf ihren High Heels eine große Rolle spielt und ihn fiebern lässt! Und diese Änderung geht einher mit den leichten e-Lauten, die dem dunklen Klang von "high" Platz machen müssen. Ich höre sie fast, wie sie bei diesem Takt wütend mit ihrem rechten Absatz aufstampft! Nur ein kleines Detail in dem großen Klangteppich des Songs, aber es ist ein brillantes Detail.


    Es gibt ein ähnliches Jonglieren in "You're just a product …" (Du bist nur ein Produkt …) - hey, was für eine Art Sexismus ist das! Aber dann kommt "of loveliness" (der Anmut), und wir als Zuhörer gehen geradewegs vom abwertenden Materialismus zur Göttlichkeit. (Und vom trüben Klang des o und u zum klaren ee von "loveliness".)


    Willa: Das ist so interessant, Bjørn, und ich liebe die Art, wie du den Klang der Lyrics betonst und wie diese Laute die Bedeutung und den emotionalen Eindruck seiner Worte verstärken - obwohl ich dir zustimmen muss, dass es möglich ist, sehr schnell "mitgerissen" zu werden, wie du sagst. Joie und ich haben darüber viele Male geredet - über das Problem der Absicht des Künstlers, und dass wir die meiste Zeit nicht wissen können, wie bewusst ein Künstler sein Werk erschafft. War es eine bewusste Entscheidung oder war es ein Gefühl der Intuition darüber, was am besten funktioniert? Und ist es überhaupt von Bedeutung, ob es bewusst erschaffen wurde oder nicht? Das Ergebnis ist so oder so das gleiche …


    Also habe ich gehofft, dass wir diese Annäherung ebenso auf andere Songs übertragen könnten. Zum Beispiel sprachen Joie und ich vor ein paar Wochen über Tabloid Junkie, und ich war betroffen vom Klang der Worte in der ersten Strophe:


    Speculate to break the one you hate
    Circulate the lie you confiscate
    Assassinate and mutilate
    It's the hounding media, in hysteria


    Mach dir Gedanken darüber den einen zu brechen, den du hasst
    Bring die Lüge in Umlauf, die du für dich vereinnahmt hast
    Richte hin und verstümmele
    Es sind die hetzenden Medien, in Hysterie


    Der dominante Klang in dieser Strophe ist das sich wiederholende -ate am Schluss von speculate, circulate, confiscate, assassinate, mutilate und ganz besonders hate. Für mich ist "hate" das beherrschende Wort - es befindet sich an einer sehr markanten Position am Schluss der ersten Zeile - und es fühlt sich für mich einfach so an, als würde diese Strophe den "Hass" widerhallen lassen, sowohl im Klang als auch in der Bedeutung.


    Bjørn: Tabloid Junkie ist natürlich ein interessanter Song. Es ist wie eine Goldmine der Reime! In der Strophe, die du erwähnt hast, singt Michael Jackson auf eine Art, die dem Rappen sehr nah ist. Es gibt kaum eine Melodie, und der Beat ist fast unerträglich nervös … Die Reime tragen das Ihre zu diesem Gefühl bei. Sie folgen so schnell aufeinander, dass da kaum Raum für das Gefühl der Erleichterung übrig bleibt, die Reime normalerweise bieten. Stattdessen rufen sie ein Gefühl der Klaustrophobie hervor. Es ist, als würde man in einer Echokammer festsitzen.


    Willa: Oh, interessant! Du hast Recht, genauso fühlen sich diese Zeilen für mich an - "fast unerträglich nervös" und klaustrophobisch, wie du sagst, und die widerhallenden Reime kommen so schnell und wütend, nicht wahr? Aber ich habe nie darüber nachgedacht, was es genau ist, das diese Zeilen so beruhigend macht. Interessant.

    The truth must dazzle gradually
    Or every man be blind
    Emily Dickinson

  • Bjørn: In einem Buch kann es mehrere Zeilen Text zwischen den zwei Hälften eines Endreimes geben. In der Musik gibt es so viele Klänge, die um deine Aufmerksamkeit konkurrieren … Besonders in rhythmischer Musik müssen die Reime unmittelbarer sein. Hinzu kommt, dass, obwohl es keine wirklichen Zeilen in der Musik gibt, sondern nur Takte und Unterbrechungen, Reime zwischen den Silben oft bedeutsamer sind als Reime zwischen ganzen Wörtern. Ein Gleichklang wie night : strike würde eins von Shakespeares Sonetten ruinieren, aber es funktioniert einfach ausgezeichnet in Michael Jacksons Thriller. Weil die wichtige Sache im Aufbau dieses Songs der Reim ni- : stri- ist.


    Was ich mit all diesem sagen möchte ist, dass Jackson etwas von der Natur des Songreimens verstand. Er hatte das Ohr eines Rappers, um einander widerhallende Silben zu finden, und er liebte es, seine Zeilen mit so viel Reimen wie möglich vollzustopfen. (Denk nur mal an „You give me fever like I’ve never, ever known“ in dem Song, über den wir gerade gesprochen haben.). Zu deiner Liste von Reimen auf „hate“ würde ich sogar das brea- von „break“ hinzufügen. Und ich bin ganz deiner Meinung, dass sie alle irgendwie das Wort „hate“ (Hass) verstärken. All die anderen Wörter, die du erwähnt hast, sind aus dem Lateinischen entlehnte und weiterentwickelte Wörter. „Hate“ dagegen ist ein elementares, englisches Wort, und stellt eine Grundvorstellung dar. In der vierten Zeile wird das Wort sogar aufgegriffen durch die Alliteration hounding : hysteria – aber jetzt gehe ich vielleicht zu weit!


    Willa: Das finde ich nicht – ich empfinde die Alliteration von hounding : hysteria ziemlich stark, und ich denke, verstärkt wirklich den widerhallenden Klang von „hate“ in dieser ersten Strophe.


    Also, ich bin fasziniert davon, dass du einen Unterschied darin siehst, wie Reime im Rap und in traditioneller Dichtung funktionieren. Ist es vor allem so, weil wir Rap normalerweise hören, während wir traditionelle Gedichte oft lesen? Oder ist es deshalb, weil wir uns Rap als Musik nähern und Gedichten als Literatur? Oder gibt es noch einen anderen Grund?


    Bjørn: Der Unterschied liegt darin, wie die Kunst entsteht. Das Reimen als Verfahren hat orale (sprechsprachliche) Ursprünge. An vielen Orten in Afrika gibt es immer noch Gruppen von Menschen, die zusammen singen mit einem „Songführer“, der anfängt und dem der Rest der Gruppe antwortet. Diese Art von Gesang wird Call and Response (Ruf und Antwort) genannt, und das ist wahrscheinlich der Ursprung der Endreime. Die Antwort kommt unmittelbar, es gibt keine Zeit zum Überlegen. All die Schemen der Kreuzreime in der Dichtung – vom Sonett bis zum Limmerick – sind das Ergebnis eines Dichters, der mit reichlich Zeit, um „es sich gut überlegen“ ("think twice") vor einem Blatt Papier sitzt, um ein Zitat aus Billie Jean zu benutzen! Die Gestaltung von „Poesie auf Papier“ ist oftmals eine Art intellektuelles Spiel: „Hmm, vielleicht sollte ich den Reim in der dritten und der siebten Zeile setzen …“ Das Rappen – besonders, wenn es improvisiert wird, wie bei Rap-Wettbewerben – reicht zurück bis zu den Wurzeln. Es versucht gar nicht erst, einem vorgefertigten Konzept zu folgen – stattdessen ist es so, als wenn die Worte zelebriert werden, die einfach nur ähnlich klingen.


    Natürlich beurteilen wir es anders, wie du schon sagtest, weil es in der „Musik-Schublade“ steckt. Allerdings sind Lesen und (Musik) Hören in der Tat unterschiedliche Erfahrungen. Wenn du liest, dann hast du nur den Klang der Worte vor dir. Du hast dann die Zeit, um auf den Reim zu warten, der einige Zeilen später auftaucht. In einem Song lenken dich die Posaune, die Flöte, das Drum Solo bald ab … Wegen all dieser anderen Klänge müssen Reime in Songs nicht auf dieselbe Art „rein“ sein wie in geschriebener Dichtung (wo deine ganze Konzentration auf den Worten liegt). Hör einfach mal den Rap Song Let’s get Retarded, komponiert von Jacksons Freund Will.i.am von den Black Eyed Peas. Achte mal darauf, wie schnell die Reime aufeinander folgen und wie „schräg“ sie aussehen, wenn man sie geschrieben sieht:


    In this context, there’s no disrespect
    So when I bust my rhyme
    You break no necks
    We got 5 minutes for this to disconnect
    From all intellect and let the rhythm effect


    In diesem Zusammenhang gibt es keine Respektlosigkeit
    Wenn ich also meinen Reim platzen lasse
    Brichst du niemandem das Genick
    Wir haben 5 Minuten dafür, um es abzukoppeln
    Vom Verstand und den Rhythmus sprechen zu lassen


    Willa: Diese Lyrics sind faszinierend, nicht? Sie scheinen tatsächlich genau den Unterschied zu beschreiben zwischen der Komposition von Dichtung und der von Musiktexten, genauso wie du es gesagt hast, Bjørn. Ein Gedicht mit einem regulären Reimschema zu verfassen ist ein Vorgang des Schreibens von Wörtern auf ein Blatt Papier, sofern wir nicht zurück gehen zu seinen ursprünglichen Wurzeln in der Tradition des Sprechens, und dann ist es eher eine intellektuelle Übung, während das Verfassen von Rap Lyrics eher wie eine musikalische Improvisation zu sein scheint – so wie Will.i.am sagt: „Wenn ich also meinen Reim platzen lasse“, möchte er ihn „abkoppeln / Vom Verstand und den Rhythmus sprechen lassen“.


    Aber ich frage mich, ob Michael Jackson irgendwie den Mittelweg gewählt hat? Er war sich des Klangs der Worte sehr bewusst und komponierte seine Songs grundsätzlich mündlich, mit einem Kassettenrecorder. Aber er war ebenso ein akribischer Handwerker, der seine Lyrics auf Papier schrieb und sie dann überarbeitete. Es gibt sehr viele Beispiele davon. Er scheint also seine Lyrics mit dem doppelten Bewusstsein eines Dichters und eines Musikers verfasst zu haben.


    Bjørn: Ja, das denke ich auch! Jackson hatte beide Maße im Kopf. Du erkennst das auch in Little Susie. Wie wir im Februar in diesem Blog herausgefunden haben, nahm Jackson einen Vers mit Kreuzreim von Thomas Cook und schrieb ihn um zu einem Couplet / Paarreim (was besser zu der Melodie passte). Ihm war auch bewusst, dass eine Melodie die Betonung der gesprochenen Sprache außer Kraft setzen kann. Er fühlt sich also in dem Song Free von den Bad 25 Bonus Tracks in der Tat „Free, free like the wind blow / To Fly away just like the sparrow“ (Frei, frei wie der Wind weht / Um einfach wegzufliegen wie der Spatz) – und reimt auf eine Art, die ohne die Melodie nicht wirklich funktioniert hätte.


    In Tabloid Junkie, denke ich, macht Michael Jackson ein interessantes Experiment, in dem irgendwie eine Brücke geschlagen wird zwischen „improvisierendem Rap“ und „ausgeklügelter Dichtkunst“. Ich denke an die Zeilen „They say he’s homosexual“ und „She’s blonde and she’s bisexual“ („Sie sagen, er ist homosexuell“ und „Sie ist blond und sie ist bisexuell“). Sie ergeben zusammen eine Art „Superreim“, der den ganzen Song zusammenbindet und hinführt zum finalen „You’re so damn disrespectable“ („Du bist so verdammt unseriös“). Nach so vielen Unterbrechungen, so vielen Strophen und musikalischen Klängen funktioniert es immer noch als sehr starker Reim. Das sagt etwas aus über Jacksons Stärke – sowohl als Sänger als auch als Lyriker.


    Willa: Das ist so interessant, Bjørn! Du hast Recht, diese drei Zeilen sind sehr stark und klanglich miteinander verbunden, besonders wenn er, während sie laufen, die Musik und andere Hintergrundgeräusche abrupt anhält, so dass es den Effekt hat, als würden sie gewissermaßen in einem plötzlich lautlosen Raum gesprochen. So vermitteln sie den Eindruck, dass sie einen Reim bilden, obwohl sie mehr als eine Minute voneinander entfernt auftauchen. (Der erste ist bei etwa 1:30 min, der zweite bei 2:50 min und der dritte ganz am Ende bei 4:30 min.). Meinst du das also mit „Superreim“ – ein Reim, der den ganzen Song umspannt?


    Bjørn: Exakt. Das waren die Worte, nach denen ich gesucht habe, Willa! „Ein Reim, der den ganzen Song umspannt“ … Mir fällt kein Gedichtband ein, der etwas Ähnliches erreicht hat. Normalerweise verschwindet der „Reimeffekt“ nach ein paar Zeilen. Indem er Musik und Stille als Kontrast wirken lässt, erreicht es Jackson einen Reim zu erzeugen, der den größten Teil an Zeit und Ablenkungen umfasst, den ich je erlebt habe …

    The truth must dazzle gradually
    Or every man be blind
    Emily Dickinson

  • Willa: Das ist wirklich interessant. Also Bjørn, ich habe mich gefragt, ob wir über einen weiteren Michael Jackson Song reden könnten, von dem ich, ehrlich gesagt, neuerdings etwas besessen bin: You are my life. Er hat kein geregeltes Reimschema, aber es werden sich wiederholende Klänge auf eine sehr komplexe Art eingesetzt – vielleicht sogar mehr als du zu Rap und traditioneller Dichtung beschrieben hast? Ich bin speziell daran interessiert, wie er Vokale innerhalb des Songs einsetzt. Wenn wir uns die erste Strophe ansehen, stellen wir fest, dass sie sich nicht reimt, was ungewöhnlich ist, aber sie wird dominiert von langen O-Lauten: alone, no one, own, lonely.


    Once all alone
    I was lost
    In a world of strangers
    No one to trust
    On my own
    I was lonely


    Einst ganz allein
    Ich war verloren
    In einer Welt voller Fremder
    Niemand, dem ich vertrauen konnte
    Auf mich gestellt
    Ich war einsam


    Diese O-Laute werden ganz hinten im Mund geformt, hinten nahe dem Rachen, und es sind ganz ursprüngliche Arten von Lauten. Wenn du einfach nur auf die Laute dieser Strophe hörst und nicht auf die Bedeutung der Wörter achtest, so kannst du doch trotzdem ein Gefühl für seinen emotionalen Zustand bekommen. Es ist fast, als würde er klagen: O… O… O…O. Und ganz klar, das passt zum Inhalt dieser Strophe, die Beschaffenheit und die Einfärbung der Wortlaute tragen also dazu bei die Bedeutung der Worte zu vermitteln, besonders die Traurigkeit, die er dabei empfindet, so isoliert und allein zu sein, speziell nachdem ihn die Anschuldigungen 1993 trafen.


    Bjørn: O, das ist interessant! Es erinnert mich an den Essay The Philosophy of Composition (Die Philosophie der Komposition) von Edgar Allan Poe (1846). In diesem Essay verbindet Poe die O-Laute mit Melancholie. Im Englischen gibt es viele „O“-Wörter, die ein Gefühl des Verlustes symbolisieren, ich denke also, deswegen kam Poe der Gedanke: old, gone, done, lore, before, forlorn, lost, loss, sorrow, mourning … Poes berühmtestes Gedicht The Raven (Der Rabe) schöpft dies aus:


    Once upon a midnight dreary, while I pondered weak and weary,
    Over many a quaint and curious volume for forgotten lore,
    While I nodded, nearly napping, suddenly there came a tapping,
    As of some one gently rapping, rapping at my chamber door.
    “’Tis some visitor,” I muttered, “tapping at my chamber door –
    Only this, and nothing more.”


    Irgendwann einmal in einer tristen Nacht, während ich schwach und müde grübelte,
    Über viele wunderliche und merkwürdige Inhalte vergessener Überlieferungen,
    Während ich einnickte, fast eingeschlafen war, war da plötzlich ein Klopfen,
    Als jemand sanft klopfte, klopfte an meine Zimmertür.
    „Dies ist irgendein Besucher,“ murmelte ich, „der an meine Zimmertür klopft -
    Nur das, und nichts weiter.“


    Und wir alle wissen, dass Jackson Poe mochte!


    Willa: Wow, Bjørn, ich liebe diese Verbindung zu Poe! Und du hast Recht – das ist genau der Gedanke, auf den ich kommen wollte. Und ich erinnere mich – es gibt da noch ein Gedicht von Poe, The Bells (Die Glocken), das sich ebenso wirklich gut in diese Diskussion einfügt, wie ich finde. In The Bell betont jeder Vers einen anderen Laut, um den Effekt verschiedener Glockenarten nachzuahmen, sowohl die Klänge, die durch die jeweiligen Glocken entstehen, als auch die Emotionen, die sie wecken: die Heiterkeit von Schlittenglocken, das hoffnungsvolle Versprechen von Hochzeitsglocken, der plötzliche Ruck von Alarmglocken, das schwermütige Läuten von großen Eisenglocken.


    Und Michael Jackson macht genau dasselbe in You are my life, in dem jede Strophe durch einen anderen Vokal beherrscht wird. Hier ist die zweite Strophe:


    You suddenly appeared
    It was cloudy before
    Now it's all clear
    You took away the fear
    And you brought me
    Back to the light


    Du tauchtest plötzlich auf (Ihr tauchtet plötzlich auf)
    Vorher war es bewölkt
    Nun ist alles klar
    Du hast / Ihr habt die Angst weggenommen
    Und du brachtest mich (Und ihr brachtet mich)
    Zurück zum Licht


    Da sind also einige Reime, oder schräge Reime, in appeared, clear, fear, me, aber es ist unregelmäßig. Es ist kein gleichmäßiges Reimschema wie AA BB CC oder AB AB CC. Bedeutend ist, dass der vorherrschende Laut das lange E ist, welches im vorderen Teil des Mundes ausgesprochen wird und einen viel helleren Klang hat als das lange O der ersten Strophe, und noch mal, das passt zu der Bedeutung des Songs. In dieser Strophe spricht er über die Geburt seiner Kinder und was das für ihn bedeutet und wie sie ihm geholfen haben mit dieser dunklen Zeit zurechtzukommen. Es gibt keine langen O's in dieser Strophe, obwohl es da etwas Ähnliches gibt: den Klang des OR in "before". Interessanterweise bezieht sich dieses Wort auf die erste Strophe - "It was cloudy before" - also wieder verstärken die Wortlaute deren Bedeutung.


    Bjørn: Du hast Recht damit, dass der Klang des direkten EE viel heller ist als die verschiedenen Klänge, die durch den Buchstaben O repräsentiert werden. Michael Jackson hat mit den Eigenschaften von Vokalen bereits seit einem sehr jungen Alter experimentiert. Denk nur an die Jackson 5 Songs wie Got To Be There. An einer Stelle singt er das Wort "me" so laut und klar, dass ich meinen Ohren kaum traue: meeeeeeeeeeee! In anderen Songs lässt er weitere Vokale ebenfalls "explodieren" wie in Ain't No Sunshine (suuuuuuuun) und dem viel späteren You are not alone (alooooooooooooooone). Aber trotzdem kann nichts die Klarheit des EE-Lautes (der in anderen Sprachen als Englisch normalerweise als "I" buchstabiert wird) schlagen. Und in dieser zweiten Strophe von You are my life scheint es eine Bedeutungsverschiebung anzuzeigen (genau wie die "high heels", die wir vorhin diskutiert haben). Ich denke, die Reime tragen dazu bei - sogar wenn sie keinem Schema folgen. Reimen kann ein großer Spaß sein. Neben der Tatsache, dass sie nur ein Stück Information von A nach B übertragen, erlaubst du dir mit der Form deiner Botschaft zu spielen! Die Freude darüber, dass das "you"/"du" auftaucht, lässt Jackson also reimen!


    Nebenbei gesagt, bist du sicher, dass er diesen Song über seine Kinder schrieb? Ich habe ihn immer als einen Love Song von einem Mann an seine Frau gehört … Die meisten der Metaphern stehen im Singular, wie das klassische "You are the sun" (nicht "You are the suns"!) Bei einem der ersten Male, als ich diesen Song hörte, habe ich in einem Moment der Ablenkung die wiederkehrende Thematik sogar als "You are my wife" missverstanden!

    The truth must dazzle gradually
    Or every man be blind
    Emily Dickinson

  • Willa: Das ist lustig! Und eigentlich, nein, nun da du es erwähnst, bin ich nicht sicher. Das ist nur das, was ich immer darüber gedacht habe - vielleicht wegen des Gefühls, dass da eine Spieluhr spielt, besonders am Anfang. Es klingt für mich einfach nach einem Kinderlied. Wir brauchen Joie - ich wette, sie würde etwas darüber wissen. Aber ich muss zugeben, nun spüre ich das Verlangen, es mir noch mal als Romanze anzuhören und dann zu sehen, wie es sich auf diese Art anfühlt …


    Aber ich liebe das, was du gerade gesagt hast, Bjørn, dass "Reimen ein großer Spaß sein kann. Neben der Tatsache, dass sie nur ein Stück Information von A nach B übertragen, erlaubst du dir mit der Form deiner Botschaft zu spielen!" Ich erkenne den Spielwitz in Michael Jackson Werken - die Liebe eines Poeten für Worte und die Freude daran, mit dem Klang der Wörter zu spielen, ebenso wie einen sehr geschickten Umgang der Worte sowohl für den Klang, als auch für die Bedeutung. Die zweite Strophe zum Beispiel, über die wir gerade gesprochen haben, endet mit dem langen Laut des I von "light", welches auf wunderbare Weise zum Refrain führt:


    You are the sun
    You make me shine
    More like the stars
    That twinkle at night
    You are the moon
    That glows in my heart
    You're my daytime
    My nighttime
    My world
    You are my life


    Du bist / Ihr seid die Sonne
    Du / Ihr lasst mich leuchten
    Mehr als die Sterne
    Die in der Nacht blinken
    Du bist / Ihr seid der Mond
    Der in meinem Herzen glüht
    Du bist / Ihr seid mein heller Tag
    Meine Nacht
    Meine Welt
    Du bist / Ihr seid mein Leben


    Der Refrain ist wirklich interessant, finde ich. Wenn wir uns Dichtung und traditionelle Song Lyrics betrachten - das dem Rap entgegensteht, wie du beschrieben hast, Bjørn, - tendieren wir dazu, uns auf die Laute am Ende jeder Zeile zu fokussieren, und im Refrain wird diese Position von langen I-Lauten dominiert: shine, night, daytime, nighttime und der doppelten Betonung am Schluss, my life. Für mich fühlt sich das lange I wie ein sehr heller Klang an, der wiederum zur Bedeutung der Worte passt, und es gibt immer mehr von ihnen, je länger sich der Refrain fortsetzt. Das Ende des Refrains ist voll von ihnen: von den letzten 12 Silben haben 8 einen langen I-Laut.


    Bjørn: Nun, das englische lange I ist im Wesentlichen ein Diphthong (Doppellaut) oder ein Gleitvokal. Es beginnt als ein "AH"-Laut und gleitet dann in ein "E". Viele Englischsprachige sind sich dessen nicht bewusst, denn es wird meistens als einzelner Buchstabe ausgesprochen. Das Spanische hat eine ähnliche Aussprache, aber dort wird es so geschrieben, dass du die zwei Teile deutlich sehen kannst: ay (Ay, caramba!). Wie die spanische Schreibweise zeigt hat das lange I also sowohl einen sehr dunklen und, wie du sagtest, auch einen sehr hellen Klang. Ich hoffe, ich komme nicht so herüber, als würde ich eine Vorliebe für Fetische in Form von High Hehls haben, aber ich muss sie noch einmal in die Diskussion einbringen! In der ersten Zeile von The way you make me feel ist das was zählt eindeutig die dunkle Qualität von "high". (Es steht als Kontrast zu all den hellen E-Lauten.) Er hätte genauso gut gesungen haben können "Hey pretty baby with the HAH heels on". Aber du könntest Recht haben, dass in diesem Zusammenhang der Abschluss des "Doppellauts" das ist, was leuchtet …


    Willa: Das ist so interessant, Bjørn! Denn ich erkenne den Gedanken des "Doppellauts" - und eine doppelte Bedeutung - während des ganzen Refrains. Da gibt es alle diese langen I-Laute, aber da sind auch einige kehlige Laute, die auf der Rückseite des Mundes gebildet werden (you, moon, you're, more, glows) besonders am Anfang der Zeile. Also ist es nicht alles leicht, und die Lyrics verstärken das. Er ist nicht an einem Ort mit endlosem Sonnenschein - eigentlich werden im Refrain mehr Vorstellungen von Nachtzeiten als von Tagzeiten hervorgerufen, was man nicht erwartet. Was er damit sagen zu wollen scheint, ist, dass er die Dunkelheit nicht verlassen hat - die Anschuldigungen sind sind immer noch da, und er befindet sich immer noch in einer sehr dunklen Zeit - aber seine Kinder (oder vielleicht ein geliebter Partner?) haben ihm geholfen Lichtquellen in der Dunkelheit zu sehen: den Mond, die Sterne. Es ist fast so, als würde er die Metapher der Sonne andeuten ("You are the sun"), sich aber dann entscheiden, dass das nicht ganz richtig ist - er befindet sich nicht im Tageslicht - also revidiert er die Metapher und sagt "eher wie die Sterne … der Mond".


    Bjørn: Ich bin nicht sicher, ob ich dir dabei ganz zustimmen kann, Willa. Als jemand, der sehr an religiösen Themen interessiert ist, vermute ich, dass MJ die Ying-Yang-Natur der Dinge verstanden hat! Es gibt kein Licht ohne Schatten. Dass der Lyriker eine "sehr dunkle Zeit" durchlebt, wie du sagst, bedeutet nicht, dass seine Nachtzeit-Vorstellungen als weniger wünschenswerte Alternative zum "hellen Tageslicht" ("Broad daylight": Ich konnte nicht widerstehen Bad zu zitieren!) gesehen werden sollen. Ich erinnere mich, dass Tom Mesereau erzählt hat, wie Jackson während des Prozesses mitten in der Nacht aufstand und einen Bummel unter den Sternen machte. Und wie du und Joie mehrere Male betont habt (zum Beispiel in der Diskussion um Best of Joy) assoziierte MJ den Mond mit Kreativität. Ein zeitgenössischer chinesischer Poet (dessen Namen ich unglücklicherweise vergessen habe!) hat geschrieben:


    Die dunkle Nacht hat mir
    Meine dunklen Augen gegeben
    Mit denen ich das Licht suche


    Willa: Das ist ein sehr gutes Argument, Bjørn. Wir erkennen den Mond immer wieder als ein Zeichen von Kreativität in Michael Jacksons Werken - zum Beispiel in Moonwalker und dem Childhood Video. Und das deutet eine weitere Bedeutungsebene an - dass er dem "Du / Ihr" in diesem Song dankbar ist, weil er ihm geholfen hat, seine Kreativität anzuregen.


    Die dritte Strophe wird dann also beherrscht von langen A-Lauten - wake, day, face, pain - die ganz vorn im Mund gebildet werden, aber nicht so weit vorne wie lange E-Laute. Sie sind weniger hell als lange E's, aber ruhiger, finde ich. Und die vierte Strophe wird dominiert von kurzen A-Lauten - understand, answer, am, man - welche nicht so weit vorn gebildet werden wie lange A-Laute, also setzt sich hier die Entwicklung der dritten Strophe fort. Wie die zweite Strophe endet auch die vierte Strophe mit einem langen I-Laut, der zurückführt zum Refrain.


    Bjørn: Langes A und kurzes A sind tatsächlich ganz verschiedene Laute. Das lange A ist ein Diphthong (genau wie das lange I), während das kurze A ein Einzellaut ist. Die "wahre Natur" des langen A-Lautes zeigt sich in der Art, wie es in dem Wort hey gesprochen wird! Es ist wie ein "kurzes E", das versucht, das "lange E" zu erreichen (ken > cane > keen). Also ja, es ist weniger hell. Aber ich weiß nicht, wie ich die A's dieser Strophen interpretieren soll. Sie besetzen irgendwie eine neutrale Position zwischen den kehligen U- und O-Lauten und den klaren EE-Lauten, also ist es schwierig für mich, hier irgendeine "Symbolik" zu erkennen …


    Willa: Ich bin auch der Meinung, dass sie eine Art "neutrale Position" darstellen - sie wirken ruhiger auf mich als die O's und EE's davor …


    Bjørn: Aber was am Interessantesten für mich ist, ist dass Jackson diese Lyrics mehr durch Vokalthemen strukturiert hat als durch Reime. Das passiert manchmal in der Dichtung, obwohl es sehr selten ist! Jetzt im Moment fällt mir dazu nur ein dänisches Kinderlied über "Tre Små Kinesere" (Drei kleine Chinesen) ein. Es wird oft als "Spiel mit den Vokalen" gesungen, in dem es einem nur erlaubt ist, einen einzigen Vokal bei jedem Singen zu benutzen. Du beginnst zu singen "Tra sma kanasara …" und machst weiter mit "Tre sme kenesere", usw.


    Also vermute ich, dass Jacksons Spiel mit den Vokalen deine Interpretation unterstützt, dass You are my life ein "Kinderlied" ist …

    The truth must dazzle gradually
    Or every man be blind
    Emily Dickinson

  • Willa: Es gibt einen ähnlichen Song im Englischen – ein Kinderlied, das als „Spiel mit den Vokalen“ gesungen wird, wie du es genannt hast. Es wird grundsätzlich immer wieder jeweils mit einem anderen Vokal die Zeile wiederholt „I like to eat, eat, eat / apples and bananas“ („ay-pples and ba-nay-nays“, „ee-pples and ba-nee-nees“, …) Und genauso scheint es ein starkes Gefühl für ein solches Spiel mit den lauten auch in You are my life zu geben.


    Ich erkenne das wirklich in der Überleitung, die im Hinblick auf lange Vokallaute sehr interessant ist. Ich habe einige, aber nicht alle, durch Fettdruck hervorgehoben:


    You gave me strength when I wasn’t strong
    You gave me hope when all hope was lost
    You opened my eyes when I couldn’t see
    Love was always here waiting for me


    Du gabst / Ihr gabt mir Stärke, als ich nicht stark war
    Du gabst / Ihr gabt mir Hoffnung, als jede Hoffnung verloren war
    Du hast / Ihr habt mir meine Augen geöffnet, als ich nicht sehen konnte
    Die Liebe war immer hier und hat auf mich gewartet


    Diese Entwicklung ist aus dem Grund faszinierend für mich, wenn ich betrachte, wie diese Laute entstehen. Hier ist ein Diagramm, das es zu verstehen hilft:





    Das lange U wird ganz hinten auf der Rückseite des Mundes erzeugt, im Rachen. Das lange O genau davor. Wie du vorhin schon gesagt hast, Bjørn, ist das lange I ein Diphthong (Doppellaut) – ein komplexer Laut, der in den meisten Lautdiagrammen ausgelassen wird. Aber man beginnt mit ihm grundsätzlich in der Mitte des Mundes und bewegt sich dann nach vorne. Das lange A wird fast im vorderen Teil des Mundes gebildet, und das lange E ganz vorn noch davor. Und die ersten drei Zeilen dieser Strophe enthalten eine Serie aus kurzen, einsilbigen Wörtern, die die Vokallaute von der Rückseite des Mundes bis nach vorn durchlaufen, fast so als würden sie Tonleitern spielen:


    U A E


    U A E


    U O I I I E


    Bjørn: Das ist interessant, Willa! Ich mag den Gedanken des „Spielens von Tonleitern“ mit Vokalen (schließlich war für Michael Jackson als Sänger der menschliche Mund sein wichtigstes musikalisches Instrument!). Er „stolpert“ hier nicht nur einfach über die Vokale, sondern er beginnt ganz hinten im Mund und spaziert den ganzen Weg bis zu den Vorderzähnen … Das verleiht diesen Zeilen ein starkes Gefühl der Freisetzung. Es ist, als würde sowohl ihm als auch den Zuhörern erlaubt werden einen tiefen Atemzug zu nehmen und dann die ganze Luft auszuatmen!


    Willa: Oh, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht, Bjørn, aber das ist faszinierend! Ich habe vor langer Zeit einmal einen Artikel gelesen, in dem darüber berichtet wurde, dass wir, wenn wir Gedichte laut lesen, die Atmung des Dichters nachempfinden. Der Autor sah sich zum Beispiel die Zeilenlänge verschiedener Poeten, einschließlich Walt Whitman, an und stellte fest, dass die Zeilenlänge dazu neigte kürzer zu werden, je älter die Dichter wurden. Wenn wir also ein Gedicht aus den frühen Jahren des Walt Whitman laut lesen, müssen wir große Atemzüge wie ein junger Mann nehmen, aber wenn wir ein Gedicht aus seiner späteren Laufbahn laut lesen, müssen wir tendenziell eher seichtere, häufigere Atemzüge eines älteren Mannes nehmen. Im Endeffekt steuert Whitman unsere Ein- und Ausatmung und die Pausen, so dass wir präzise auf die gleiche Art atmen wie er, als er es vor mehr als hundert Jahren geschrieben hat. Es ist interessant zu wissen, dass wenn wir Michael Jacksons Songs singen, wir auch seine Atmung nachempfinden, und dass er in gewisser Weise unsere Atmung steuert – dass er fast durch uns atmet.


    Bjørn: Nun, das ist faszinierend! Ich würde den Artikel wirklich gern lesen. Ich denke, etwas Ähnliches passiert beim Lesen oder Zuhören. Wir haben alle eine „innere Stimme“, die uns hilft die Worte zu verarbeiten. Diese mentale Stimme hat tatsächlich einen physischen Einfluss auf uns – ich habe gehört, dass eine Technik für Schnelllesewettbewerbe gelehrt wird, die darin besteht, zu lernen, die in unserem Mund und Kiefer beim Lesen ablaufenden kleinen Muskelbewegungen zu verinnerlichen.


    Willa: Wirklich? Wow! Wie interessant.


    Bjørn: Das ist reine Spekulation, aber ich mag es mir vorzustellen, dass, je mehr man einen Song hört, er auf die eine oder andere Weise einen Einfluss auf unsere Atmung hat. Ich „singe“ selten MJ Songs, aber für mich haben viele von ihnen diese erstaunliche Kraft, unsere Stimmung und unsere Gedanken zu ändern, und die Sache, die du gerade über seine Atemstruktur gesagt hast könnte zum Teil eine Erklärung dafür sein … (Nicht, dass ich denke, er hätte göttliche Kräfte, aber er hat ganz sicher mehr Energie und Lebendigkeit zum Ausdruck gebracht als die meisten seiner Zeitgenossen.)


    Willa: Das ist so interessant, Bjørn! Es ist so etwas wie eine musikalische Meditation – schließlich ist man bei einer Meditation sehr darauf fokussiert seinen Atem zu regulieren.


    Aber um auf die Überleitung zurückzukommen, die zwei Zeilen des letzten Couplets enden mit einem langen E in einem echten Reim – see : me – einer der wenigen echten Reime in diesem Song. Mit einem perfekten Couplet (Paarreim) in Form eines echten Reims wie diesem zu enden ist ein Vorgehen, das Dichter dazu nutzen, um ein Gefühl des Abschlusses zu erzeugen, wie wir schon einmal erwähnt haben. Aber interessant ist, dass Michael Jackson hier nicht abschließt. Er kehrt zum Refrain zurück, singt ihn wieder und wieder auf eine stärker werdende, drängende Art.


    Er gibt uns also einen kurzen Moment der Auflösung durch das letzte Couplet der Überleitung, aber dann verweigert er den Abschluss und betont damit, dass seine Situation nicht gelöst ist.


    Bjørn: Hm, Willa, da hast du mir aber Gedankenfutter gegeben! Du hast Recht, es gibt keinen Abschluss durch den Refrain, es ist mehr wie ein Stimmengewirr. Das ist etwas, was wir schon aus anderen MJ Songs kennen – mir fallen da spontan die Reporter aus dem Intro von Tabloid Junkie ein. Ich würde allerdings behaupten, dass das letzte „You are my life“ ein exzellenter Abschluss für den Song als Ganzen ist.


    Willa: Wirklich? Denn ich als Zuhörer fühle mich ruhiger und zufriedener vor dem finalen Refrain – der wühlt mich richtig auf. Das meinte ich mit Verweigerung des Abschlusses, obwohl du richtig liegst – diese letzte Zeile löst die Dinge irgendwie.

    The truth must dazzle gradually
    Or every man be blind
    Emily Dickinson

    Einmal editiert, zuletzt von Lilly () aus folgendem Grund: Bild war verschwunden

  • Bjørn: Ja, stell dir vor, er hätte uns zurückgelassen ohne die letzte Zeile! Schließlich sorgt er sich um unser Bedürfnis nach einem angemessenen Abschluss, auch wenn er die Dinge in der Zwischenzeit ein wenig aufrührt.


    Nun gut. In einem Blogpost müssen wir den Lesern ebenfalls ein Gefühl des Abschließens geben! Ich würde gern noch einmal zusammenfassen, was Michael Jackson als einen Lyriker charakterisiert:


    :herz: Ein ausgeprägtes Gehör für Reime und Laute im Allgemeinen
    :herz: Die Fertigkeit eines Rappers zur Improvisation in Kombination mit der nachträglichen Ideenfindung eines Poeten
    :herz: Ein kluger Einsatz von Lauten zur Vermittlung von Gefühlen
    :herz: Der Einsatz von Lauten und Wortspielen zum Zweck der Unterhaltung (und nicht nur zur Informationsvermittlung)
    :herz: Die Liebe zu Binnenreimen


    Weißt du was, Willa, vor zehn Jahren habe ich versucht einige Michael Jackson Songs in Esperanto zu übersetzen. Diese Binnenreime haben mir ganz schöne Kopfschmerzen bereitet! Wie übersetzt du „As he came in through the win-dow / it was the sound –of / a crescen-do“ (Smooth Criminal) in eine andere Sprache? Oder „She was more like a beauty-queen from a movie scene …“ (Billie Jean)?


    Willa: Wow, ich wette, das war eine Herausforderung! Wie ist es ausgegangen? Hast du sie noch? Ich würde sie gerne sehen!


    Bjørn: Unglücklicherweise habe ich bei Smooth Criminal aufgegeben und Billie Jean hätte fast das gleiche Schicksal ereilt. Aber dann, genau an dem Tag, als man sich im Staples Center an Michael Jackson erinnerte, nahm ich an einem Kulturfestival in Dänemark teil. Eine Teenager Rockgruppe hörte von meinen Übersetzungsversuchen und bat mich Billie Jean zu Ende zu bringen! Also setzte ich mich hin und versuchte mir vorzustellen, wie es wohl geklungen hätte, wenn Michael Jackson es in Esperanto gesungen hätte. Später beim Festival überreichte ich der Band meine fertige Übersetzung und nach einigen Proben war die Band, mit einer sehr jungen Sängerin, bereit auf die Bühne zu gehen, und sie schmetterte mit einer klaren, aber auch scheuen Stimme dies:


    Ŝi aspektis belec-reĝin’ de fikcia kin’
    Mi pardonpetis, sed kial vi miiin nomas la li
    Kies danc’ iros ek en la rond’
    Ŝi diras mi estas li
    Kies danc’ iros ek en la rond’
    Ŝi al mi nomis sin Bili Ĝin, kaŭzo de fascin’
    Ĉar nun okulis la kapoj siiin-image la li
    Kies danc’ iros ek en la rond’


    Kunuloj ĉiam diris, vin gardu en la far’
    Ne rompu korojn de la knabinar’
    Kaj panjo ĉiam diris, vin gardu en la am’
    Vin gardu en la far’, ĉar mensogoj iĝos ver’


    Bili Ĝin min ne koramas
    Ŝi simple diras ke mi estas la li
    Sed la id’ ne filas min
    Ŝi diras mi estas li
    Sed la id’ ne filas min


    Dum tago-nokta kvardek’
    Helpis ŝin la leĝ’
    Sed kiu daŭre kapablas kontraŭi
    Ŝian planaron
    Ĉar ni dancis sur la plank’, en la rond, kara!
    Do mi konsilas vin tre, memoru ke pensu vi re
    (Pensu re!)


    Laŭ ŝi ni dancis ĝis horo tri
    Ŝia vid’ al mi
    Ŝi montris foton, karino kriis
    Liaj okuloj tiel miis
    Ĉu ni dancu sur la plank’, en la rond’, kara!


    Kunuloj ĉiam diris, vin gardu en la far’

    Ne rompu korojn de la knabinar’
    (Ne rompu korojn)
    Sed vi venis ĉi-apuden
    Ekis dolĉparfumo flui
    Ĉi okazis tre tro tuj
    Ŝi min vokis al loĝuj’


    Bili Ĝin min ne koramas
    Ŝi simple diras ke mi estas la li
    Sed la id’ ne filas min
    Ne, ne, ne, ne, ne
    Bili Ĝin min ne koramas


    Ŝi simple diras ke mi estas la li
    Sed la id’ ne filas min
    Ne, ne
    Ŝi diras mi estas li
    (ho, kara)
    Sed la id’ ne filas min
    Ŝi diras mi estas li
    Sed la id’ ne filas min

    Ne, ne, ne

    Bili Ĝin min ne koramas

    Ŝi simple diras ke mi estas la li
    (Vi scias kion vi faris, kara)
    Sed la id’ ne filas min
    Ne, ne, ne, ne
    Ŝi diras mi estas li
    Sed la id’ ne filas min
    Ŝi diras mi estas li
    Vi scias kion vi faris
    Ŝi diras li mia fil’
    Rompas mian koron, kara!
    Ŝi diras mi estas li


    Bili Ĝin min ne koramas
    Bili Ĝin min ne koramas
    Bili Ĝin min ne koramas
    Bili Ĝin min ne koramas


    Willa: Das ist wundervoll, Bjørn! Ich danke dir so sehr für deine Version von Bili Ĝin für uns und dafür, dass du heute hier warst. Ich habe es voll und ganz genossen.


    (Bili Ĝin, Übersetzung © Bjørn A. Bojesen)

    :herz: :herz: :herz:

    The truth must dazzle gradually
    Or every man be blind
    Emily Dickinson

  • Aaaaaaahhhhh, :juhu: dankeschön Lilly! :kusshand:
    Diesmal habe ich zwei mal angefangen, das Original zu lesen und es dann doch zur Seite gelegt, dieses Mal
    gings echt ans musikalische "Eingemachte" und zum "mal eben so" übersetzen doch zu schwierig für mich,
    dabei ist so interessant.


    Vielen Dank für Deine Mühen! :blume::dietop:

  • Wenn die Engel zu mir kommen, werde ich Nein zu ihnen sagen
    If the Angels Came for Me, I'd Tell Them No
    02/05/2013


    Willa: Joie, vor ein paar Wochen sprachen wir über Best of Joy und du hast einige Zeilen von Dylan Thomas zitiert:


    Obwohl Liebende verloren sind, soll es die Liebe nicht sein
    Und der Tod soll keine Herrschaft haben

    Though lovers be lost, love shall not
    And death shall have no dominion


    Ich habe über diese Zeilen seitdem nachgedacht, denn wir erkennen den Gedanken "des Todes, der keine Herrschaft haben soll" mehrere Male in Michael Jacksons Werken - vielleicht am deutlichsten in Heaven can wait, aber auch, wenn er scheinbar stirbt, aber dann wieder zurückkehrt in Moonwalker und Ghosts.


    Joie: Das stimmt, Willa. Es ist ein Thema, das wir mehr als einmal bei ihm sehen - sowohl in Songs als auch in Filmen.


    Willa: Und nicht nur bei ihm, Joie, sondern bei vielen großen Künstlern, und ich denke, das kommt daher, weil der Tod wahrscheinlich die schwierigste Vorstellung ist, der sich Menschen gegenüber sehen. Ich habe vor langer Zeit einmal einen Artikel gelesen, in dem der Autor sagte, er habe das Gefühl, dass der wirkliche Unterschied zwischen Menschen und anderen Tieren das schreckliche Wissen ist, dass wir alle sterben werden. Er sagte, alle Tiere sterben, aber Menschen sind die einzigen Tiere, die es wissen. Oder wir nehmen es an, dass wir die einzigen Tiere sind, die es wissen. Elefanten besuchen manchmal die Knochen ihrer Vorfahren und gehen damit in fast ehrfürchtiger Weise um. Bedeutet das, dass sie die Vorstellung des Todes verstehen? Wissen sie, dass sie sterben werden?


    Joie: Weißt du, ich glaube ganz fest, dass Tiere sehr viel mehr wissen, als wir Menschen uns jemals vorstellen können. Ich glaube, dass einige intuitiver sind als andere - wie der majestätische Elefant - und sie wissen Dinge und verstehen Dinge über unsere Welt. Viel mehr als Menschen ihnen jemals zutrauen werden.


    Willa: Oh, das denke ich auch, und es ist ein großer Fehler anzunehmen, nur, weil wir nicht von der Tiefe der Gedanken und Emotionen von Tieren wissen, dass sie keine tiefgründigen Gedanken und Emotionen haben. Als einer meiner Hunde vor einigen Jahren an Knochenkrebs gestorben war, befand sich der andere für lange Zeit in einer tiefen Trauerphase und vergaß seinen Freund niemals. Wenn ich den Namen seines Freundes in einer Unterhaltung erwähnte, sogar Jahre später, sah er auf und beobachtete mich sehr eindringlich.


    Aber was ich ausdrücken will, ist, dass wir alle die schreckliche Last des Wissens in uns tragen, dass wir eines Tages sterben werden, und so geht es auch all den Leuten, um die wir uns sorgen. Und eine Funktion der Kunst ist es, uns dabei zu helfen mit unseren tiefsten Gefühlen zurecht zu kommen, wie der Angst vor dem Tod und der Trauer um den Verlust von jemandem, den wir lieben. Dichter, Bühnenautoren, Bildhauer, Musiker - Künstler der verschiedensten Art - haben jahrhundertelang damit gekämpft dieses schreckliche, schreckliche Wissen in den Griff zu bekommen. Wie stehst du dem Leben gegenüber, wenn du weißt, dass du sterben wirst? Wie wirst du Kinder haben, wenn du weißt, dass sie eines Tages sterben werden und dieses Erbe des Todes weitergeben? Wird das Leben bitter für uns oder scheint um so süßer und wertvoller durch die ständige Bedrohung durch den Tod?


    Joie: Wow. Das sind schwere Fragen, Willa. Aber du hast Recht … Künstler haben mit diesem Wissen jahrhundertelang gerungen und haben es dazu genutzt, einige der größten Kunstwerke aller Zeiten zu schaffen.


    Willa: Das haben sie wirklich, und sie haben eine große Bandbreite an Antworten geliefert, obwohl einige gängiger sind als andere. Zum Beispiel gibt es das berühmte Robert Herrick Gedicht "An die Jungfrauen, nutzt die Zeit" ("To the Virgins, to Make Much Of Time"), in dem er "den Jungfrauen" den Rat gibt, vorwärts zu gehen und eine gute Zeit zu haben, solange sie können:


    Sammelt Rosenblätter solange es geht
    Die alte Zeit vergeht wie im Flug:
    Und dieselbe Blume, die dich heute anlacht
    wird morgen schon vergangen sein


    Gather ye rosebuds while ye may,
    Old time is still a-flying:
    And this same flower that smiles today
    Tomorrow will be dying


    Herrick veröffentlichte dieses Gedicht im 17. Jahrhundert, und diese "Carpe diem" Philosophie, "jetzt Spaß zu haben, wenn du jung und voll des Lebens bist" wird schon in der Dichtkunst von vor mehr als 2000 Jahren ausgedrückt. Und es ist auch heute noch sehr populär - besonders bei Musikern, so scheint es. Du kannst es ständig im Radio hören wie in dem Song von Kesha mit dem wiederholten Refrain "Lasst uns das meiste aus der Nacht rausholen / Als würden wir jung sterben".


    Joie: Ok, ich erkenne, was du sagen willst, Willa. Es ist ein sehr beliebtes Thema bei Musikern. Aber um auf deine Frage des 'wird das Leben bitter für uns uns oder scheint es um so süßer und wertvoller' durch die ständige Bedrohung durch den Tod zurückzukommen … Ich denke, die Antwort liegt bei jedem Einzelnen. Einige Menschen sehen unausweichlich der bitteren Möglichkeit entgegen. Aber ich ziehe es vor, zu denken, dass für die meisten von uns es so ist, dass wir dazu neigen, den letzteren Gedanken anzunehmen, nämlich den, dass das Leben süßer und wertvoller wird wegen dieses Wissens. Und ich denke, was du gesagt hast darüber, dass die Antworten einiger Künstler beliebter sind als andere, spiegelt das wider.

    The truth must dazzle gradually
    Or every man be blind
    Emily Dickinson

  • Willa: Ja, aber Künstler können uns auch dazu bringen, über diese Anschauungen auf ganz neue Art zu denken. So wie ich gerade einen Song mit dem Titel Carry On (Mach weiter) im Radio gehört habe, und er hat diese Lyrics:


    Also traf ich mich mit einigen Freunden am Ende der Nacht
    In einer Bar an der 75
    Und wir redeten und redeten darüber, wie unsere Eltern sterben werden
    All unsere Nachbarn und Ehefrauen
    Aber denke gern, ich kann dem ein Schnippchen schlagen
    Um die Zeiten wieder gutzumachen, in denen ich getäuscht wurde


    So I met up with some friends at the edge of the night
    At a bar off 75
    And we talked and talked about how our parents will die
    All our neighbors and wives
    But I like to think I can cheat it all
    To make up for the times I've been cheated on


    Was die Band, Fun, also mit diesen Lyrics zu sagen scheint, ist, dass sie glauben möchten, sie können dem Tod "ein Schnippchen schlagen" und auf diese Weise die Zeiten ausgleichen, in denen sie selbst sich vom Leben "betrogen" gefühlt haben. Weißt du, ich habe noch nie über diese Dinge auf diese Weise nachgedacht.


    Ein noch besseres Beispiel, denke ich, ist Michael Jacksons Be Not Always. Es ist ein Song über den Krieg ("Mütter weinen, Babies sterben / Hilflos in den Armen / Während Raketen fliegen") und über Rassismus ("Wie können wir behaupten, dass wir für den Frieden stehen / Wenn die Rassen miteinander kämpfen / Leben zerstören?") und über Armut ("Nichts zu haben / Etwas zu träumen / Dann die Hoffnung verlieren …"). Mit anderen Worten spricht dieser Song einige unserer größten sozialen Probleme an - Probleme, so groß und kompliziert, dass wir dazu neigen, sie als ewig und unlösbar zu sehen.


    Aber Michael bittet uns, aufzuhören auf diese Art zu denken. Er erzählt uns, dass die Probleme nicht ewig bestehen bleiben müssen … und wir sollten uns schämen, wenn sie ewig bleiben:


    Immer
    Es ist nicht für immer
    Aber wenn es für immer ist
    Senken wir unsere Köpfe vor Scham
    Immer
    Bitte, nicht für immer
    Weil wenn es für immer ist
    Senken wir unsere Köpfe vor Schuld
    Denn die Zeit hat Versprechungen gemacht
    Nur Versprechungen


    Dies ist der Refrain, und er singt es zweimal mit einer leichten Variation dazwischen. Das erste Mal, als er es singt, endet er mit "Denn die Zeit hat Versprechungen gemacht / Nur Versprechungen" und für mich scheint er damit zu sagen, dass diese Probleme schwierig sind, aber nicht ewig bestehen bleiben müssen. Die Zeit ist das, was ewig ist, und "die Zeit hat Versprechungen gemacht", nämlich dass wir diese Probleme lösen können, wenn wir weiter daran arbeiten. Aber als er weiter fortfährt, sagt er, die Zeit gibt uns "nur Versprechungen" (Time gives us just promises). Diese Verheißungen werden nicht wahr werden, wenn wir nicht etwas dafür tun - und wir müssen es. Eigentlich sollten wir "unsere Köpfe vor Scham senken", wenn wir nicht weiter danach streben, bis wir die Probleme gelöst haben.


    Aber dann singt er den Refrain ein zweites Mal und dieses Mal ändert er diese letzte Zeile. Dieses Mal singt er "Die Zeit hat Versprechungen gemacht / Todesversprechen". Joie, diese Zeile jagt mir einen Schauer über den Rücken, aber es ist auch seltsam inspirierend. Er revidiert, was er vorher gesagt hat, und nun ist seine Botschaft sehr viel dunkler. Was er uns damit anscheinend sagen will, ist, dass in Wirklichkeit die einzige Sache, die die Zeit uns mit Sicherheit verspricht, die ist, dass wir alle sterben werden. Die Zeit gibt ein "Todesversprechen" (Time makes "death promises".) Und deswegen - weil die Zeit jedem von uns ganz sicher irgendwann den Tod bringen wird - sollten wir mit allem, was wir wir haben, danach streben die Kostbarkeit des Lebens zu bewahren.


    Joie: Ich erkenne, was du sagen willst, Willa. Aber ich muss ehrlich mit dir sein und zugeben, dass mir dieser spezielle Song ziemlich egal ist. Ich verstehe die Bedeutung der Botschaft dahinter, aber der Song selbst ist so deprimierend und morbide im Ton und in dem, welches Gefühl er vermittelt. Und ich verstehe, warum die Kritiker zu jener Zeit sich wirklich am Kopf kratzten, als das Victory Album herauskam. Sie fragten sich, was hat dieser Song über Elend und Untergang auf einem Album zu suchen, das doch eine Siegesfeier sein sollte? Er passte einfach nicht, und ich kann mich erinnern, damals irgendwo gelesen zu haben, dass die Brüder auch nicht sehr glücklich mit Michaels Wahl dieses Songs gewesen seien.


    Aber ich komme leicht vom Thema ab. Du hast Recht mit deiner Aussage, dass dieser Song herausstellt, ziemlich unverblümt, dass die einzige Sache, die die Zeit uns wirklich verspricht, der Tod ist.


    Willa: Aber das tut der Song von Kesha auch und niemand scheint zu denken, er sei morbide. Und für mich ist es so, dass wenn mich ein Song an meine eigene Sterblichkeit erinnert, es lieber eine schöne Ballade wie Be Not Always sein soll, als ein flippiger Popsong.


    Und die Vorstellung von Robert Herrick (Anmerkung: Willa schreibt Thomas Herrick, aber er heißt Robert) und Kesha, dass wir alle feiern sollten als gäbe es kein Morgen, da wir ja ohnehin alle sterben werden, wirkt nicht sehr inspirierend auf mich. Im Grunde lässt es das Leben ziemlich bedeutungslos erscheinen. Auf mich wirkt Michael Jacksons Ansatz in Be Not Always sehr viel erhebender. Es gibt mir das Gefühl, als sollte ich versuchen auf eine bedeutungsvolle Art zu leben, gerade weil das Leben so kurz und so wertvoll ist.


    Und tatsächlich, in einem dieser lustigen kleinen Augenblicke der Synchronizität hat mir unsere Freundin Lisha McDuff gerade einen zehnminütigen Kurzfilm mit dem Titel The Empathic Civilization (Die mitfühlende Kultur), der genau dieses Thema betrifft, geschickt. Er basiert auf einer Rede des Ökonomen und Autors Jeremy Rifkin. Hier ist ein Link:


    l7AWnfFRc7g#!
    Ich liebe diesen Film, und zwei Dinge sind mir ganz besonders aufgefallen. Erstens, italienische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Säugetiere „sanft veranlagt“ sind, Mitgefühl zu empfinden – besonders Menschen und Primaten, vermutlich Elefanten und wahrscheinlich Hunde und Delfine. Und zweitens, dass die Entwicklung unserer Empathie einen großen Schritt – einen existentiellen Schritt – vorwärts macht, wenn uns bewusst wird, dass wir eines Tages sterben werden, genauso wie alles andere Lebendige auf dem Planeten. Es ist genau dieses schmerzliche Wissen, das uns dazu bringt uns zutiefst um andere Menschen zu sorgen, die wir noch nicht einmal getroffen haben müssen. Und für mich ist dies genau der Gedanke, den Michael Jackson in Be Not Always anspricht.

    The truth must dazzle gradually
    Or every man be blind
    Emily Dickinson

  • Joie: Das ist solch ein interessantes Video, Willa. Die Animation fesselt wirklich deine Aufmerksamkeit und illustriert die „Lehrstunde“, die uns der Erzähler erteilt.


    Aber ich widerspreche deiner Aussage, dass Be Not Always erhebender ist als Keshas Die Young. Ich bin auf keinen Fall ein Fan dieses Songs, aber alles, was er wirklich aussagt ist ‚Hey, lass uns rausgehen und heute Abend eine gute Zeit haben’. Demgegenüber spricht Be Not Always einige wirklich schwere, überwältigend deprimierende Themen an. Und seine Darbietung dessen, während sie ergreifend, herzzerreißend und nachdenklich machend ist, ist so schonungslos. Es ist fast zu schmerzhaft um hinzuhören. Für mich auf jeden Fall. Es tut mir leid, dass ich hierbei so negativ bin. Du weißt, dass ich die Zahl der Michael-Jackson-Songs, die ich wirklich nicht mag, an einer Hand abzählen kann, aber dieser Song ist einer von ihnen. Eigentlich … fällt mir ehrlich gesagt gerade jetzt gar kein weiterer ein. Dies ist im Grunde wahrscheinlich der einzige.


    Willa: Wow, das ist interessant, Joie. Wir haben so ähnliche Reaktionen auf so viele von Michael Jacksons Werke, dass es mich immer wieder irgendwie schockiert, wenn wir Dinge unterschiedlich sehen. Und ich nehme an, wir sehen Be Not Always sehr unterschiedlich. In meinen Augen hat es viel Ähnlichkeit mit Stranger in Moscow, wo er eine schmerzliche Situation nimmt und sie in etwas Schönes und Bedeutungsvolles verwandelt. Ich liebe es, wenn er das tut. Für mich ist das Michael Jackson in Höchstform.


    Joie: Nun, ich stimme deiner Aussage zu, Willa. Das ist Michael Jackson in Höchstform. Aber ich kann das in diesem Fall nicht erkennen. Für mich nimmt Be Not Always einfach eine schmerzliche Situation und macht sie noch morbider. Und ich gebe zu, dass ich es vielleicht einfach nur nicht kapiere, aber die Botschaft geht vollkommen an mir vorbei, weil ich nicht überwinden kann, wie deprimierend es ist. Und ich weiß, dass klingt jetzt wahrscheinlich extrem oberflächlich, aber ich kann einem Song nicht zuhören, der einfach nur deprimierend für mich ist.


    Weißt du, wir haben vor ein paar Wochen über Little Susie gesprochen, und meiner Meinung nach ist dieser Song ein großartiges Beispiel dafür, wie Michael eine schmerzliche Situation nimmt und sie in etwas Schönes verwandelt, wie du sagtest. Denn obwohl das Thema traurig und deprimierend ist, sind die Lyrics wunderschön. Die Musik selbst ist atemberaubend. Der Song lässt mich von Beginn an nicht los und zieht mich an, lässt mich über dieses arme, vernachlässigte, tote kleine Mädchen nachdenken.


    Be Not Always macht dies nicht mit mir. Anstatt dass ich angezogen werde, werde ich zurückgestoßen. Da gibt es nichts für mich, wonach ich greifen kann – die Lyrics sind leidvoll, die Musik ist trostlos, die Stimmung hoffnungslos. Ist der Song zu Ende, fühle ich mich leer, nicht erhoben.


    Willa: Joie, ich bin verwundert. Für mich ist Little Susie weit deprimierender als Be Not Always. Und die Melodie und seine Stimme sind so schön, genauso wie die Instrumentierung – nur eine einfache Akustikgitarre begleitet ihn durch den ganzen Song. Es ist wie seine eigene Version von MJ Unplugged, etwas, was wir nicht sehr oft zu hören bekommen.


    Joie: Wow, ich kann nicht glauben, dass du Little Susie deprimierender als Be Not Always findest. Ich bin tatsächlich ebenso verwundert, Willa. Und ich finde unsere Meinungsunterschiede hierzu so interessant. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals vorher so unterschiedliche Gefühle zu einem Song hatten, du vielleicht?


    Willa: Nein, ich denke, du hast Recht. Wir waren unterschiedlicher Meinung darüber, wie wir verschiedene Aspekte bestimmter Songs oder Videos interpretieren, aber ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals vorher so komplett gegensätzliche Reaktionen auf etwas hatten. Ich habe das Gefühl, dass ich mir Be Not Always noch mal anhören muss mit deinen Worten im Kopf, um zu sehen, ob ich es vielleicht auf deine Art hören kann, weil ich so anders darauf reagiere.


    Aber um auf das Thema „Tod“ zurückzukommen, er berührt es tatsächlich recht oft, auf verschiedene Arten. Manchmal spricht er es direkter an, wie in Gone Too Soon, den Song, den er für Ryan White schrieb. Und manchmal geht er sehr viel subtiler vor. Zum Beispiel ist es die Hintergrundgeschichte für den Short Film Bad, und ich denke, es leistet einen Beitrag zu dem Gefühl der Bedrohung und Vorahnung, die wir während dieses Films spüren.


    Joie: Oh, das stimmt, es ist ein Thema, das er oft anspricht und das in variierendem Ausmaß.


    Willa: So ist es, und worüber ich wirklich sprechen möchte, sind diejenigen mit der Aussage „der Tod soll keine Herrschaft haben“ („Death shall have no dominion“): In Moonwalker zum Beispiel ist Michael in der Hauptrolle von bewaffneten Soldaten umzingelt, scheinbar ohne Fluchtmöglichkeit. Er verwandelt sich in einen bewaffneten Roboter und beginnt zurückzuschlagen – obwohl interessanterweise seine eindrucksvollste Waffe seine vor Schmerz schreiende Stimme zu sein scheint. Dann verwandelt er sich in ein Raumschiff und versucht zu fliehen, aber er wird niedergeschossen und scheint untergegangen zu sein. Aber als der böse Mr. Lideo die Kinder bedroht, kehrt das Raumschiff zurück und zerstört stattdessen Mr. Lideo und sein gesamtes Unternehmen – und wieder, obwohl er nun sogar ein Raumschiff ist und nicht menschlich, hören wir seine Stimme, schreiend im Schmerz. Und noch einmal, seine Stimme scheint das zu sein, was ihn so einflussreich macht.


    Dann beginnt er in den Weltraum abzufliegen, als plötzlich eine Sternschnuppe erscheint. Wir sehen wiederholte Male eine Sternschnuppe in Moonwalker, und sie ist irgendwie mit Michaels Rolle und mit Magie verbunden – sie scheint die Magie, die in ihm liegt, auf den Plan zu rufen. Aber dieses Mal kollidiert die Sternschnuppe mit dem Raumschiff, es gibt eine große Explosion, und dann er ist er gegangen. Die Kinder vermissen ihn und beginnen sich zu fragen, ob die Magie überhaupt existiert – als Katie sagt: „Es ist keine Sternschnuppe.“ Aber dann sagt sie: „Ich wünschte, er würde zurückkommen.“ Und er tut es. Scheinbar stirbt er also nicht einmal, sondern zweimal, und dann kehrt er gegen jede Wahrscheinlichkeit zurück und es gibt eine glückliche Wiedervereinigung.


    Ghosts hat in etwa die gleiche Struktur, aber es gibt auch einige große Unterschiede. Wieder wird er als Hauptfigur, dem namenlosen Maestro, angegriffen, aber dieses Mal nicht von einem kriminellen Drahtzieher und dessen Schlägern – es sind der Bürgermeister und die Einwohner des Ortes, in dem er lebt. Und sie greifen ihn nicht an, weil sie böse Beweggründe hegen, sondern sie fürchten sich und wollen diese Furcht beseitigen. Sein Ziel ist also ein anderes. Er versucht nicht die Dorfbewohner zu vernichten, sondern eine Verbindung zu ihnen herzustellen und diese Angst aufzulösen. Und wie in Moonwalker ist seine Stimme – eigentlich die aufrüttelnde Energie seines Gesangs und seines Tanzes – seine eindrucksvollste Waffe.


    Jedoch will der Bürgermeister immer noch, dass er geht, also zerstört der Maestro sich selbst – zerschlägt sich selbst zu Staub, der dann weggeblasen wird. Nachdem er gegangen ist, vermissen die Kinder ihn, und sogar die Dorfbewohner, die versucht hatten ihn zu vertreiben, bedauern das, was passiert ist. Und es passiert nach diesem Sinneswandel, dass er zurückkehrt.

    The truth must dazzle gradually
    Or every man be blind
    Emily Dickinson

  • Joie: Oh, ich sehe, was du sagen willst, Willa. Es ist, als würde er dieses Motiv, dass „der Tod keine Herrschaft haben“ soll, in jedem dieser Short Films durch seine Rückkehr wiederholen, gerade dann, wenn jeder zu glauben beginnt, dass er wirklich gegangen ist. Weißt du, es ist ein Thema, das er ganz direkt in dem Song Heaven can wait anspricht. Und natürlich sehr viel unterschwelliger in Best of Joy, wie wir schon vor einigen Wochen besprochen haben.


    Willa: Ganz genau, aber es scheint hier ein wenig anders zu funktionieren. Er scheint hier nicht zu versuchen etwas über den Tod zu sagen, sondern vielmehr nutzt er den Tod aus psychologischen und künstlerischen Gründen als ein künstlerisches Instrument. Was ich meine ist, dass er den angenommenen Tod und das Wiedererscheinen dieser zwei Protagonisten nutzt, um einen speziellen emotionalen Effekt bei den Zuhörern zu erzeugen.


    In beiden dieser Filme ist die Hauptperson Angriffen ausgesetzt und geht durch ein tiefes persönliches Trauma - eines, das wir als Publikum durch die Identifikation mit ihm ebenfalls erleben. In Moonwalker sind wir Zeuge von Michaels Machtlosigkeit, als Mr. Lideo Katie schlägt und bedroht, und dann tritt und schlägt er Michael, als dieser versucht ihr zu helfen. In Ghosts hören wir, wie der Bürgermeister den Maestro bedroht und auslacht und die Dorfbewohner gegen ihn aufhetzt, und dann beobachten wir den Maestro dabei, wie er sich genau vor unseren Augen brutal selbst zerstört.


    Dies sind beides sehr traumatische Ereignisse. Als Michael und der Maestro "sterben", zieht dies all die schmerzlichen Emotionen heraus, die durch diese Traumata hervorgerufen werden: Trauer, Angst, Mitgefühl, Wut, Empörung. Es ist wie bei einer Anwendung gegen Schlangenbisse, bei der das Gift aus der Wunde gezogen wird. Und dann, als Michael und der Maestro zurückkehren, sind all diese Emotionen weggewaschen, und wir bleiben zurück mit einem Gefühl der Erleichterung und Erneuerung. So zusammengesetzt bietet uns diese doppelte Bewegung von Tod und Rückkehr eine Katharsis (seelische Reinigung) - fast wie ein Reset-Button, der unsere Gefühle neu startet, so dass wir nicht länger in dem Trauma des Erlebten feststecken.


    Joie: Das ist eine sehr interessante Art das zu sehen, Willa. Ich bin nicht sicher, ob ich auf diese Weise schon darüber nachgedacht habe, ich mag es, wie du das ausgedrückt hast.


    Willa: Nun, es gibt viele verschiedene Wege diese zwei Filme zu interpretieren, und dies ist nur eine Herangehensweise. Aber es ist sehr interessant für mich, darüber nachzudenken, wie der Tod und die Rückkehr seiner Rollenfigur uns als Publikum in diesen Filmen beeinflusst. Der extreme emotionale Peitschenhieb, den wir erleben, wenn er stirbt und wieder lebendig wird, scheint eine Art psychologische Reinigung zu bewirken - ein Löschen des tiefen Traumas, das wir vor diesem finalen Höhepunkt ertragen. Und Kunst dazu einzusetzen, um ein Publikum von unangenehmen Emotionen zu befreien und ein Gefühl der Neugeburt oder Erneuerung hervorzurufen ist genau das, was Aristoteles mit dem Wort "Katharsis" gemeint hat.


    Es ist eine sehr alte Vorstellung - mehr als 2000 Jahre alt - und wir neigen dazu zu denken, dass wir viel in diesen 2000 Jahren geändert haben. Aber während sich das tägliche Leben für Menschen seither enorm verändert hat, hat das die menschliche Natur nicht, und dieser Prozess der Katharsis bewegt uns als Publikum immer noch gewaltig, sogar heute.

    :herz: :herz: :herz:

    The truth must dazzle gradually
    Or every man be blind
    Emily Dickinson

  • :gruß: Habe ein bisserl gebraucht, mir die Zeit hierfür zu nehmen, die ihr gebührt. Zu allererst ein ganz :herz: liches :danke: schön an Dich, Lilly!
    Es gelingt Dir wunderbar, die komplexen Inhalte zugänglich zu machen. Manche Denkansätze sind so anders als meine, was ich sehr bereichernd empfinde.

    ... und der Heilung und Wiedererweckung, die wir in der zweiten Hälfte sehen, zu bewirken – all die Menschen schieben ihre Hände in den Erdboden und verbinden sich so wieder mit der Materialität der Erde.


    Eleanor: Den Teil hatte ich ganz vergessen. Das ist so perfekt. So wesentlich. Es besteht kein Zweifel, er war ein Genie.

    Nein, es besteht kein Zweifel :love:

    In Planet Earth feiert MJ die der Erde innewohnenden Werte und nimmt seine eigene, tiefe Verbundenheit und Einheit mit der Erde und seine Verpflichtung gegenüber der Natur in Anspruch. Entgegen dem traditionellen Glauben ist die menschliche Rasse, zu der auch Michael Jackson gehört, nichts Getrenntes oder Höheres als die Natur, sondern ein integrierter Bestandteil der Natur.

    Diese Aussage zieht sich tatsächlich durch Michaels Kunst und dem wie er das Leben lebte.

    Besonders ergriffen bin ich von der Zeile „Wenn ich tanze, fühle ich mich immer wieder berührt durch etwas Heiliges“. Wenn man diese Zeilen im Sinne dessen, was du gesagt hast, liest, Eleanor, scheint es wesentlich zu sein, dass er sich mit einer höheren Geistigkeit / Spiritualität verbindet, dem „Heiligen“, mit einer erhöhten Körperlichkeit, mit dem „Tanzen“. Das Heilige ist nicht etwas, das den physischen Körper übertrifft, sondern etwas, zu dem er durch den physischen Körper Zugang findet.

    Super ausgedrückt. Unter jeder von uns kann seinen eigenen Körper dazu benutzen. An Michaels Tanz und Gesang erleben wir jedoch wunderbar, wie uns auch jemand anderes erheben kann und mit dem Heiligen in Berührung bringen kann.
    Und damit zegt er und gleichzeitig, dass auch das jeder auf seine Art, mit seinen eigenen Talenten tun kann. Er lebt es (wie so vieles) vor.

    ... The Jacksons und Goin' Places - eine Sache, die mich umhaut ist, dass du kaum welche von Michael Jacksons non-verbalen Vokalisierungen hörst, die wir einige Mal in der Vergangenheit erwähnt haben - sein Jaulen und Aufschreien und das schrille "Woo!" und "Whoa!" und "ow!" (Ich liebe dieses hohe, verspielte "ow!", das er manchmal von sich gibt.) Du hörst auch nicht, dass er die Struktur seiner Stimme so oft ändert, vom rauen, tiefen Knurren zu kristallklaren Falsetts. Und diese Strukturen und Vokalisierungen fügen seinen Songs doch gerade so viel Charakter und Dramatik zu.

    Wie befreiend das gewesen sein musste, als Michael machen konnte 'wie' er es machen wollte. Endlich singen, wie er einen Song interpretierte oder viel mehr noch Freiheit und Freude durch seine Stimme fließen lassen konnte, sein Spektrum erleben und ausbauen. Immerhin sind genau diese Töne abseits von Worten für Michael so charakeristisch.
    Mir ist auch unverständlich, warum Motown/Berry Gordy nicht dieses Vertrauen in Michael besaßen ihn 'machen zu lassen' und auch seine Qualitäten als Songschreiber 'wenigstens mal in Betracht zu ziehen'. :schulter:

    Bjørn: Ich mag wirklich, was du sagst über die Reime am Ende der Strophe, Willa! Nach dieser perfekten ersten Zeile ist on : known ein bisschen holprig! Es ist wie eine klangliche Darstellung dieses "Fiebers", über das er singt.

    Wah klasse!

    Du hast Recht, genauso fühlen sich diese Zeilen für mich an - "fast unerträglich nervös" und klaustrophobisch.... Aber ich habe nie darüber nachgedacht, was es genau ist, das diese Zeilen so berUNuhigend macht. Interessant.

    (Ich denke da gehört ein UN rein). Ich habe da auch nie drüber nachgedacht, das ist ja noch eine weitere Ebene auf der Michaels Darbietungen uns erreichen und wirken.
    Super interessant und sehr bereichernde Gedanken. :perfect:

    Bjørn: Exakt. .... „Ein Reim, der den ganzen Song umspannt“ … Mir fällt kein Gedichtband ein, der etwas Ähnliches erreicht hat. Normalerweise verschwindet der „Reimeffekt“ nach ein paar Zeilen. Indem er Musik und Stille als Kontrast wirken lässt, erreicht es Jackson einen Reim zu erzeugen, der den größten Teil an Zeit und Ablenkungen umfasst, den ich je erlebt habe …

    Und damit sagt Björn, der in dem Thema ja wirklich versiert ist, dass Michael auch diese 'Gesetze' der Reimkunst gesprengt hat. Was für ein Lob. :daumen:

    Nach so vielen Unterbrechungen, so vielen Strophen und musikalischen Klängen funktioniert es immer noch als sehr starker Reim. Das sagt etwas aus über Jacksons Stärke – sowohl als Sänger als auch als Lyriker.

    :nick:

    Bjørn: ... Ich mag den Gedanken des „Spielens von Tonleitern“ mit Vokalen (schließlich war für Michael Jackson als Sänger der menschliche Mund sein wichtigstes musikalisches Instrument!). Er „stolpert“ hier nicht nur einfach über die Vokale, sondern er beginnt ganz hinten im Mund und spaziert den ganzen Weg bis zu den Vorderzähnen … Das verleiht diesen Zeilen ein starkes Gefühl der Freisetzung. Es ist, als würde sowohl ihm als auch den Zuhörern erlaubt werden einen tiefen Atemzug zu nehmen und dann die ganze Luft auszuatmen!

    WOW!!! Ich bin wirklich geplättet, was die beiden da an verschiedenen Songs aufzeigen. Die Frage ob Michael um diese 'Gesetze' wusste, oder einfach intuitiv tat, hat Zoey mir mal in anderem Zusammenhang beantwortet. Michael besaß eine ganz natürliche Verbindung zu einer höhren Bewusstseinsebene und so war es für ihn ein ganz natrürlicher Zusammenhang, ob nun bewusst oder unbewusst ist ja beim Ergebnis dessen was er tat auch unwichtig, doch ich bin mir sicher, dass diese Zusammenhänge für ihn ganz natürlich waren.
    Und das alles auf der Basis pop-ulärer Musik, die die Massen erreichen und erfreuen sollte... Wow, was für ein Geschenk.
    Und dieser Zusammenhand mit den Atemzügen...

    Es ist interessant zu wissen, dass wenn wir Michael Jacksons Songs singen, wir auch seine Atmung nachempfinden, und dass er in gewisser Weise unsere Atmung steuert – dass er fast durch uns atmet.

    Gänsehaut... Die Ermutigung oft und laut mitzusingen, gemeinsam mit Michael (egal wie es klingt :-D ).


    Es erinnert mich auch an die Singkreise in Atersheimen. Die Menschen sind beim Singen froh, erinnern sich an alte Lieder und atmen mal richtig tief durch. Singen ist dabei bewusste Atemtherapie und macht Freude - ein Heilmittel.

    Weißt du was, Willa, vor zehn Jahren habe ich versucht einige Michael Jackson Songs in Esperanto zu übersetzen. Diese Binnenreime haben mir ganz schöne Kopfschmerzen bereitet!

    Dieser Versuch des Übersetzens, bringt uns zu der Kunst von Übersetzungen im Allgemeinen. Dieses Können ist immer relevant, weil der Wortklang und die Kombination der Worte (Syntax), wesentliches Transportmittel für den Inhalt eines Textes sind.
    Wir können uns wirklich glücklich Schätzen, hier Übersetzerinnen zu haben, die diese Kunst beherrschen den Zauber der Originale zu transportieren :gruppenk:

    Und ich verstehe, warum die Kritiker zu jener Zeit sich wirklich am Kopf kratzten, als das Victory Album herauskam. Sie fragten sich, was hat dieser Song über Elend und Untergang auf einem Album zu suchen, das doch eine Siegesfeier sein sollte? Er passte einfach nicht, und ich kann mich erinnern, damals irgendwo gelesen zu haben, dass die Brüder auch nicht sehr glücklich mit Michaels Wahl dieses Songs gewesen seien.

    Davon ab, das ich 'Be Not Always' liebe, verstehe ich diesmal Joie nicht, weil sie doch wissen sollte, dass Michael etwas bewirken wollte, genau den 'unpassenden' Song mit auf das Album zu nehmen.
    Sie diskutiert über die vielen Ebenen, die Michael uns erschließen wollte und hier sperrt sie sich irgendwie :kicher:

    Der extreme emotionale Peitschenhieb, den wir erleben, wenn er stirbt und wieder lebendig wird, scheint eine Art psychologische Reinigung zu bewirken - ein Löschen des tiefen Traumas, das wir vor diesem finalen Höhepunkt ertragen.

    ... :stuhl: Mich macht das gerade traurig.
    Und doch war es für die meisten nicht möglich zu Lebzeiten zu erkennen, wie wertvoll Michael und das was er tat war - und wie sehr er hier auf der Erde fehlen wird. Viele scheitern heute noch.

    Und Kunst dazu einzusetzen, um ein Publikum von unangenehmen Emotionen zu befreien und ein Gefühl der Neugeburt oder Erneuerung hervorzurufen ist genau das, was Aristoteles mit dem Wort "Katharsis" gemeint hat.

    Kunst um zu erfreuen, zu erheben, zu heilen - das tat und tut Michaels Werk :Tova:

  • Zitat

    Das ist solch ein interessantes Video,

    Absolut (bisserl sehr schnell).


    Aus dem Inhalt ist für mich hängen geblieben, dass unsere empatische Verbindung früher nur Blutsverwandten galt, dann beim Wachstum der Bevölkerung über Religion/Glaubensgemeinschaften erweitert wurde, dann auf das Zugehörigkeitsgefühl zu seinem Land ausgeweitet wurde und es ohne Frage der nächste Schritt sein wird, dass wir unsere Empathie auf alles Leben und Mutter Erde ausdehnen werden - dem Schritt zu bedinungsloser Liebe.
    Michael trug diese Empathie in sich, fühlte diese Verbindung, lebte sie ganz selbstverständlich und bis heute wird er deswegen von vielen missinterpretiert, mit Füßen getreten und einfach nicht verstanden.
    Einfach mal Ohren und Herzen öffnen.
    Es ist alles in seiner Musik, seiner Kunst zu finden. Michael hat wahrlich seine Seele/ seine Liebe in seine Kunst gewebt. Ganz sicher wird er dafür in Erinnerung bleiben, geht gar nicht anders. :love:
    :Tova:

  • (Ich denke da gehört ein UN rein).

    Das habe ich absichtlich eingebaut, um zu testen, wie gelesen wird :angel: . Nein, du hast natürlich Recht. Leider nehme ich mir immer zu wenig Zeit, um es mehrmals durchzulesen, und dann schleichen sich schon mal Fehler ein. Leider.


    Wow Sky, ich freue mich, dass du es richtig gelesen und dich damit befasst hast :cuddle: ! Ich denke, das tun die anderen, die hier lesen, auch, und das freut mich wirklich. :Tova: Man muss sich wirklich darauf einlassen und es ist eben keine schnelle Meldung, die man mal eben so nebenbei konsumiert. Für mich persönlich beleuchten diese Posts auf eine so ästhetische Art Michaels wahren Kern, und mich hiermit zu befassen ist nach wie vor eine entspannende Tätigkeit neben all diesen schlimmen Tagesmeldungen, die wir gerade zur Zeit wieder verarbeiten müssen. Ich stelle mir oft vor, er könnte dies auch lesen und uns erleben, wie wir uns mit seiner Kunst und seinen wirklichen Absichten befassen, und ich denke, das wäre eine der größten Freuden für ihn. Ich denke, er würde sagen: Ja, ich hab's geschafft! :herz:

    Davon ab, das ich 'Be Not Always' liebe, verstehe ich diesmal Joie nicht, weil sie doch wissen sollte, dass Michael etwas bewirken wollte, genau den 'unpassenden' Song mit auf das Album zu nehmen.
    Sie diskutiert über die vielen Ebenen, die Michael uns erschließen wollte und hier sperrt sie sich irgendwie

    Ich glaube, das hat viel den Emotionen zu tun, die ein Song bei jedem Einzelnen hervorruft, Und etwas zu wissen ist kopfgesteuert. Ich mag Be Not Always sehr, mir geht es da wie Willa. Mir gefällt so sehr daran, das man Michaels Stimme so deutlich und so nah hört und nur die Gitarre dazu. Und auf diese Weise hört man den Text wirklich ganz deutlich und ja, genau so wollte er es wohl.


    Aber ich kann Joie auch verstehen, da ich selbst zu manchen Songs auch nicht so die Verbindung hatte / habe. Für mich war es z.B. immer schwierig Little Susie und Childhood zu hören, die ich nun, nicht zuletzt wegen der Diskussionen, viel besser verstehe und anders zu hören gelernt habe :perfect: . Ich weiß jetzt, es kann sich jederzeit ändern (wenn man offen dafür ist). Vielleicht gibt’s ja noch Hoffnung für Joie! Nein im Ernst, gerade die unterschiedlichen Sichtweisen finde ich spannend daran. Wir kommen alle von unterschiedlichen Orten und treffen uns hier – ich finde ohnehin schon, dass es unglaublich ist, wie ähnlich wir alle empfinden. :herz:

    The truth must dazzle gradually
    Or every man be blind
    Emily Dickinson

  • Zitat

    Joie: Ich erkenne, was du sagen willst, Willa. Aber ich muss ehrlich mit dir sein und zugeben, dass mir dieser spezielle Song ziemlich egal ist. Ich verstehe die Bedeutung der Botschaft dahinter, aber der Song selbst ist so deprimierend und morbide im Ton und in dem, welches Gefühl er vermittelt. Und ich verstehe, warum die Kritiker zu jener Zeit sich wirklich am Kopf kratzten, als das Victory Album herauskam. Sie fragten sich, was hat dieser Song über Elend und Untergang auf einem Album zu suchen, das doch eine Siegesfeier sein sollte? Er passte einfach nicht, und ich kann mich erinnern, damals irgendwo gelesen zu haben, dass die Brüder auch nicht sehr glücklich mit Michaels Wahl dieses Songs gewesen seien.


    Bei mir war das eher andersrum, der song war mit nie egal, obwohl ich den Text - ich meine den Teil am Anfang:
    Always, be not always
    And if always

    nicht wirklich richtig sinnvoll übersetzen konnte.
    Deshalb war ich wirklich froh, das es hier jetzt mal Thema war. Ich habe wirklich nicht viele Jackson Songs – das ist schon einer der wenigen Songs, die ich höre von vor Michaels SoloAlben. Und obwohl er sehr traurig ist, liebe ich ihn. Gerade weil er mit so wenig auskommt – nur mit Michaels Stimme und der sehr sparsamen Instrumental Begleitung. „Nur“ mit Michaels Stimme ist natürlich in Wirklichkeit sehr viel. :-D:wolke1: Es ist sehr pur und schnörkellos Michael, und für mich ein Beispiel dafür, was er „nur“ mit seiner Stimme alles ausdrücken kann. Sein Gesang ist sehr eindringlich, irgendwie schonungslos...es gibt auch keine Ablenkung von der Stimme.. Auch diese Pause, nach „Destroying life“ - ich finde immer gerade diese Stelle, wo es still ist wie eine Unterstreichung von dem, was gesungen wurde. Ich finde das wirklich genial gemacht.


    ..und dass die Brüder und vlt. Auch die Käufer der Platte mit diesem Song nicht so glücklich waren, kann ich mir gut vorstellen. Aber auch, dass er Michael um so wichtiger war und er ihn deshalb draufgepackt hat – nicht, weil das ein „hitverdächtiger“ Song war, sondern weil er was wichtiges zu sagen hatte. Das war doch bei anderen Songs, auf anderen Alben auch ähnlich – bei Little Susie, oder bei Lost Children....