Willa: Wow Joie, ich habe noch gar nicht an all diese verschiedenen Arten des Publikums gedacht, aber du hast vollkommen Recht, und die Entertainer modifizieren für jedes Publikum ihren Auftritt. Bei den Stadtmenschen am Anfang sind sie hauptsächlich Hochstapler – sie legen einen Auftritt hin, um sie um ihr Geld zu prellen. Für die Kinder ist es eine reine Performance, die pure Freude der Unterhaltung. Und bei der Menge im Vaudeville-Theater am Ende ist es eine Mischung aus beidem – sie treten auf der Bühne auf, aber sie werden noch als Hausierer und Gauner präsentiert. Als die Polizei hereinkommt und anfängt, ein wenig verdächtig zu gucken, legen sie zur Ablenkung ein kleines Feuer und hauen durch den Hinterausgang ab.
Joie: Das stimmt, sie lassen uns nie vergessen, das sie eine kleine Bande von Hochstaplern sind, die sich weiterbewegen müssen.
Willa: Das sind sie wirklich. Sie führen ihr Publikum an der Nase herum, ebenso wie sie es unterhalten. Und dieser Gedanke von dem Performer als eine Art Hausierer hat mich wieder an Who Is It erinnert. Wie wir vor ein paar Wochen besprochen haben, scheint er Parallelen zu ziehen zwischen den Erfahrungen dieses teuren Callgirls und Hochstaplerin mit seinem Leben als Performer, und diese Parallele sehen wir hier definitiv genauso – der Entertainer als eine Art Gauner und Hochstapler. Und er vermittelt diesen Gedanken durch das Leinwandpublikum.
Und dann gibt es noch Ghosts. Das ist ein ganz erstaunlicher Film auf so viele Arten, und das Leinwandpublikum ist der absolute Mittelpunkt in diesem Film. Es ist sehr psychologisch, und für mich spielt sich der zentrale Konflikt des Films in den Köpfen des Leinwandpublikums ab.
Joie: Ich stimme dir zu, dass es psychologisch ist, aber ich denke nicht, dass es in ihren Köpfen passiert. Ich denke, es ist real für sie; sie sehen wirklich diese Geister die Wände hochklettern und an der Decke tanzen, und der Bürgermeister ist wirklich zeitweise besessen von dem Maestro und rennt dann schreiend durch ein Fenster, als er die „Fremdartigkeit“ nicht länger ertragen kann.
Willa: Oh, ich erkenne, was du sagen willst. Ich habe mich nicht gut genug erklärt – das ist es nicht, was ich meinte. Ich bin auch der Meinung, dass die Geister „wirklich“ da sind, und dass die Dorfbewohner sie wirklich erleben. Was ich meinte, war, dass sich in vielen Filmen die Handlung auf einen nach außen hin sichtbaren Konflikt fokussiert, wie zum Beispiel eine gefrorene Tundra mit Schlittenhunden zu durchqueren oder einen Banküberfall durchzuziehen oder gegen das böse Königreich zu kämpfen oder etwas in der Art. Aber in diesem Film passiert wirklich wenig in diesem Sinne. Eine Gruppe von Leuten steht in einem Raum, und sie starren sich gegenseitig an. Was für eine Art Handlung ist das?
Aber im Grunde geht in diesem Film eine ganze Menge vor sich. Es ist nur so, dass sich der Konflikt innerlich abspielt – er besteht in den Gedanken der Dorfbewohner – und die Lösung dieses Konfliktes geschieht auch in ihren Gedanken. Da gibt es keine Schlittenhunde, aber dieser Film begibt sich in gewisser Weise auf eine Reise genauso schwierig wie das Iditarod (Iditarod Trail Dog Sled Race: Ein Schlittenhunderennen in Alaska). Es beginnt mit einer Gruppe verängstigter Dorfbewohner, die mit brennenden Fackeln in das Zuhause eines Künstlers, dem Maestro, eindringen. Die Dorfbewohner kommen aus einem Ort mit Namen Normal Valley, und sie fürchten sich vor dem Maestro, denn er passt nicht zu ihrer Definition von „normal“. Und sie wollen ihn wegen dieser Angst aus ihrer Stadt verjagen.
Also verfolgt die Handlung des Films die Versuche des Maestros, ihre Gedanken und Gefühle über ihn zu ändern. Und es gelingt ihm, aber er geht auf eine interessante Art und Weise vor. Er beruhigt sie nicht, indem er ihnen versichert, er sei normal und wirklich einer von ihnen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Er reagiert, indem er sogar noch sonderbarer wird und dann ihre emotionale Reaktion auf Dinge, die nicht normal sind, ändert – Dinge, die für sie anders zu sein scheinen oder fremdartig oder freakig.
Ich muss sagen, alles an diesem Film fasziniert mich: wie er ihre psychologische Reise darstellt, wie er es herbeiführt, wie er es auflöst – aber nicht vollständig – am Ende. Da gibt es immer noch eine Menge Unsicherheiten, sogar am Ende. Und das Leinwandpublikum steht im Mittelpunkt des Ganzen. Und wir als Nichtleinwandpublikum beobachten sie und verfolgen ihren Gedankenprozess, in dem sie ihre psychologische Reise vollziehen, also auf eine Art vollziehen wir diese psychologische Reise mit ihnen zusammen. Es ist einfach faszinierend für mich.
Joie: Oh ja, ich sehe, was du sagst. Und du hast Recht, das Leinwandpublikum ist wesentlich in diesem Film, die gesamte Handlung hängt von ihnen ab.
Aber weißt du, natürlich ist das ultimative Leinwandpublikum dasjenige in dem Video für One more Chance, welches wir ausführlich im vergangenen Herbst diskutiert haben. Dieses Video benutzt wirklich die Anwesenheit des Leinwandpublikums in einem interessanten Zusammenhang, indem es es auf der Bühne platziert, während er sie eindringlich um „eine weitere Chance zu lieben“ bittet.
Wie du es in jener Diskussion herausgestellt hast, verlässt er am Ende des Videos den Raum, während das Publikum noch auf der Bühne steht. Diese Darstellung deutet dem Nichtleinwandpublikum an, dass für ihn jetzt nichts mehr zu tun ist. Sein Werk ist getan, und nun ist es an uns. Wir sind diejenigen, die weitermachen müssen in seiner Abwesenheit und tun, was wir können, um sein Vermächtnis fortzuführen und dabei zu helfen, „die Rätsel aufzudecken“.
Weißt du Willa, die Tatsache, dass sich herausgestellt hat, dass dies Michaels letztes Video ist, ist wirklich irgendwie bittersüß, wenn wir den Sinn hinter dem Leinwandpublikum und die letzte Einstellung dieses Shortfilms richtig verstehen. Es wird für mich persönlich sehr emotional.
Willa: Ich weiß ganz genau, was du meinst, Joie. Es ist auch für mich emotional, aber es ist auch ebenso wirklich motivierend. „Bittersüß“ ist eine gute Beschreibung.
Ich bin wirklich engagiert, die Gespräche über Michael Jackson zu verändern, und manchmal bin ich von dem ungeheuren Ausmaß der Aufgabe einfach überwältigt. Es ist, als wollte man versuchen, Wasser mit seinen Händen stromaufwärts zu drücken. Dieser Fluss von negativen Kommentaren fließt in die entgegengesetzte Richtung, und es ist wie: Wie können wir gegen all das kämpfen? Aber ich glaube ganz ehrlich daran, wenn wir alle zusammenarbeiten, können wir beginnen, das Wasser in eine andere Richtung umzuleiten. Ich spüre schon, dass eine große Verschiebung stattfindet, und ich bin so inspiriert, all diese verschiedenen Menschen auf der ganzen Welt zu sehen, die hart daran arbeiten, etwas zu bewirken. Und ich bin inspiriert durch dich, Joie. Ich bin so beeindruckt von all der Arbeit, die du über so viele Jahre geleistet hast. Du hast wirklich über eine lange Zeit den Glauben behalten. Und ich bin auch durch das One more Chance Video motiviert. Wenn ich entmutigt bin, sehe ich es mir an und denke: Er hat den Raum verlassen, aber wir nicht. Wir sind noch da. Nun sind wir an der Reihe.