Dancing With The Elephant

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  • Schön, dass Willa und Joie wieder da sind :daumen: .. und dass Lilly so schnell übersetzt hat.. :cuddle:


    ich muss kurz was dazu schreiben - zum Thema Regenbogen und Flut...


    Zitat

    Wann immer ich Wolken über die Erde bringen werde und ein Regenbogen erscheint, werde ich mich an mein Versprechen erinnern … Niemals wieder werden Wasser zu einer Flut, um alles Leben auf der Erde zu zerstören.“


    ich habe gerade das Buch "A Life for Love" gelesen. Darin auch die Geschichte der Wolfs, der Familie aus Meissen, die 2002 Flutopfer wurden und von Michael auf Neverland eingeladen wurden. Es hat jetzt sicher garnichts direkt mit dem Can You Feel It Video zu tun - und dann doch irgendwie..


    Im Buch steht: (über einen Besuch mit/bei Michael im Aufnahmestudio)
    Prince und Paris zogen alle farbigen Drähte aus den Mischpulten und sagten zu Saskia und Sabrina: "Lasst uns den größten Regenbogen der Welt daraus bauen". Er hatte eine Menge Kabel in seinen Händen. Die 4 Kinder setzten sich hin und begannen den Regenbogen zu bauen. Michael stand dabei, mit Tränen in den Augen.


    ..und wenn ich jetzt diese Zusammenhänge zwischen Flut und Regenbogen lese :huch: .... ich dachte, dass Michael vlt. irgendwie auch an so etwas dachte, als er die Kinder, die gerade eine reale Flut hinter sich hatten, beobachtete, die diesen Regenbogen bauen wollten...

  • Dancing With the Elephant is back


    :jubel: YEE-HAWW!!! :gruß:


    Du weißt ja, einer der vielen Kritikpunkte gegenüber Michael Jackson war der, dass er einen Messiaskomplex hätte – dass er dachte, er wäre der wieder auferstandene Christus oder etwas Ähnliches


    Das ist es, wie Michael Jackson hoffte unsere Welt zu verändern – durch Musik und Kunst. Aber das bedeutet nicht, dass er sich selbst als Messias sah. Stattdessen sah er sich als Künstler – aber es ist eine weitaus größere Definition des „Künstlers“, als wir es gewohnt sind. Und wichtig ist, er stellte sich eine Welt vor, in der wir alle Künstler sind


    Und WOW, was für ein Einstiegspost! Absolut - nicht Michael hielt sich für einen Messias, sondern die Menschen um ihn herum hielten ihn dafür. Und so haben so viele eben sehr lange niemanden mehr gesehen. Die einen waren und sind wie erleuchtet, wie erweckt, die anderen könnten geradezu aus der Haut fahren und wollen das Ganze am liebsten begraben und vergessen. Es ist eine Metapher, eine Geschichte, ein Erzählmuster, das adaptiert wird, weil es sinnstiftend ist und außerdem bereits bekannt und etabliert ist. Und weil es obendrein passt. Mehr auch nicht, aber das reicht ja schon. Das Beste daran ist nämlich, dass letztlich genau das einen Erlöser ausmacht. Er bietet ein innovatives Vorstellungs- und Moralsystem an, dem Menschen erst künftig folgen können, um es dann dadurch als gesellschaftlich bzw. kulturell "menschlich" zu etablieren. Er verändert damit die Welt oder vielmehr die Menschen, die ihm folgen, tun es, indem sie eben das in ihm zu sehen oder zu erkennen glauben... selbst wenn man (auch nach 2000 Jahren) die rechte Veränderung meint, nicht sehen zu können. Wer kann das heute schon sagen?


    :danke: liebe Lilly für die unermüdliche Übersetzungsarbeit!!! :drück:

    :herz: Michael Jackson - forever the King of Pop. A genre of music. Mainly, a beautiful human being. :herz:
    es ist, was es ist... sagt die liebe


  • Ich bete, bete, bete jeden Tag, dass du die Dinge siehst, wie ich sie sehe
    I Pray, Pray, Pray Every Day that You'll See Things Like I Do
    12/09/2013


    Willa: Also Joie, in unserem letzten Post sind wir mit einem Blick auf eines von Michael Jacksons ersten Videos, Can You Feel It, welches er 1981 mit den Jacksons gemacht hat, in die neue Saison gestartet. Und wir endeten dabei, dabei zuzusehen, wie die Jacksons sich selbst in diesem Video als fast mythische Figuren dargestellt haben. Sie haben die Größe von Titanen und sind auf eine Art durchsichtig, wie etwas Übernatürliches, und sie versprühen goldenen Sternenstaub auf erstaunte Erdlinge und verleihen diesen ebenfalls übernatürlichen Glanz. Durch diese Darstellung scheint uns Michael Jackson etwas Bedeutendes über die Rolle des Künstlers und wie er glaubt, dass Künstler ihre Kunst – ihren „goldenen Sternenstaub“ – für die Erreichung sozialen Wandels einsetzen, zu sagen.


    Joie: Das ist eine interessante Zusammenfassung, Willa. Ich mag die Art, wie du das alles in ein ordentliches Paket packst.


    Willa: Danke! Jedenfalls erinnerte mich diese Diskussion aus irgendeinem Grund an Say Say Say, einem Video, das er zwei Jahre später mit Paul McCartney gemacht hat. Es unterscheidet sich völlig im Ton und vom Gefühl her von Can You Feel It, aber Say Say Say hat ebenfalls einige interessante Dinge über die kulturelle Funktion von Künstlern zu sagen. Aber es nähert sich dem auf eine andere Art und Weise an – nicht durch Darstellung der Künstler als übernatürliche Figuren, sondern als Trickbetrüger und Hochstapler.


    Joie: Noch einmal Willa, die Art und Weise, auf die dein Gehirn arbeitet, erstaunt mich! Ich hätte niemals eine Verbindung zwischen Can You Feel It und Say Say Say gezogen. Aber ich denke, dass ich erkenne, worauf du hinaus willst und ich bin verblüfft. Erzähl uns mehr!


    Willa: Nun Joie, eigentlich bist du diejenige, die mir damals die Augen für Say Say Say geöffnet hat, als wir in einem Post über Michael Jacksons wiederholte Einbeziehung eines Leinwandpublikums gesprochen haben, und seitdem denke ich darüber auf eine neue Art. Du hast damals beschrieben, „Mac“ und „Jack“ würden ihr Publikum unterhalten und es gleichzeitig betrügen.


    Joie: Das war eine interessante und lustige Unterhaltung. Aber in welcher Beziehung steht es zu Can You Feel It?


    Willa: Nun, genau diese beiden Videos sprechen über spezielle Arten, auf die Künstler ihre Kunst nutzen können, um aus der Welt einen besseren Ort zu machen. Can You Feel It nähert sich dem Thema auf eine fast mythische Art, während Say Say Say eine eher historische Herangehensweise vornimmt. Was ich meine ist, man benötigt ein Paar heutiger Musiker - Paul "Mac" McCartney und Michael "Jack" Jackson - und platziert sie inmitten einer langen Tradition von Troubadouren und Vaudeville-Künstler und anderen reisenden Künstlern. Und dann betrachtet man die verschiedenen Arten, auf die sie mit ihrem unterschiedlichen Publikum interagieren und wie daraus unterschwellige Veränderungen entstehen. Mit anderen Worten, man sieht sich ihre kulturelle Funktion an, so wie es Can You Feel It macht, auch wenn es auf eine andere Art herangeht.


    Joie: Okay, ich sehe, worauf du hinaus willst. Aber etwas, was du gerade sagtest, hat mich getroffen, Willa. Du hast "die lange Tradition von Troubadouren und Vaudeville-Künstlern und anderen reisenden Künstlern" angesprochen. Ich habe in letzter Zeit viel über Musiker und das Leben auf der Straße nachgedacht. Weißt du, viele Bands sind fast ständig auf der Straße. Einigen Performern, wie Michael Jackson zum Beispiel, liegt nicht wirklich viel am Touren. Wir haben alle den Video-Clip von ihm gesehen, in dem er sagt, er würde das Touren hassen, weil es körperlich anstrengend ist usw.


    Willa: Oh, du meinst diesen hier?


    E0SBTBcTDHo
    Ich liebe diesen Clip! Er ist zu lustig …


    Joie: Aber es gibt viele Bands da draußen, die es tatsächlich lieben, unterwegs zu sein, und sie sind für mehr als eineinhalb Jahre da draußen, um ein einziges Album zu promoten. Dann gehen sie zurück ins Studio, machen ein weiteres Album, gehen danach direkt wieder zurück auf die Straße und fangen von vorne an. Und wenn du darüber nachdenkst leben all diese reisenden Musikanten und Vaudeville-Sänger, mit der Ausnahme, wenn sie ein Album produzieren, ihr Leben auf der Straße auf genau die gleiche Weise.


    Willa: Das stimmt, Joie. Und er scheint dieses Leben in Say Say Say zu untersuchen. Die Charaktere von Mac und Jack sind fast wie Zigeuner - einer weiteren Überlieferung reisender Musiker.


    Joie: Ah, Zigeuner! Die habe ich ganz vergessen, aber du hast Recht! Sie sind Teil dieser ganzen Tradition von fahrenden Troubadouren und ebenso Trickbetrügern.


    Willa: Genau. Ich weiß nicht, ob Zigeuner wirkliche Trickbetrüger waren, aber so wurden sie wahrgenommen. Im Grunde ist dies zu einem bedeutenden Teil des Mythos der Zigeuner geworden - dass sie nicht nur Musiker waren, sondern Hausierer für exotische, ja sogar magische Objekte, ebenso wie als Wahrsager mit einem verblüffenden Wissen. Und sie waren Gauner, die dir aushelfen konnten, aber vielleicht auch nicht - eventuell konnte ihr magisches Zeug dich hereinlegen und gegen dich arbeiten.


    Da war also eine Aura des Magischen und Faszinierenden um sie herum und wenn sie in die Stadt kamen, wurde das alltägliche Leben durch sie mit einer Stimmung wie Karneval unterbrochen, die sowohl amüsant, als auch beunruhigend war. Und das erkennen wir definitiv in Say Say Say. Als Mac und Jack in die Stadt gefahren kommen, strömen die Bewohner in Scharen zu ihnen, sind sich aber nicht sicher, ob sie ihnen trauen können.


    Joie: Das ist eine wirklich gute Beschreibung dessen, was wir zu Beginn des Videos sehen, Willa. Alle versammeln sich um sie herum, um der Präsentation zuzusehen und zu beobachten, was vor sich geht. Sie sind alle sehr neugierig auf dieses angebliche "medizinische" Wundermittel, das sie stark machen soll. Du kannst die Unsicherheit und Skepsis in allen Gesichtern sehen. Aber dennoch können sie nicht weggehen, weil sie so fasziniert sind.


    Willa: Ja, und das, was sie fasziniert, ist eine Performance. Nur wissen sie nicht, dass es eine Performance ist und im Grunde wissen wir es auch nicht. Wir sind zuerst in derselben Position wie die Stadtbewohner. Mac verkauft ein magisches Wundermittel "mit der Garantie dir unglaubliche Kräfte zu verleihen", und eine dünne Person aus dem Publikum - Jack, den wir noch nicht kennen - will es freiwillig probieren. Er ist so schwach, dass er nicht mal den Deckel von der Flasche bekommt, aber ein Schlückchen lässt ihn sich drehen, und dann ist er fähig einen Kraftmenschen mit prallen Muskeln beim Armdrücken zu schlagen. Die Stadtbewohner drängeln sich, um das Wundermittel zu kaufen und Mac wickelt alles ab, um die Stadt mit einer Tasche voller Geld zu verlassen. Dann entdecken wir, dass der Kraftmensch mit ihm reist, sie halten an und gabeln Jack am Stadtrand auf, der Kraftmensch schenkt ihm ein Lächeln, und wir realisieren, dass die ganze Sache eine Masche war.


    Aber was interessant ist, ist die Tatsache, dass es ein Schwindel war, aber auch eine künstlerische Darbietung. Alles, was die Stadtbewohner erlebt haben, war im Vorfeld von Mac und Jack vorbereitet worden, genau wie ein Schauspiel, und es gab Schauspieler und eine Handlung, auch wie bei einem Schauspiel. Nur dass dieses Stück die Grenze zwischen Realität und Kunst überschritten hat, weil es sich nicht selbst als Kunst bezeichnet, also denken die Stadtbewohner, dass es real ist. Und es hat reale Auswirkungen - es fordert die Stadtbewohner dazu auf, das Wundermittel zu kaufen. Ist es also die Wirklichkeit oder ist es Kunst? Wir sind es gewohnt, klare Unterschiede zwischen beidem zu machen, aber diese Frage ergibt in diesem Fall keinen wirklichen Sinn, denn es ist beides.


    Und es ist faszinierend für mich über das alles im Hinblick auf Michael Jacksons Kunstverständnis nachzudenken - zum Beispiel auf seine sich ändernde Hautfarbe bezogen - denn ich sehe das auf dieselbe Art. Es ist eine künstlerische Darstellung, die wir (das Publikum, die Medien, die Kommentatoren seines Lebens) nicht als Kunst sehen, also werden die Grenzen verwischt zwischen dem, was real, was aber auch Kunst ist. In einem gewissen Ausmaß war es äußerst real - er litt wirklich an Vitiligo, er litt schrecklich - aber es war auch eine künstlerische Darstellung. Und es war eine Darstellung, die sehr reale Auswirkungen hatte. Meiner Meinung nach beeinflusste es auf profunde Art, wie wir über Rassenunterschiede denken.

    The truth must dazzle gradually
    Or every man be blind
    Emily Dickinson

  • Joie: Das ist eine interessante Parallele, die du gezogen hast, Willa. Ich bin nicht sicher, ob ich die Verbindung zwischen Say Say Say und Michaels Hauterkrankung gesehen hätte, aber ich kann deine Argumentation absolut erkennen. Du hast eine einzigartige Art, die Dinge zu sehen, und sie fasziniert mich irgendwie.


    Willa: Nun, ich möchte diese Verbindung nicht zu weit treiben - das ist nur ein Beispiel. Es gibt sehr viel mehr, denk an die Male, bei denen er und Slash eine Scharade gespielt haben und so tun, als würde Slash die Bühne übernehmen - dass er seine Gitarre völlig außer Kontrolle spielte und nicht mehr aufhören konnte oder wollte. Bühnenarbeiter kamen sogar aus dem Off und versuchten Slash wegzuziehen. Es war alles nur gespielt, aber wenn du den Witz nicht verstanden hast, war es nicht klar, ob es real war oder nicht.


    Michael Jackson machte ziemlich oft derartige Dinge, es ist also wirklich interessant für mich, dass Say Say Say damit beginnt, eine künstlerische Performance darzustellen, aber es ist eine andere Art von Kunst. Es ist nicht wie ein Gemälde, das in einem Rahmen an der Wand hängt. Dies ist Kunst, die sich weigert an der Wand zu bleiben. Sie springt aus ihrem Rahmen und zieht jedermann in die Darbietung hinein. Wenn man es sich auf diese Weise ansieht, dann zeigt Say Say Say einen ganz anderen Blick auf Kunst und auch auf den Künstler - es zeigt ihn als einen Schwindler oder Trickbetrüger, der jeden um ihn herum in seine Kunst einbezieht, nicht nur als amüsiertes Publikum, sondern als ahnungslosen Darsteller.


    Joie: Weißt du Willa, in diesem Video geht es vor allem um diese andere Art der künstlerischen Darbietung. Sie wiederholen dieses Thema in der letzten Hälfte des Films, wo wir sie auf der Bühne bei ihrer Vaudeville-Darstellung sehen. Und wieder ist es eine Performance, die in einem gewissen Sinn ebenfalls eine Täuschung ist, weil es letztendlich so kommt, dass sie es nutzen, um der Polizei auszuweichen, die sie wegen des ganzen „Mac and Jack“-Wundermittel-Betrugs sucht


    Willa: Und weil sie Pool Sharks sind, ganz offensichtlich. Wenigstens Mac ist es … (Anmerkung: Der Begriff Pool Shark kommt vom Billard und bedeutet, dass jemand ein wirklich guter Pool-Spieler ist.)


    Joie: Aber was ich wirklich interessant an diesem Video finde, ist, dass unsere Trickster im Grunde Betrüger mit einem großen Herzen sind, denn diese beiden Szenen möglicher krimineller Aktivitäten werden durch ein süßes, kleines Zwischenspiel getrennt, in dem wir Mac und Jack und ihre zwei Helfer sehen, wie sie eine große Tasche mit Geld an ein Waisenhaus abgeben. So erfahren wir, dass sie ihr Publikum nicht aus Eigennutz beschwindeln. Stattdessen haben sie sehr viel edlere Gründe. Sie sind eigentlich eine kleine Bande von Robin Hoods, wenn du so willst – und nehmen Geld von denen, die ein wenig sparen können, um es denen zu geben, die nichts haben.


    Willa: Das stimmt, und das ist eine großartige Art, es zu beschreiben, Joie. Sie sind wirklich wie Robin Hoods, nicht wahr? Auf ihre eigene, bescheidene Art, sie tragen dazu bei, den Wohlstand von jenen, die genug haben zu jenen, die nichts haben, umzuverteilen.


    Aber sie verhelfen den Waisenkindern nicht nur zu Geld – sie unterhalten sie auch. Mac zeigt Zaubertricks, zieht einen Blumenstrauß aus dem Nichts, während Jack über einen Balken balanciert, sich dann dreht und verbeugt. Und sie singen die gesamte Zeit über, also bringen sie auch Musik in das Waisenhaus. Und eigentlich deutet dies eine weitere Funktion von Kunst an: Sie kann denen Freude oder Inspiration oder Trost bieten, die eine schwere Zeit haben und vielleicht die Stimmung jener heben, denen es nicht gut geht.


    Joie: Ach, du meine Güte, Willa! Du lässt es aber so klingen wie einen Nebengedanken oder als wäre es ein erfreulicher Nebeneffekt oder so etwas. Aber für mich ist das die wichtigste Funktion von Kunst! Jeder Art von Kunst, ganz egal, was es ist – Malerei, Tanz, Musik, was auch immer.


    Ich weiß, dass es wahrscheinlich diejenigen gibt, die darin nicht mit mir übereinstimmen, aber das ist okay, denn sie würden damit vollkommen richtig liegen. Weil ich denke, Kunst funktioniert auf viele verschiedene Arten für viele verschiedene Menschen. Denkst du das nicht auch? Ich meine, so banal es sich auch anhört, aber einige Leute – vielleicht sogar die meisten Leute – interessieren sich nicht für die politische Botschaft oder die gesellschaftlichen Auswirkungen hinter einem bestimmten Kunstwerk. Sie wissen nur, dass es sie auf irgendeine Art bewegt und dass es sie glücklich macht oder traurig oder nachdenklich oder wie es sie sich auch immer fühlen lässt. Ob es ein Song ist oder ein Gemälde oder ein Auftritt.


    Willa: Hmmm … ist das die wichtigste Funktion von Kunst? Wow, ich werde darüber weiter nachdenken müssen. Das ist eins der Dinge, die am meisten an unseren Unterhaltungen liebe, Joie – du bringst mich immer zum Nachdenken!


    Boy, ich muss wirklich ein wenig darüber nachdenken, aber meine erste Reaktion ist mich zu fragen, ob dies nicht eine der Trennlinien zwischen Unterhaltung und Kunst ist. Ich sage, die vorrangige Funktion von Unterhaltung ist uns zu berühren – uns emotional zu beschäftigen und uns „glücklich macht oder traurig oder nachdenklich“ fühlen zu lassen, wie du sagst. Aber in meinen Augen muss Kunst mehr als das tun. Vermutlich würde ich sagen, dass für mich der Hauptunterschied zwischen Kunst und Unterhaltung darin liegt, dass Unterhaltung dazu tendiert das zu verstärken, was wir bereits denken oder über Dinge fühlen. Wenn uns also ein heiterer Song uns glücklich fühlen oder ein Marsch von John Phillips Souza uns patriotisch fühlen oder ein Gemälde von Norman Rockwell uns nostalgisch fühlen lässt, dann ist das Unterhaltung. Aber während Kunst uns definitiv emotional bewegen kann, hinterfragt sie auch unsere vorgefasste Einstellung über die Dinge. Da ist immer etwas ein wenig Beunruhigendes an Kunst, sogar wenn sie so vergnüglich ist wie Unterhaltung, weil sie uns auf einer gewissen Ebene zwingt, uns zu hinterfragen und wie wir die Welt sehen und auf sie reagieren.


    Und das ist für mich das, was so unglaublich eindrucksvoll an Michael Jackson ist, dass er sowohl ein Unterhalter (Entertainer), als auch ein Künstler ist. Er nimmt unsere Aufmerksamkeit gefangen als Entertainer, und wir verlieben uns in den Entertainer. Berry Gordy sagte beim Memorial Service, dass er der wahrscheinlich „großartigste Entertainer war, der je gelebt hat“. Aber er geht uns einfach nicht aus dem Sinn, weil er eben auch ein Künstler ist. Seine Werke rütteln uns auf eine Art auf, so dass sie uns einfach nicht loslassen – wir, als ganze Kultur, können einfach nicht aufhören über ihn nachzudenken – weil er ein so machtvoller Künstler war … der machtvollste Künstler unserer Zeit, denke ich.


    Joie: Willa, ich würde gerne sagen, dass ich dir nicht widerspreche. Aber … nur mal um für eine Minute den Advokaten des Teufels zu spielen … wenn wir das, was du gerade über Michael Jacksons Werke gesagt hast, dass sie uns sowohl unterhalten als auch „auf eine Art aufrütteln, die uns nicht loslässt“, mal auf andere Entertainer übertragen, dann können wir also behaupten, dass jemand wie E.L. James zum Beispiel auch eine eindrucksvolle Künstlerin ist? Immerhin hat uns ihre erotische Trilogie Fifty Shades of Grey – die wohl niemand auf irgendeine Weise zu den literarischen Meisterwerken zählen würde – sowohl unterhalten, als auch in hohem Maß auf eine Art aufgerüttelt, die uns nicht loslässt. Wir als eine ganze Kultur scheinen nicht aufhören zu können darüber nachzudenken. Aber ich bin nicht sicher, ob ich sie als machtvolle Künstlerin bezeichnen würde.


    Es ist ein wenig weit hergeholt, aber ich will damit ausdrücken, dass ich nicht glaube, es müsse immer eine aufrüttelnde Komponente an Kunst sein. Ich finde nichts Verwirrendes oder Beunruhigendes an irgendeinem von Edgar Degas‘ Ballerina-Gemälden, Beethovens Mondscheinsonate oder eigentlich auch nicht an B.B. Kings The Grill is Gone. Und das sind nur drei kleine Beispiele für großartige Kunst, die uns emotional bewegt hat. Ich bin sicher, wenn ich mich wirklich hinsetzen und mich darauf konzentrieren würde eine Liste zu erstellen, würde ich viele, viele andere Beispiele dafür finden.

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  • Willa: Das sind großartige Beispiele, Joie, und sie können wirklich zur Aufklärung beitragen, denke ich. Ich rede nicht über einen momentanen Kitzel von Sex oder Gewalt, der uns ein paar Tage lang schockiert oder sogar einige Jahre und dann aus dem Gedächtnis verschwindet. Ich spreche von einem Erdbeben, das permanent die Landschaft verändert, das für immer verändert, wie wir unsere Welt erleben.


    Ich weiß nicht viel über Fifty Shades of Grey, aber nach dem, was du sagst, klingt es nach einem momentanen Kitzel. Aber Degas und die Impressionisten waren etwas völlig anderes. Im Rückblick neigen wir dazu zu vergessen, dass sie Radikale waren, deren Werke von der Hochschule verschmäht wurden. Bilder von Ballerinas, gewöhnlichen Ballerinas, entstanden aus Klecksen strahlender Farbe, die auf Leinwand geschmiert wurden? Das war Ketzerei! Jeder wusste, dass ein ordentliches Gemälde die steif aufrecht sitzenden Adeligen oder vielleicht eine Szenerie aus der griechischen Mythologie abbilden sollte, das Ganze sollte sorgfältig mit unsichtbaren Pinselstrichen aufgetragen werden. Die Impressionisten stellten das alles in Frage und revolutionierten die Art, wie wir Kunst sehen und erleben. Für sie lag die wichtige Sache darin, die erfahrungsbezogene Essenz eines Augenblicks einzufangen – diesen Augenblick zu sehen und zu fühlen und zu erleben – und es ist ein Maßstab dafür, wie vollkommen sie unsere Vorstellungen verändert haben, so dass sie die heutige Norm geworden sind. Wenn wir heute über großartige Werke nachdenken – über die Meisterwerke westlicher Kunst – sind viele der Gemälde, die uns spontan einfallen, Werke der Impressionisten.


    Du kannst dasselbe über Beethoven sagen. Wie die Impressionisten bei visueller Kunst revolutionierte Beethoven, wie die Menschen über Musik dachten und sie erlebten. Er bleibt einer der einflussreichsten Komponisten aller Zeiten. Und B.B. King beeinflusste eine ganze Generation von Bluesgitarristen und durch sie wiederum Rockgitarristen. Du kannst seinen Einfluss immer noch überall im Radio hören, ganz besonders wenn du ein in hohen Tönen jaulendes Gitarrensolo hörst. R&B und Rockmusik würden sich ohne B.B. King heute völlig anders anhören.


    Es ist zu früh zu sagen, wie Michael Jacksons langfristiger Einfluss auf die Kunst sein wird – und ich rede noch nicht mal von seinem kulturellen Einfluss, dem, wie wir über Rasse und Geschlechterzuordnungen denken. Aber ich denke, er wird weitaus größer sein als sein direkter Einfluss auf Musik, Tanz, Videos, Mode, visuelle Kunst, obwohl dies alles schon gewaltig ist. Ich denke, er macht etwas weitaus Grundlegenderes und hinterfragt damit, wie wir Kunst selbst definieren.


    Joie: Nun, ich will nicht zu sehr vom Thema abkommen, aber ich möchte zu bedenken geben, dass Fifty Shades of Grey mehr ist als nur ein zeitweiser Kitzel, der uns eine Minute lang schockiert und bei dem wir es dann bewenden lassen. Niemand lässt es dabei bewenden. Das ist der Punkt.


    Willa: Es tut mir leid, Joie! Ich möchte Fifty Shades nicht herabsetzen. Ich weiß absolut gar nichts über das alles, nichts außer dem, was du mir erzählt hast.


    Joie: Nun, interessanterweise ist es so sehr ein Teil unserer kulturellen Erfahrung geworden wie Michael Jacksons Thriller. Und so sehr wie Thriller dabei half damals in den frühen 1980ern die Plattenindustrie zu revolutionieren, hilft Fifty Shades of Grey dabei dasselbe für das Verlagsgewerbe zu tun. Wenigstens für die Romansparte.


    Es gibt Millionen Frauen da draußen, die zum ersten Mal in ihrem Leben angefangen haben zu schreiben, alles wegen der Faszination über E.L. James' kitzelnde, kleine Geschichte. Der Begriff Fan Fiction ist zu einem Alltagsbegriff geworden. Und Hunderte dieser Frauen haben mit etwas Neuem begonnen und nutzen das Schreiben von Fan Fictions als Sprungbrett, um ihre eigenen erfundenen Originalwerke zu schreiben und selbst zu veröffentlichen. Dies ist wegen der Vertriebsmöglichkeit über Amazon oder Book Baby, die die Selbstveröffentlichung so einfach und zugänglich macht, gerade eine aufregende Zeit für Schreiber von Fan Fictions.


    Aber es sind die Schreibenden, die Erfolg über unkonventionelle Wege gefunden haben - wie Ms. James und ihre kitzelnde Lektüre, die als Fan Fiction begonnen hat - die die Vorstellungskraft der Leser befeuern und sie inspirieren, sich selbst daran zu versuchen etwas zu erschaffen. Ganz wie B.B. King und sein Einfluss auf eine ganze Generation von Blues- und Rockgitarristen. Ich denke, das zählt als "ein Erdbeben, das permanent die Landschaft verändert, das für immer verändert, wie wir unsere Welt erleben".


    Willa: Du könntest Recht haben. Es ist beeindruckend, dass sie so viele andere Frauen inspiriert hat zu schreiben.


    Joie: Wie ich schon sagte, es ist ein interessantes Thema, aber um auf unsere Unterhaltung über Say Say Say zurückzukommen, das Argument, das ich rüberbringen wollte ist, dass ich glaube, dass Kunst viele verschiedene Dinge für viele verschiedene Menschen sein kann. Und für mich persönlich ist die bedeutendste Funktion von Kunst, dass sie Freude und Inspiration und Trost vermittelt. Sie lässt mich glücklich fühlen, sie richtet mich wieder auf, wenn ich einen schweren Tag hatte, sie besänftigt mich, wenn ich niedergeschlagen bin. Mir ist die politische Botschaft dahinter egal und auch, welche soziale Ungerechtigkeit der Künstler anzusprechen versucht hat, als er es kreierte. Mein einziges Anliegen ist, wie es mich in dem Moment fühlen lässt. Das ist eine sehr reale Funktion von Kunst. Aber ich habe nicht gesagt, dass es die wichtigste Funktion ist. Ich sagte, es ist die wichtigste Funktion für mich.


    Willa: Ich denke, ich verstehe, was du sagst, Joie, und ich stimme dir darin zu, dass die Verbindung mit einem Publikum wirklich wichtig ist. Es spielt keine Rolle, wie innovativ ein Werk ist - wenn sich niemand darum kümmert, wird es nicht überleben. Und ich denke, Michael Jackson selbst würde dir ebenfalls zustimmen. Gefragt, was ein gutes Musikvideo ausmacht, war seine erste Reaktion, dass "es vollkommen unterhaltend sein muss". Also hoffe ich, dass es nicht so geklungen hat, als würde mich das nicht kümmern oder ich würde denken, dass es nicht wichtig sei. Michael Jacksons Musik und Filme bewegen mich mehr als ich ausdrücken kann und sie würden mich nicht annähernd so interessieren, wenn sie es nicht täten.


    Aber manche Künstler tun mehr als uns zu bewegen oder uns zu beruhigen und zu erreichen, dass wir uns besser fühlen. Manche verändern tatsächlich die Kunstströmung und schicken den Fluss in eine neue Richtung, und sie bringen uns dazu auf eine neue Art über Kunst nachzudenken - wie wir Kunst definieren und erfahren. Und ich denke, Michael Jackson war einer dieser seltenen Menschen. Er verschob ständig die Grenzen von Kunst, hinterfragte die Rolle des Künstlers und der Kunst selbst. Das entwickelte sich in vollem Umfang in seinem späteren Werk, aber es ist interessant für mich, dass wir Elemente davon ebenso in seinen frühen Werken sehen können.


    Zum Beispiel beginnt Say Say Say mit Mac und Jack als fahrende Musikanten, wie wir bereits vorher erwähnt haben - einer Tradition, die Hunderte, wenn nicht Tausende von Jahren zurückreicht. Später dann sehen wir sie bei einer Vaudeville Show, wie du sagtest, Joie. Das ist eine Tradition, die sehr problembehaftet für schwarze Künstler ist, weil das Auftreten als Blackface (schwarz geschminkte weiße Darsteller) ein so wesentlicher Teil des Vaudeville war. Also ist es bedeutungsvoll, denke ich, dass sie ihre Gesichter während dieses Abschnitts schminken - nicht als Blackface, sondern als weinende Clownsgesichter. Und dann beschwören sie auch subtil Filmmusicals herauf, denn, während der Vaudeville Show beleben sie irgendwie die Nummer Fit as a Fiddle aus Singing in the Rain wieder, wie Nina in einem Kommentar letztes Jahr herausgefunden hat. Hier ist ein Clip von Fit as a Fiddle.

    -Badf0ctYQo
    Say Say Say ist also ein sehr amüsantes und unterhaltendes Video - und ich bestreite das in keiner Weise oder denke auch nicht, dass es nicht wichtig wäre - aber es ist mehr als das. Es nimmt uns auf raffinierte Weise auch mit auf eine Tour durch die Tradition der Musikperformances oder Musiktheater - von reisenden Musikanten über die Vaudeville-Bühne bis zu Hollywood Musicals - und es feiert diese Tradition wie es sie auch hinterfragt, denke ich.


    Joie: Das ist eine interessante Ansicht, Willa. Und sie lässt mich fragen, wie weit man damit hätte gehen können, verstehst du? Wie du sagst, sie nehmen uns auf raffinierte Weise mit auf eine Tour durch die Tradition der Musikperformances oder Musiktheater - und ich frage mich, wie dieses Video hätte aussehen können, wenn sie nicht an einem bestimmten Punkt aufgehört, sondern die Geschichtsstunde bis in die Gegenwart fortgeführt hätten. Von fahrenden Musikanten und Hollywood Musicals bis hin zu den Konzerttouren von heute. Nun, das wäre interessant gewesen!

    :herz: :herz: :herz:

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  • Zu "Fit as a Fiddler":


    Ich bin mal wieder fasziniert. Michael hatte schon definitiv ein Faible für Leute, die es technisch und choreographisch 1A drauf hatten und sich dabei gern zum absoluten Voll-Horst Marke treudoofer Blödi-Typ machten. :ablach: Nächste Frage: Wieso steh ich so drauf? :hmmm:

    :herz: Michael Jackson - forever the King of Pop. A genre of music. Mainly, a beautiful human being. :herz:
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  • Perfektion und Humor :michael3:


    Ich glaube, das ist ein ganz traditioneller Teil amerikanischen Entertainments und ich denke auch eine direkte Weiterentwicklung des Vaudeville (=african-american). Da Michael ja, wie wir wissen, ein absoluter Fan von Slapstick war (Three Stooges) und dies quasi „vertonter Slapstick“ ist, denke ich, dass ihn diese Mischung aus (Über-sich-selbst-) lachen-können und technischer Perfektion, die die Illusion erzeugt, als wäre alles ganz einfach, gefesselt hat. Sein großes Vorbild Fred Astaire war sozusagen auf diese Art Filme abonniert. Ein bisschen ist dies für mich vergleichbar mit dem Clown im Zirkus. Und Singin‘ in the Rain gilt ja quasi als der Prototyp der Slapstick Comedy, und in Fit as a Fiddle ist alles enthalten: Musik mit Instrumenten (Fiddle), Gesang, Stepptanz, “Stunts” und das alles perfekt synchron. In diesem Artikel über Singin‘ in the Rain ( http://cinemaviewers.wordpress…-as-musical-comedy-genre/ ) werden die einzelnen Songs beleuchtet und auch bestätigt, dass diese Filme eine direkte Weiterentwicklung der Vaudeville-Darstellung sind und dass in diesem Film zahlreiche Genre (Musical, Vaudeville, Slapstick, Comedy, als subgenre Theatrical Musical, Romantic Comedy, Screwball Comedy) vereint sind.


    In den 60er bis 80er Jahren kamen auch bei uns am Wochenende noch regelmäßig diese Art amerikanische Musicalfilme. Und es gab ja im Grunde nur zwei Fernsehprogramme, auf denen sie gezeigt werden konnten. Man konnte dem kaum ausweichen. Ich bin mit dieser Art Filme auch aufgewachsen und ich habe sie geliebt. Und für mich als Kind waren solche Nummern wie Fit as a Fiddle die absoluten Höhepunkte dieser Filme (der Rest ist für Kinder ja eher langweilig). Und Michael ist mit diesen Filmen erst recht aufgewachsen, und er hat das alles sicherlich wie ein Schwamm aufgesogen und konnte diese Eindrücke direkt in das, was er jeden Tag tat, einfließen lassen. :Tova:

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  • Ich bin mit dieser Art Filme auch aufgewachsen und ich habe sie geliebt. Und für mich als Kind waren solche Nummern wie Fit as a Fiddle die absoluten Höhepunkte dieser Filme (der Rest ist für Kinder ja eher langweilig).


    Damit wäre ich auch gern groß geworden. Was du sagst, kann ich mir lebhaft vorstellen. Jedenfalls weiß ich jetzt gleich wieder, wieso ich auf DICH stehe...:drück:

    :herz: Michael Jackson - forever the King of Pop. A genre of music. Mainly, a beautiful human being. :herz:
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  • Es gibt seit kurzem auch eine wissenschaftliche Arbeit, die sich mit der Tradition und Geschichte von Minstrel, auch und vor allem im Zusammenhang mit Michael und seiner Zeit, befasst. Das Buch gibt es bei Amazon, es ist allerdings sehr (leider) sehr teuer. Schade ...



    http://www.amazon.de/Michael-J…ate-Popular/dp/1409455106


    Blackface minstrelsy, the nineteenth-century performance practice in which ideas and images of blackness were constructed and theatricalized by and for whites, continues to permeate contemporary popular music and its audience. Harriet J. Manning argues that this legacy is nowhere more evident than with Michael Jackson in whom minstrelsy's gestures and tropes are embedded. During the nineteenth century, blackface minstrelsy held together a multitude of meanings and when black entertainers took to the stage this complexity was compounded: minstrelsy became an arena in which black stereotypes were at once enforced and critiqued. This body of contradiction behind the blackface mask provides an effective approach to try and understand Jackson, a cultural figure about whom more questions than answers have been generated. Symbolized by his own whiteface mask, Jackson was at once 'raced' and raceless and this ambiguity allowed him to serve a whole host of others' needs - a function of the mask that has run long and deep through its tortuous history. Indeed, Manning argues that minstrelsy's assumptions and uses have been fundamental to the troubles and controversies with which Jackson was beset.


    "Schnellschuss"-Übersetzung (ohne Garantie):

    Blackface Minstrel, die Darstellungen des neunzehnten Jahrhunderts, in denen Vorstellungen und Bilder des Schwarzseins durch und für Weiße konstruiert und theatralisiert wurden, zieht sich weiter durch die zeitgenössische populäre Musik und ihr Publikum. Harriet J. Manning behauptet, dass dieses Erbe nirgendwo offensichtlicher ist als bei Michael Jackson, in dem minstrel-artige Gesten und visueller Ausdruck verwurzelt sind. Während des neunzehnten Jahrhunderts wurden im Blackface Minstrel eine Vielzahl von Bedeutungen zusammengefasst, und als schwarze Entertainer ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückten, vermischte sich diese Vielschichtigkeit: Minstrel wurde zu einem Schauplatz, auf dem schwarze Stereotypen gleichzeitig erzwungen und kritisiert wurden. Diese Widersprüchlichkeit hinter der Blackface Maske stellt eine wirkungsvolle Herangehensweise bereit, um es mit Jackson aufzunehmen und ihn zu verstehen, eine kulturelle Figur, über die mehr Fragen als Antworten aufgeworfen wurden. Symbolisiert durch sein eigenes weißes Gesicht wurde Jackson einst ‚rassengehetzt‘ / (raced) und war doch rassenlos und diese Zweideutigkeit erlaubte ihm jede Menge Bedürfnisse anderer zu bedienen – eine Funktion der Maske, die einen langen und tiefen Weg in ihrer verworrenen Geschichte zurückgelegt hat. Allerdings wendet Manning ein, dass die Annahmen und die Nutzung des Minstrel fundamental für die Schwierigkeiten und Kontroversen waren, von denen Jackson heimgesucht wurde.

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  • The King of Pop and the Pope of Pop - Sept. 26


    Willa: Vor ein paar Wochen schickte uns unsere Freundin Lisha McDuff einen Link zu einer Dokumentation über den grössten Pop Star seiner Zeit und sie faszinierte mich sehr – besonders die Art, auf die er Kunst neu definierte, in dem er Bereiche mit einbezog, die wir nicht typischer Weise als Kunst betrachten, wie seinen Ruhm, seine öffentliche Person, seine Sprechstimme und sogar sein Gesicht.
    Obwohl er, wie die Dokumentation zeigte, in gewisser Weise dazu gezwungen war, sein Gesicht zum Teil seiner Kunst zu machen, weil er an einer Auto-Immun Krankheit litt, welche die Pigmenttierung seiner Haut betraf. In der Dokumentation gibt es Fotos, die große, weisse Flecken auf seinen Wangen und seinem Hals zeigen, wo die Pigmentation zerstört wurde. Menschen, die ihn später in seinem Leben kannten sagten, seine Haut war unnatürlich weiß und er hätte teilweise Makeup benutzt, die sie noch weisser machte.
    Er war auch sehr befangen wegen seiner Nase – er dachte, sie sei zu „knollig“ - und er hatte sicherlich plastische Operationen, um sie kleiner und dünner zu machen. Er war auch dafür bekannt, unmögliche Perücken zu tragen, die er absichtlich selbst verunstaltete, in dem er sie vorne mit Scheren bearbeitete und das Unterhaar in dunklem braun färbte, während er das Deckhaar in einem silber-blond beließ.


    Natürlich spreche ich vom Papst des Pop, Andy Warhol – einem Künstler, den Michael Jackson mehrmals traf und dem er in seinem Video Scream die Ehre erweist. Lisha, ich danke dir, für das Teilen dieser Dokumentation „Andy Warhol: The Complete Picture“ und dafür, dass du mit mir darüber sprichst.


    Lisha: Es ist ein Privileg wieder mit dir zu sprechen, Willa, besonders über die Verbindungen zwischen Andy Warhol und Michael Jackson. Seitdem ich dein Buch gelesen habe und deine brillante Analyse zu dem Selbstportrait Andy Warhols in Scream, faszinierte mich die Verbindung der beiden und die Art, wie beide Künstler die Grenzen der Kunst herausforderten und neu definierten. In deinem Buch schriebst du:


    "Während Warhol uns zwang, Campbell-Suppendosen anzusehen und unser Verhältnis mit der Konsum-Kultur neu zu überdenken, zwang uns Jackson, ihn anzusehen – den kleinen Jungen, den wir seit der Kindheit liebten und der zu etwas unerwartetem heranwuchs – und unsere Annahmen bezüglich Identität und Rasse, Geschlecht und Sexualität zu überdenken."

    Besonders interessant ist das, wenn man mit einbezieht, wie Michael Jackson sich selbst schon früh in seinem Leben als ein „Markenprodukt“ verstanden haben muss; er entwickelte eine Star-Persönlichkeit schon in sehr jungen Jahren.


    Willa: Das ist ein gutes Argument, Lisha. Motown produzierte nicht nur Musik sondern präperierte seine Künstler sorgfältig, sie unterrichteten sie im Sprechen, Etikette, Mode, Verhalten – wie man in der Öffentlichkeit isst und trinkt, wie man geht und spricht, wie man Interviews gibt, auf eine Art, die einem Crossover-Publikum eine ansprechende Persönlichkeit präsentierte. Und für Michael Jackson begannen diese Lehrstunden in einem jungen Alter, als er gerade 10 Jahre alt war.


    Lisha: Ich habe mich oft gefragt, wie das sein musste – zu lernen, eine öffentliche Person zu erschaffen, die sogar jünger war, wie sein wirkliches Alter. Und wie war es für ihn, diese Star-Persönlichkeit jeden Sonntag im Fernsehen als Cartooncharakter anzusehen? Es gibt nur wenige Menschen auf der Welt, die das nachempfinden können - ein Gefühl für sich selbst zu entwickeln, während man zur gleichen Zeit lernt, eine öffentliche Person zu gestalten.
    Ich habe nie bemerkt, wieviele auffallende Ähnlichkeiten es im Leben von Andy Warhol und Michael Jackson gibt, bis ich diese Dokumentation sah. Ich erkannte, dass beide Männer in Stahl-Städten aufwuchsen, Pittsburgh und Gary, weil ihre Väter Stahlarbeiter waren. Sie wurden als Heranwachsende wegen ihrer Nase gehänselt und sie litten an einer Krankheit, die die Pigmentation ihrer Haut zerstörte und frühzeitigen Haarausfall verursachte. Sie wurden scheu und zurückhaltend. Und als Erwachsene reagierten beide Männer auf eine so unerwartete und unbändig einfallsreiche Art, die die Aufmerksamkeit des Publikums seitdem gefesselt hat – durch das Erschaffen einer Überlebensgroßen-Star-Persönlichkeit – durch Brillen, Perücken, heller Haut und einer neugeformten Nase. Man kann problemlos behaupten, dass die größten Kunstwerke von Andy Warhol und Michael Jackson Andy Warhol und Michael Jackson sind.


    Willa: Ich stimme zu, Lisha. Wenn wir an Kunst denken, dann denken wir normalerweise an Musik, Tanz, Malerei, Dichtung/Romane, Dramen, Poesie, Bildhauerei, Film und all die anderen leicht erkennbaren Genres des künstlerischen Ausdrucks. Aber Andy Warhol und Michael Jackson haben nicht nur unbeschreibliche Kunstwerke geschaffen - sie haben auch unsere Definition von Kunst in Frage gestellt. Und vielleicht wurde ihr wichtigstes und experimentellstes Werk noch nicht einmal als Kunst erkannt, und das ist ihre innovative Arbeit mit der Kunst des Prominenten und den Massenmedien, worin auch die Erschaffung einer öffentlichen Person enthalten ist, die, wie du sagst, die allgemeinen Vorstellungen hinterfragt und neu definiert.
    Und das Interesse an Ruhm/Prominenz scheint bei beiden in jungem Alter begonnen zu haben. Warhol wurde besessen von Prominenten und begann ein Album mit Photos und Autogrammen zu gestalten, als er noch in der Grundschule war. Einer seiner wertvollen Schätze war ein signiertes Foto von Shirley Temple, gezeichnet mit: „An Andrew Warhola“. Und Michael Jackson war später ebenfalls von Shirley Temple fasziniert, obwohl es bei ihm nicht nur Bewunderung war. Weil sie ein Kinderstar war und unter einigen der Erfahrungen gelitten hatte, die auch er kannte, identifizierte er sich mit ihr und schien mit ihr eine tiefe Verbindung zu spüren. Später wurden sie Freunde und er beschreibt ihre erste Begegnung sehr emotional – wie zwei Überlebende, die sich nach einer Tragödie wiederfinden.


    In der Warhol Dokumentation geht es etwa in der achten Minute um das Prominenten Album mit dem Shirley Temple Foto. Hier ist ein link zu der Dokumentation. An manchen Stellen ist sie etwas „pikant“ - weshalb Leute mit Kindern sie vielleicht nicht ansehen sollten, wenn sie im Zimmer sind:



    Die Diskussion über Warhols Gesicht und sein öffentliches Image – besonders sein visuelles Image – beginnt etwa nach 12 Minuten, und dann wird das Thema nach etwa einer Stunde noch einmal aufgegriffen. Ein kleiner Leckerbissen: Es gibt ein Bild von Michael Jackson von Warhols Interview Magazine bei 1:13:20


    Lisha: Shirley Temples Einfluss auf diese beiden Künstler ist für mich erstaunlich. In Victor Bokris Biografie von Andy Warhol beschreibt er, wie sehr Warhol Shirley Temple vergötterte. Sie inspirierte seine grundsätzliche Lebensphilosophie: „Arbeite ständig, mach' es zu einem Spiel, und behalte deinen Sinn für Humor.“ Warhol nahm sogar Tanzunterricht um ihr nachzueifern, und es war eine Referenz an Shirley Temple als er bekannterweise sagte: „Ich wollte nie ein Maler sein; Ich wollte ein Stepptänzer sein.“


    Willa: Das ist sehr interessant, Lisha. Ich kannte das Zitat schon, aber ich dachte, er macht Witze!


    Lisha: Laut seinem Neffen, James Warhola, behielt Warhol im privaten diesen kindlichen Spirit sein ganzes Leben lang. Warhola schrieb ein Kinderbuch mit dem Namen „Uncle Andy's“, in dem Warhols Zuhause als ein gigantischer Freizeitpark voller Karussell-Pferde, Antiquitäten und allen möglichen hübschen Kunstwerken beschrieben wird. Für mich hört sich das sehr nach Neverland an!


    Willa: Wirklich, nicht wahr?


    Lisha: Ich denke, man kann wohl sagen, dass Shirley Temple und dieser kindgleiche-Spirit Einfluss darauf hatten, wie diese beiden Künstler Ruhm/Prominenz auch sahen. Wie Crispin Glover in der Dokumentation sagt: „Es gibt ein paar wenige Menschen in der Geschichte, für die du nur ein paar Dinge zusammenfügen musst, und du erkennst die Person, wie Abraham Lincoln, Teddy Roosevelt oder Groucho Marx.“ Man weiß schnell, was er damit meint. Zylinder und Bart = Lincoln. Nasenzwicker-Brille und Schnurrbart = Roosevelt. Schnurrbart, Nickelbrille und Zigarre = Groucho. Bei Andy Warhol und Michael Jackson funktioniert es definitiv genauso.


    Bei Andy Warhol denkst du sofort an die helle Haut und die silbrigen Perücken. Matt Wribican, ein Kurator des Andy Warhol Museums in Pittsburgh, sagte, dass die Perücken etwas waren, was Warhol ausdrücklich als Kunst betrachtete, und er rahmte aus dem Grund tatsächlich einige davon ein. Ultra Violet, ein Warhol “Superstar“ aus der The Factory-Zeit, beschreibt, wie Warhol durch seine Kunst eine neue Mythologie erschuf – die Mythologie von Hollywood und dem Amerikanischen Traum. Wohlstand, Glamour und Prominenz sind ein grosser Teil der Kunst Warhols, und seine eigene Prominenten-Rolle kann als Erweiterung davon definiert werden.
    Bei Michael Jackson denken wir an die beispiellose Bekanntheit, die Haare und Sonnenbrillen; den Glitzerhandschuh und die Fedora, die bezeichnenden Tanzschritte, das „hee-hee“ und „aeow“! Das ist jedenfalls das klischeehafte Popstar-Image von Michael Jackson.

    2 Mal editiert, zuletzt von maja5809 ()

  • Willa: Das stimmt und es ist interessant darüber nachzudenken, wie diese Symbole funktionieren, und wie kraftvoll sie sind. Zum Beispiel wollte mein Sohn sich vor 5 Jahren für Halloween als Michael Jackson verkleiden. Er zog also einen schwarzen Fedora an, eine schwarze Jacke und Hose und weiße Socken. Ich schlug vor, er solle auch seine Haare schwarz machen, aber er sagte nein, das sei nicht nötig - und er hatte Recht. Mein Sohn lief durchs Viertel als ein blonder, blauäugiger Michael Jackson, und jeder wusste sofort, wer er war. Er musste nicht wie Michael Jackson aussehen – er musste nur in diese Ikonografie schlüpfen, die Michael Jackson für sich erschaffen hatte. Diese Symbole blendeten alles andere völlig aus, meine Nachbarn sahen einen kleinen, blonden Jungen an und dachten sofort „Michael Jackson“. Und mein Sohn verstand das mit seinen 12 Jahren wohl tatsächlich besser als ich.


    Lisha: Ist es nicht interessant, dass das bei allen Altersklassen, Rassen und Ethnien, als auch bei Jungen und Mädchen gleichermassen funktioniert? Solange du eine Kombination diese Symbole benutzt, wird es sofort erkennbar. Und bedenke auch, es gibt ja nicht nur eine Gruppierung von Symbolen, die Michael Jackson identifiziert. Ein Retro-1980-Club in meiner Nachbarschaft lud Leute ein, als Michael Jackson verkleidet zu kommen. Stell dir die vielen Möglichkeiten vor!


    Willa: Das ist fantastisch! Und du hast Recht – es gibt für die verschiedenen Dekaden eine unterschiedliche Symbologie. Eine rote Lederjacke erweckt eine andere Ära, als ein weißes T-Shirt und schwarze Hosen.


    Lisha: Ja, das gilt für unterschiedliche Ären und auch für unterschiedliche Charaktere und Lieder. Es gibt einfach so viele davon: die Armbinde, die Operationsmaske, die ins Gesicht fallenden Haare, die glitzernden Military-Jacken, die Armschiene, die Glitzersocken und die schwarzen Loafers... Symbole die auf Michael Jackson und die gesamte „Michael Jackson“ Mythologie verweisen. Z.B. die rote Lederjacke in Thriller oder Beat it, und der weiße Anzug und Hut in Smooth Criminal, sind Symbole, die nur für diesen besonderen Film oder Song gedacht waren, aber sie wurden so untrennbar mit der Musik verbunden, dass es nötig war, sie auch in den Live-Auftritten zu verwenden. Diese Symbole helfen dabei, die Charaktere zu formen, die die gesamte „Michael Jackson“ Mythologie ausmachen.
    Ich erinnere mich an ein Interview mit David Nordahl, einem der Portraitmaler Michael Jacksons, der über den Gegensatz von Michael Jackson und „Michael Jackson“, dem Prominenten sprach. Jackson mochte es nicht, für Portraits zu sitzen, also malte Nordahl nach Fotografien. Ob du es glaubst oder nicht, er sagte, es war schwierig ein gutes Foto von Michael Jackson zu bekommen, es sei denn er „war Michael“. Aus Sicht eines Künstlers waren Michael Jackson und „Michael Jackson“ also sogar unterschiedlich zu fotografieren.


    Willa: Wow, Lisha, das ist faszinierend! Und ich glaube genau zu wissen, worüber Nordahl spricht. Ich habe tausende Fotos von Michael angesehen, darunter viele ungestellte, und es stimmt – du kannst wirklich sagen, wann er „Michael“ ist, und wann nicht. Es ist, als ob er eine Pose einnimmt, ein Licht einschaltet und transformiert. Es ist schwer, exakt zu sagen, was genau es ist, was Michael Jackson von „Michael Jackson“ unterscheidet, aber ganz sicher fühlst du es, wenn du es siehst.


    Lisha: Zum Großteil ist es so, dass alle Stars eine sorgfälltig konstruierte Persönlichkeit und Masken benutzen, um ein öffentliches Image zu erschaffen. Die Musik- und- Filmindustrie studiert diese Images sehr sorgfältig, weil das Star-System entscheidend für die Vermarktung ihrer Produkte ist. Aber im Fall von Michael Jackson denke ich, dass noch viel mehr dahinter steckt. Gab es jemals eine Star-Persönlichkeit, die so komplex war und sich so radikal veränderte, wie die von Michael Jackson? Ich denke, hier ist ein sehr enstzunehmender Künstler am Werk, der wie Warhol, nicht mit Ruhm/Berühmtheit, den Massenmedien oder Kommerz auf Kriegsfuß steht. Vielmehr glaube ich, dass er es sowohl als Kunst, wie auch als System ansah, die Kunst zu verbreiten.


    Willa: Ich weiß nicht, Lisha. Ich verstehe, was du sagst, und stimme dir voll und ganz zu, dass er ein sehr raffinierter Choreograf von Berühmtheit/Ruhm und den Medien war, sowohl als Mittel, seine Kunst zu vebreiten, als auch als Element seiner Kunst. Auf gewisse Weise wurden die Masenmedien Teil der Palette zur Erschaffung seiner Kunst, und das halte ich für wichtig und revoulutionär. Auf diese Idee möchte ich gerne heute während unseres Gesprächs noch näher eingehen.
    Aber gleichzeitig denke ich, dass es Zeiten gab, wo er mit den Massenmedien auf Kriegsfuß stand. Du weißt, dass Warhol dachte, jede Art von Publicity sei gut. Egal, ob die Medien dich loben oder kritisieren, alles war gut, solange sie nur überhaupt von dir sprachen. Er sagte es so: „Achte nicht darauf, WAS sie über dich schreiben. Messe es einfach nur in Zentimetern.“
    Aber ich denke, bei Michael Jackson war das komplizierter, teils wegen seinen Erfahrungen mit rassistischen Vorurteilen oder anderen vorgefassten Meinungen, teils wegen den Belästigungs-Skandalen, und teils wegen einigen beängstigenden Erfahrungen mit unkontrollierbaren Menschenmengen als Kind. Ich denke, diese Erfahrungen verschafften ihm ein tiefes Bewusstsein – vielleicht sogar eine Furcht – für Massenhysterie und dieser Mob-Mentalität, die manchmal überhand nimmt. Und wenn die Medien dich auf eine Art portraitieren, die völlig konträr ist zu deinen tiefsten Überzeugungen, und auf eine Art, die einer auf Ignoranz und Vorurteilen basierenden Massenhysterie Nahrung gibt, dann wird er Warhol stark widersprechen.


    Lisha: Ich muss sagen, da sprichst du ein paar wichtige Punkte an. Und es besteht kein Zweifel daran, dass es eine sehr komplizierte Situation ist, ein gefeierter und einflussreicher junger Schwarzer zu sein, der die Entertainment Industrie dominiert; das bringt alle Arten von Ignoranz und Vorurteilen hervor.


    Willa: Genau, und das sind Komplikationen mit denen Warhol nie konfrontiert wurde, die er nicht einmal in Betracht ziehen musste.


    Lisha: Aber war Warhol nicht auch in seinem Leben vielen Vorurteilen ausgesetzt? Zu der Zeit, als die weiße, männliche, heterosexuelle Kunstwelt sein Aussehen, seine Sexualität und seinen Erfolg als kommerzieller Künstler missbilligte?


    Willa: Ja, das ist ein guter Punkt, Lisha. Warhol war dem Widerstand und den Vorurteilen der „weissen, männlichen, heterosexuellen Kunstwelt“ ausgesetzt – und diese Welt war ganz schön macho und homophob, besonders in den 1950ern, als er anfing. Ich meine, ich dachte an ihre öffentliche Person, besonders an ihre Gesichter als provokative Form von Kunst. Warhol veränderte die Form seiner Nase, hellte seine Haut auf (zum Teil, um seine Hautton wegen dem Pigmentverlust auszugleichen), trug Perücken – und dieses öffentliche Gesicht stellte gesellschaftliche Normen in Frage und wurde ein wichtiger Teil seiner Kunst, wie wir schon zuvor sagten. Aber es löste nicht einen solchen Feuersturm aus, der losbrach, als Michael Jackson genau das gleiche tat.
    Die Farbe deiner Haut, die Form deiner Nase und die Farbe und Beschaffenheit deiner Haare, dienen alle als Zeichen deiner Rasse, als Michael sich traute, diese Zeichen zu verändern, betrat er damit ein kulturelles Niemandsland. Das war bei Warhol einfach kein Thema – und das meinte ich mit „Komplikationen mit denen Warhol nie konfrontiert wurde, die er nicht einmal in Betracht ziehen musste.“ Das sich verändernde Aussehen Warhols wurde bemerkt und kommentiert, aber es setzte keine Welle von Anfeindungen in Gang, wie sie das veränderte Aussehen Michael Jacksons auslöste, mit Beschuldigungen, er hasse oder verrate seine Rasse, oder würde unverschämter Weise versuchen „weiß“ zu sein.


    Lisha: Ich denke, genau so ist es. Die Reaktionen auf das Aussehen Jacksons unterschieden sich sehr von denen, die je über die gleichen Veränderungen bei Warhol gemacht wurden, und sie erzeugten sehr viel Anfeindungen in Richtung Jackson. Und trotzdem frage ich mich, ob Michael Jackson wirklich mit Ruhm/Berühmtheit und den Medien ganz allgemein auf Kriegsfuß stand, oder versuchte er, Fehler in diesem System zu korrigieren?


    Willa: Exzellente Frage...


    Lisha: Ich denke, Michael Jackson war, wie auch Warhol, an Kontroversen im Stil von P.T.Barnum interessiert, aber dabei gibt es ein Element, was sich der Kontrolle des Prominenten entzieht. Eine falsche Beschuldigung, ein fiktiver Skandal oder unfaires Vorurteil kann alles ruinieren, wofür der Künstler sein ganzes Leben lang gearbeitet hat, ohne dass es ihr Fehler ist. Wir wissen, dass die Mob-Mentalität etwas sehr reales ist. Persönlich bin ich sehr stolz auf die Fans von Michael Jackson, die die Medien immer weiter herausfordern und einige der verheerenden Konsequenzen ans Licht bringen, die durch das Zusammenwirken von Profit, News, und Unterhaltung entstanden. Ich denke, Michael Jackson wollte mit dem Star-System kooperieren und es nutzen, um gute Dinge zu tun, aber er zögerte nicht zu zeigen, wo die Dinge gefährlich falsch laufen, was wiederum zum Teil seiner Kunst wurde.

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  • Willa: Ich erkenne, was du sagen willst, Lisha, und ich denke, das ist eine ausgezeichnete Art, es zu umrahmen: dass er die Promimedien auf der einen Seite genutzt, sie aber auf andere Art kritisiert hat und sie im Grunde nutzte, um sie selbst zu kritisieren. Und ich stimme zu, dass Andy Warhol und Michael Jackson beide ihre Berühmtheit auf neue und faszinierende Art besetzten und choreografierten – auf eine Art, die andeutete, dass ihre Berühmtheit selbst ein wichtiger Teil ihrer Kunst war – und ich möchte noch mal auf das zurückkommen, was du vorher gesagt hast über David Nordahl und die Unterscheidung, die er gemacht hat und die andere genauso gemacht haben zwischen Michael Jackson und „Michael Jackson“.


    Zum Beispiel werde ich dadurch an etwas erinnert, das Bruce Swedien in seinem Buch In the Studio with Michael Jackson erwähnt. Er arbeitete 30 Jahre lang mit Michael Jackson und er und seine Frau Bea kannten ihn wirklich sehr gut - also die Seite des "sanftmütigen Studioarbeiters". Aber dann betrat er die Bühne, verwandelte sich in "Michael Jackson" und haute sie einfach um. Swedien sagt: "Bea und ich sind mit Michael zu seinen Konzerten gereist, um die ganze Welt, (und) oft haben wir gedacht, dass wir ihn gar nicht kennen, Michael Jackson, den Performer, diese erstaunliche Person auf der Bühne." Sie waren wie zwei vollkommen verschiedene Wesen.


    Lisha: Die Leute, die das sahen, sagen, dass es wahrlich erstaunlich war. In My Friend Michael erinnert sich Frank Cascio liebevoll daran, wie er zu seinem ersten Michael Jackson Konzert ging, wie er tatsächlich seinen Vater fragen musste: "Ist das derselbe Michael Jackson, der zu uns nach Hause kommt?" Die Verwandlung auf der Bühne war so vollkommen.


    Willa: Oh, ich stelle mir vor, wie frappierend es gewesen sein muss! Und dann, natürlich, gibt es noch den "Michael Jackson", der in den Medien existierte, und das ist wiederum eine vollkommen andere Person. Und auf gewisse Art ist es die Interessanteste von allen, weil es solch eine bewusste Erschaffung ist. Wie du schon vorher erwähnt hast, Lisha, ist es weit mehr als der Öffentlichkeit ein positives Image zu präsentieren. Stattdessen scheint er die Engstirnigkeit gegenüber Identität zu untersuchen und damit die Art und Weise zu hinterfragen, wie wir Identität "lesen", basierend auf physischen Merkmalen, ganz besonders Merkmalen bezüglich der Rasse und Geschlechterzuordnung. Das ist etwas, was wir in einem gewissen Maß ebenso bei Andy Warhol erkennen können, wie auf den Fotos in der Dokumentation, in denen er Lippenstift und Lidschatten trägt und so Kennzeichen für sich annimmt, die normalerweise mit Frauen assoziiert werden, obwohl er immer noch eindeutig ein Mann ist. Hier ist ein Bild:



    Lisa: Das hinterfragt ganz sicher die Vorstellungen der weißen, männlichen, heterosexuellen Kunstwelt hinsichtlich der Tatsache, wer als ein großer Künstler verehrt werden kann, nicht wahr?


    Willa: Das tut es. Was aber vielleicht unsere Identität am meisten von allem definiert ist unsere Stimme, und Warhol hatte sogar eine separate öffentliche und eine private Sprechstimme - etwas, das auch über Michael Jackson regelmäßig gesagt wurde. Ich war sehr überrascht Warhols Stimme zu hören, mit der er am Telefon zu seinem Bruder sprach (etwa bei 1 1/2 Std. in der Doku), weil sie sich so sehr von der langsamen, banalen öffentlichen Stimme unterscheidet, die wir zu hören gewohnt sind.


    Wir wissen nicht viel über Warhol, den Menschen hinter der öffentlichen Person - er ist eine geheimnisvolle Figur, die wir, die Öffentlichkeit, selten zu sehen bekamen. Er war ein gläubiger Katholik, der jede Woche die Messe besuchte, ein schüchterner Workaholic und ein innovativer Künstler, der sich vollkommen seiner Kunst verschrieben hatte. Aber sein Image in der Öffentlichkeit ist ganz anders: grob materialistisch, oberflächlich, ironisch, keine Gefühle zeigend, gleichgültig - ein Beobachter, der durch das Studio schlenderte und andere dabei beobachtete, wie sie für ihn arbeiteten. In einigen Interviews sagte er, dass er nicht mehr daran beteiligt sei, seine Kunst zu erschaffen und dass er nicht sicher sei, wer das tue - vielleicht seine Mutter, vielleicht die Putzfrau. Das ist eine erfundene Geschichte, natürlich, aber das ist das Image, das Warhol ganz bewusst für sich selbst erschuf.


    Und dann brachte Michael Jackson dies auf eine gänzlich neue Ebene …


    Lisa: Sorry, aber ich brauche eine Minute, um mich von der Vorstellung zu erholen, wie Andy Warhol der Presse erzählt, dass er nicht sicher sei, wer all diese Kunstwerke erschaffe, vielleicht seine Mutter oder die Putzfrau. Das ist das absolut Lustigste, das ich je gehört habe!


    Willa: Ist das nicht saukomisch? Er war wirklich sehr lustig …


    Lisa: Obwohl ich gehört habe, dass Mrs. Warhola wirklich einige von Andy Warhols Kunstwerken für ihn signiert habe - er liebte einfach ihre Handschrift. Im Grunde wird es ihr zugerechnet dieses Albumcover von 1957 (1957 album cover) für The Story of Moondog von Louis Hardin mit ihrem Sohn kreiert zu haben. Es erinnert mich an Michael Jacksons Zusammenarbeit mit seiner Mutter Katherine Jackson, die den Shuffle Rhythmus für The way you make me feel beisteuerte.


    Willa: Oh, wirklich? Das hatte ich noch nicht gehört, über keinen von ihnen. Wenn es also stimmt, dass Andy Warhols Mutter an dem Albumcover mitgearbeitet hat, dann hat sie wirklich eine wundervolle Handschrift.


    Und ich schätze, wir sollten nicht zu laut lachen, wenn Warhol andeutet, dass er seine Kunst nicht selbst herstellt, weil da ein Fünkchen Wahrheit dran ist. Ich meine, dass Warhol nicht alle seine Drucke mit seinen eigenen Händen hergestellt hat. Er war sehr in den gesamten Prozess eingebunden - entwarf sie, bestimmte die Produktionsdetails, unterzog sie alle einer kritischen Überprüfung - aber er stellte sie nicht alle selbst her. Wir erwarten auch nicht, dass Calvin Klein zum Beispiel jeden Stoff, der seinen Namen trägt, selbst bestickt - wenn er ihn entwirft, dann reicht es, seinen Namen zu Recht darunter zu setzen. Jedoch gibt es diese Erwartung, dass ein Künstler all seine Kunstwerke eigenhändig fertigt. Warhol hinterfragte das, nannte sein Studio sogar The Factory - Die Fabrik, und dies ist ein weiterer Bereich, in dem er kommerzielle Kunst mit hoher Kunst verband und auf diese Weise nicht nur ganz neue Werke, sondern ein ganz neues ästhetisches Empfinden erschuf. Und diese neue Ästhetik spiegelt sich in seiner öffentlichen Rolle ebenso wider.


    Lisha: Ganz genau. Dies ist ein exzellenter Punkt, den Dennis Hopper in der Dokumentation eingebracht hat, und er hat absolut Recht. Wir neigen dazu, zu vergessen, dass all die großartigen europäischen Meister in ihren Studios andere Künstler unter ihrer Anleitung für sich arbeiten ließen. Es ist nicht so, dass ein einzelner Künstler das Gerüst aufgebaut hat, um die Sixtinische Kapelle auszumalen. Aber da sind so einflussreiche kulturelle Mythen im Umlauf - die des gequälten einsamen Künstlers in seiner Dachkammer, der an einem großen Meisterwerk vor sich hinarbeitet, während er sich weigert sich für seine Kunst "zu verkaufen" - wie in Puccinis berühmter Oper La Boheme. Ich glaube, in Wirklichkeit ist das eher eine Auffassung der Romantik des 19. Jahrhunderts als eine genaue Wiedergabe des kreativen Prozesses. Aber wenn du erst einmal auf diese Sichtweise eingestellt bist, kannst du erkennen, wie verbreitet sie ist.

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    Einmal editiert, zuletzt von Lilly ()

  • Willa: Das ist ein interessanter Punkt, Lisa, und wir erkennen diese Voreingenommenheit bezüglich des "einsamen Genies" sogar jetzt in kritischen Reaktionen auf Prince und Michael Jackson zum Beispiel. Prince wird als das einsame Genie gesehen, das allein in seinem Studio hockt und die meisten der Instrumente auf seinen Alben selbst spielt, während Michael Jackson eher der gemeinschaftlich Arbeitende war und auch eher als kommerzieller Künstler wahrgenommen wurde. Seine Einstellung schien zu sein, dass wenn ein Musiker, der sich seinem Instrument widmet, es besser spielen konnte als er: Warum sollte er dann nicht den Besten dazu holen?


    Lisha: Da ich Musikerin bin stimme ich dem ganz sicher zu! Aber der Mythos des einsamen, verrückten Genies ist solch ein geschätztes, kulturelles Symbol, dass ich auf viele Arten denke, wir haben immer noch Beethoven-Mania!


    Wie Warhol trieb Michael Jackson die Vorstellung der Zusammenarbeit zum Äußersten. Auf Dangerous zum Beispiel, dem ersten Album, für das Jackson als selbst ausführender Produzent arbeitete, lies er über 18 Monate lang drei Produktionsteams gleichzeitig arbeiten, um das Endprodukt zu erstellen. Ich weiß nicht, ob wir jemals wieder diese Art von Produktionswert sehen werden. Die Leute, die an den Aufnahmen arbeiteten, sprechen über die unglaubliche Aufmerksamkeit gegenüber den Details, in die sie verfielen und den Willen eines jeden Beteiligten den ganzen Weg mitzugehen, um am Ende das beste, menschenmögliche Ergebnis zu erhalten.


    Und obwohl Jackson berüchtigt für seine Detailbesessenheit war, so war er doch auch sehr flexibel darin, dem kreativen Input, der innerhalb dieses Systems entstand, Raum zu geben. Bruce Swedien zum Beispiel, ein Aufnahmeingenieur, bekam Credits für das Schreiben an Jam. Bill Bottrell, ein Produzent / Techniker, kreierte den Rap und viele der Rock-Country-Instrumentals auf Black or White.


    Also war Michael Jackson aufgeschlossen gegenüber den Ideen und dem Talent um sich herum, und er nutzte dies wahrlich zu seinem Vorteil. Warhol scheint diese Fähigkeit ebenso gehabt zu haben – Hilfe, Ideen und Inspiration aus vielen verschiedenen Quellen anzunehmen. Offenbar war es ein Kunsthändler, Muriel Latow, der den Vorschlag machte, er solle doch erwägen, so etwas Alltägliches und Gewöhnliches wie eine Suppendose zu malen – der Rest ist Geschichte.


    Und ich war überrascht zu erfahren, dass Andy Warhol tatsächlich jeden Tag seines Lebens Campbell’s Suppe aß; es ging also nicht nur um postmoderne Ironie und um Kritik an der Konsumkultur, wie ich gedacht hatte. Seine Mutter hatte immer Campbell’s Suppe für ihn, als er ein Kind war, und es schien ihm wirklich eine Menge bedeutet zu haben – Wärme, Versorgtsein, Mutterliebe. Er malte seine Realität, und ich sehe diese Gemälde anders, seit ich das über ihn verstanden habe und wie das im Gegensatz zu seinem kühlen, gleichgültigen Image steht.


    Willa: Oh, ich sehe das genauso – es hat mich immer getroffen, welch tröstliches Gefühl von seinen Campbell’s Suppen-Bildern ausgeht. Sie werden oft als ironisches Statement gedeutet, wie du sagst, und ich kann das in intellektueller Hinsicht erkennen, aber das ist nicht das, wie sich das auf emotionaler Ebene für mich anfühlt. Da ist ein wirkliches Gefühl der Wärme und Beruhigung. Es ist so, als wollte er sagen, dass die Leute den Trost, den sie einst in den bekannten Symbolen der katholischen Kirche fanden – den Bildern von der Jungfrau Maria zum Beispiel – heute durch die vertrauten Symbole der Konsumkultur wie den Campbell’s Suppendosen erhalten. Während also die Künstler der vergangenen Jahrhunderte religiöse Symbole malten und formten, richtete er seinen Fokus auf die neue Bilddeutung der Konsumenten. Es ist ein brillanter Einblick.


    Lisha: Es ist wahrlich ein brillanter Einblick, die Vermählung des Kostbaren mit dem Alltäglichen. Das ist etwas, was wir in jedem Aspekt in Michael Jacksons Werk erkennen, von den hochwertigen Produktionen, die er in das abgewertete Genre des Pop einbringt bis zu den handbestickten Couturejacken, die er mit T-Shirts und Levi’s 501 Jeans trug. Kunst und Mythos durch sein berühmtes Image zu erschaffen ist nur ein weiteres Beispiel.


    Und wie du schon vorher gesagt hast, Willa, brachte Michael Jackson die Vorstellung vom Image einer Berühmtheit auf ein völlig neues Level. Ich kann nicht einmal ansatzweise erkennen, wie man dagegen einen Einwand erheben könnte. Ich bin sicher, du hast das Interview 60 Minutes ( interview) mit Karen Langford, Michaels Archivarin, gesehen, in dem sie einige seiner früheren Notizen zeigt, die nun das „MJ Manifest“ genannt werden. Es war Michael Jacksons erklärtes Ziel, dass „MJ“ eine komplett andere Person, eine gänzlich neue Rolle sein sollte, für die er große, ehrgeizige Pläne hatte.


    Willa: Das ist komisch, Lisha – ich habe auch an das Manifest gedacht. Hier ist das, was er schrieb:


    MJ wird mein neuer Name sein. Nicht länger Michael Jackson. Ich möchte in eine völlig neue Rolle schlüpfen, möchte einen völlig neuen Look. Ich werde eine vollkommen andere Person sein. Die Leute sollen nie mehr von mir als dem Kind denken, das ABC und I Want You Back gesungen hat. Ich werde ein neuer, unglaublicher Schauspieler/Sänger/Tänzer sein, der die Welt erschüttern wird. Ich werde keine Interviews geben. Ich werde magisch sein. Ich werde ein Perfektionist sein, ein Forscher, ein Ausbilder, mehr als ein Meister. Ich werde besser sein als jeder große Schauspieler, der seine ganze Kraft einsetzt.


    Und du hast Recht. Es zeigt wirklich, wie bewusst er seine neue Rolle erschuf und wie er darüber dachte, über diese "gänzlich neue Rolle" von MJ, nicht wahr?


    Lisha: Jedes Album hatte eine neue. Ich werde nie den Schreck vergessen, als ich 1984 im Supermarkt in der Warteschlange an der Kasse stand und nach einem Foto von Michael Jackson suchte, weil es das war, worüber in jenen Tagen jeder redete, und als ich einfach keins finden konnte, musste ich mir von jemandem erklären lassen, dass ich bereits auf ein Foto von Michael Jackson blickte. Es haute mich völlig um, als ich versuchte mein früheres Thriller / Victory Tour-Bild von Michael Jackson gegenüber dem, was ich jetzt sah, in Einklang zu bringen. Natürlich konnte sich niemand auch nur vorstellen, was noch kommen sollte. Er veränderte sich immer wieder, erst in den auf die Rasse bezogenen nicht eindeutigen Protagonisten in Bad, dann in den grenzüberschreitenden Charakter in Black or White auf Dangerous bis hin zu dem farblosen fremdartigen "Anderen" in Scream für das HIStory Album.


    Willa: Was einen wichtigen Punkt berührt - dass die Rollen, die Warhol und Michael Jackson erschufen nicht notwendigerweise beabsichtigten anziehend zu sein. Sie waren weitaus komplizierter und provokativer als das. Der Erzähler fragt fast am Beginn der Dokumentation:


    Aber wer war Andy Warhol? Auf seiner Reise von Andrew Warhols änderte er nicht nur seinen Namen, sondern schneiderte seine Persönlichkeit nach Maß, um einen mechanischen, fabrikproduzierten Markennamen zu erzeugen, der die Celebrity- und Konsumkultur jener Zeit verkörpern würde.


    Dieser "mechanische, fabrikproduzierte" Aspekt seiner "Marke" war nicht besonders attraktiv, wenigstens nicht im traditionellen Sinn. Und das waren auch nicht seine Perücken oder seine rüde materialistische öffentliche Rolle. Aber seine Perücken, seine Rolle und sein Markenname wurden nicht nach traditionellen Schönheits- oder Wirkungsstandards beurteilt, weil es verstanden wurde, dass sie Teil seiner Kunst sind, und so müssen sie auf komplexere Art, eben wie Kunst, interpretiert werden.


    Und ich denke, dies ist eine Vorstellung, die sehr viele Kritiker im Hinblick auf Michael Jackson wirklich missverstanden haben. Es wird im Allgemeinen angenommen, dass er in seiner späteren Karriere versuchte etwas Attraktives zu zeigen, etwas Anziehendes für ein Massenpublikum und dass er dabei scheiterte. Aber wenn wir uns zum Beispiel die Lyrics zu Is it scary ansehen, dann erkennen wir, dass er etwas sehr viel Komplizierteres und Interessanteres als das tat. Neben anderen Dingen zwang er uns zur Konfrontation mit unseren Vorurteilen - Vorurteile, die die Presse und die Öffentlichkeit versuchten seinem Gesicht und seinem Körper aufzuerlegen, weil er für "schwarz" stand, für "männlich", für einen "Popstar" oder "nur einen Popstar" - und später, schrecklicherweise, für einen "Freak" und ein "Monster".


    Wie ändert sich also unsere Wahrnehmung, wenn wir beginnen, Michael Jacksons öffentliche Rolle als eine künstlerische Kreation zu sehen, so wie wir es auch bei Andy Warhol machen? Und wie deuten wir es, wenn wir uns auf diese Weise annähern?

    The truth must dazzle gradually
    Or every man be blind
    Emily Dickinson

    2 Mal editiert, zuletzt von Lilly ()

  • Lisha: Nun, ich denke, es wäre ein sehr viel einfacherer Weg für Michael Jackson gewesen, wenn er von Anfang an seine privaten gesundheitlichen Beschwerden öffentlich gemacht hätte, mit dem Mythos gebrochen und die Veränderungen seiner Erscheinung erklärt hätte. Er hätte ein Fürsprecher für jene wie ihn werden können, die an Vitiligo und Lupus leiden und so das Bewusstsein für diese Krankheiten schärfen können. Ich glaube nicht, dass er die erbarmungslosen Medienprügel und die Verfolgung hätte ertragen müssen, wenn das sein Ziel gewesen wäre.


    Aber statt einige Wenige zu begünstigen, denke ich, sah Jackson eine weit größere Möglichkeit, die heute immer noch enorme, kulturelle Resonanz findet.


    Willa: Ich stimme dir vollkommen zu. Ich glaube nicht, dass wir auch nur begonnen haben, die Bedeutung seines sich verändernden Gesichtes - als einem Kunstwerk - zu ermessen und die es auf uns in psychologischer Hinsicht als Individuen und in kultureller Hinsicht als globale Gesellschaft hat.


    Lisha: Das stimmt. Dr. Sherrow Binder, ein Professor für multikulturelle und Geschlechter-Studien an der California State University in Chico hat behauptet, dass, als Jackson das Denkbild der "natürlichen Körper und feststehenden Identitäten als vorherbestimmt und kontrolliert" in Frage gestellt hat, ihm dafür "kulturell Widerstand geleistet werden musste, er in seine Schranken gewiesen oder schlimmer noch bestraft und erniedrigt wurde, damit der Gesellschaft weiterhin ihr gewohntes Umfeld der Normalität gewährleistet werden konnte."


    Willa: Absolut, und die Intensität dieser Zurückweisung ist ein bedeutender Indikator dafür, wie grundlegend und bedrohlich dies war - seine Überschreitung einer "festgelegten Identität", wie Pinder es nennt, basierend auf traditionellen Vorstellungen von Rasse, Geschlechterkategorien und Sexualität. Michael Jackson stellte dies alles in Frage, indem er seinen Körper "umschrieb", woraus sich ergab, wie sich die Art änderte, auf die Identität durch seinen Körper dokumentiert war.


    Lisha: Medien in aller Welt fahren damit fort, zu spekulieren und Geschichten über "Michael Jackson" zu fabrizieren, wobei sie oft Fakten missachten, die seit einiger Zeit abrufbar sind. Die Erfindungen der Medien folgen fast immer einigen Variationen des "Wacko", "Freak" oder der Erzählung der "Monsterfigur" und reflektieren so mehr das Bedürfnis der Gesellschaft ihn zu "normalisieren", als es jemals über Michael Jackson getan wurde. Und Jackson wurde sich so intensiv seiner Funktion als Spiegel des allgemeinen Denkens bewusst, dass er anfing, dies für seine künstlerischen Zwecke zu nutzen, wie in Is it scary ("Ich werde genau das sein, was du sehen willst / Du bist es, der mich jagt, denn du willst, dass ich der Fremde in der Nacht bin") und in Threatened ("Ich bin der lebende Tote, der dunkle Gedanke in deinem Kopf / Ich hab gerade gehört, was du gesagt hast, genau deshalb solltest du dich durch mich bedroht fühlen").


    Willa: Und wir sehen, wie dieser Gedanke in Ghosts buchstäblich umgesetzt wird, als der Maestro in den Körper des Bürgermeisters steigt, ihm einen Spiegel vor das Gesicht hält und ihn zwingt Zeuge seines eigenen inneren "Freaktums" zu sein. Dieses Freaktum, das der Bürgermeister so verabscheut ist nicht im Maestro - es ist in ihm selbst.


    Lisha: Das ist solch eine brillante Szene - sie zeigt seine wahre Beherrschung dieses Phänomens.


    Und noch eine weitere mythische, künstlerische Kreation von "Michael Jackson" war bereit die "Welt zu heilen", die Vorstellung der Entstehung einer neuen emphatischen Zivilisation. Eines seiner eindrucksvollsten Kunststücke war, sich auf magische Weise der Farbe seiner Haut zu entledigen, um ein für alle Mal körperlich zu demonstrieren, dass "es keine Rolle spielt, ob du schwarz oder weiß bist". Als es eindeutig wurde, haben einige die Botschaft nicht verstanden, da ging er noch einen Schritt weiter und wurde farblos - buchstäblich farblos. Scream und Stranger in Moscow zeigen dies so eindeutig.


    Willa: Und es ist ziemlich klar, dass das eine bewusste Entscheidung war. Beide Videos wurden in Schwarz-Weiß mit übermäßig heller Beleuchtung auf seinem Gesicht aufgenommen, um die Farbe auszuwaschen, sogar Abstufungen von Farbe.


    Lisha: Absolut. Für mich ist es offensichtlich, dass dies das Werk eines brillanten und bahnbrechenden Künstlers ist. Ich hasse es zugeben zu müssen, dass es erst nach dem Tod Michael Jackson war, als ich mir endlich sein Werk angesehen und festgestellt habe, welch neue Art von Kunst dies gewesen ist – einfallsreiche und exquisit hergestellte Musik voller klanglicher Innovationen und sogenannter „hochkünstlerischer“ wahrnehmbarer Schönheit, in Einklang gebracht mit Symbolik und Mythen, der Masse dargebracht durch das unterschätzte Popgenre und das Celebrity Starsystem. Aber es war noch so viel mehr – es explodierte von der Bühne herunter und aus der Leinwand heraus in unsere sozialen Diskussionen und in unser Alltagsleben, um uns dazu zu ermuntern über unsere verwirrende und gewalttätige Vergangenheit hinauszugehen.


    Und obwohl ich dem seinerzeit keine Aufmerksamkeit geschenkt habe, bin ich zu der Feststellung gekommen, wie gewaltig Michael Jackson mich beeindruckt hatte, ohne dass ich es überhaupt wusste. Von 1969 bis 2009 war Michael Jackson eine konstante Präsenz, und ich glaube, du kannst den Einfluss, den er hatte, gar nicht hoch genug einschätzen. Wenn man von der intensiven Medienberichterstattung nach seinem Tod aus urteilt, dann bin ich nicht die einzige, die sich plötzlich fragte, wie es sein würde in einer Welt ohne Michael Jackson weiterzuleben.


    Willa: Oh ja, so ist es. Ich glaube, Michael Jackson veränderte grundlegend unsere Wahrnehmung, unsere Emotionen und unsere gefühlsbedingten Reaktionen auf Unterschiede bei Rasse, Geschlechterzuordnung, Sexualität, Religion, familiären Beziehungen – bei Stereotypen aller Art – auch wenn wir es noch nicht realisieren. Wie du sagtest, wir waren „gewaltig beeindruckt, ohne es überhaupt zu wissen“. Und ich glaube, er revolutionierte auch unsere Vorstellung über Kunst, obwohl er seiner Zeit so weit voraus war, dass wir dies auch noch nicht realisieren. Manches davon erkennen wir noch nicht einmal als Kunst! Wir befanden uns mitten in einer ergreifenden künstlerischen Erfahrung, ohne es überhaupt zu wissen.


    Es wird noch eine lange Zeit für Kunstkritiker und deren Interpretationen in Anspruch nehmen bis zu ihm aufzuschließen, denke ich, und bis man anfangen kann sich den enormen Einfluss, den er hatte, vorstellen zu können, sowohl bezüglich der Kunst und wie wir Kunst begrifflich erfassen, als auch im Hinblick auf die tiefgreifenden kulturellen Veränderungen, die er ausgelöst hat. Und das ist ein weiterer Weg den Wert eines Künstlers zu ermessen – an seiner Tiefe und der Reichweite seines Einflusses.


    Fast am Ende der Dokumentation beschreibt der Erzähler, wie konstant Warhols Einfluss präsent ist in jedermanns alltäglichem Leben und fragt dann: „Wie können wir dich vermissen, wenn du nicht gehen wirst?“ Dieselbe Frage kannst du über Michael Jackson stellen. Sein Vermächtnis ist überall – vom direkten künstlerischen Einfluss auf Musik, Tanz, Film, Mode bis hin zu mehr subtilen, aber vielleicht umso bedeutenderen kulturellen Einflüssen, etwa solchen, wie wir Geschlechterzuordnungen und Rassenunterschiede lesen und interpretieren.


    Lisha: Weißt du, das ist genau die Sache. Michael Jackson ist überall, wohin man auch sieht. Und verstehen wir wirklich, warum er weiterhin solch einen Einfluss hat? Die Entertainment-Industrie ist voll von verrückten Ticks, plastische OP’s, Make-up tragenden Glamrockern, Geschlechtsveränderungen usw. Rita Hayworth ist ein gutes Beispiel einer Darstellerin, die ihre spanische Herkunft „weißer gemacht“ hat, um auf der Leinwand die glamouröse Gilda zu werden. Warum also stolpert jeder über Michael Jackson? Ich denke, es wird noch eine Weile dauern all dies zu verstehen. Bis dahin werden wir weiter „mit dem Elefanten tanzen“.

    :herz: :herz: :herz:

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  • Aber es war noch so viel mehr – es explodierte von der Bühne herunter und aus der Leinwand heraus in unsere sozialen Diskussionen und in unser Alltagsleben, um uns dazu zu ermuntern über unsere verwirrende und gewalttätige Vergangenheit hinauszugehen.

    Der Satz poppt direkt auf in meinem Gehirn. Ist es nicht das eigentlich Revolutionäre an Michael? Dass er seit bald fünfzig Jahren „von der Bühne herunter, aus der Leinwand heraus“ in unser Leben platzt und uns heute mehr denn je beschäftigt? Sollten wir nicht vielleicht sogar dankbar sein über die Diskussionen aller Art, die uns zum Teil immer noch so stören, über die wir uns aufregen, dass Michael dadurch fortwährend ein Thema ist, an dem man sicher auch noch sehr lange zu knabbern haben wird? Er ist einfach zu groß gewesen, seine Visionen waren zu groß und unfassbar (im wahrsten Sinn), als dass das Thema Michael Jackson heute schon abgehandelt sein könnte und man Ruhe geben würde. Vielleicht sollten wir uns sogar wünschen, dass es immer weitergeht in den Medien, dass keine Ruhe ist und einkehrt, weil Michael und seine Themen einfach zu wichtig sind. Ich glaube nicht so sehr (auch wenn ich es gern glauben würde), dass bestehende Meinungen, Vorstellungen und Ansichten bei den „Massen“ verändert werden, sondern dass dies vielmehr schleichend bei Individuen und Gruppen durch quasi „bewusstseinsverändernde“ Erfahrungen mit Michael geschieht (wie bei uns) und dass es spürbare Änderungen erst durch Generationenwechsel geben wird. Und der ist ja bereits eingeläutet, denn Kinder, die am 25.06.2009 noch nicht geboren waren, tanzen heute bereits nach seiner Musik …


    Ich habe mich entschieden diesen wunderbaren Blog nicht mehr in dieser Regelmäßigkeit, sondern vielleicht nur noch sporadisch (das wird sich zeigen) zu übersetzen.


    Ich hoffe, dass Dr. Willa Stillwater, Joie Collins und ihre Gäste noch lange diskutieren, so dass wir ihre Gedanken im Originalblog weiter verfolgen können. Für mich gehört er mit zum Besten und Würdevollsten, was es über Michaels Kunst und Person zu lesen gibt.


    Ich danke Euch allen für Eure Beschäftigung mit „Dancing With The Elephant“ und wünsche mir, dass jeder Einzelne von uns diese Gedanken weiterträgt!


    Edit
    Link zum Originalblog: http://dancingwiththeelephant.wordpress.com/


    :herz: :herz: :herz:

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    Einmal editiert, zuletzt von Lilly () aus folgendem Grund: Link ergänzt (Danke Daniela!)

  • Danke Lilly, ich empfinde das auch so, leider hab ich hier schon lange keine Zeit mehr investiert, aber ich werde das nachholen !!!
    Hättest du vllt grad nochmal den link zum Originalblog ?


    :loveyou::loveyou::loveyou:



    Edit: habs gesehen, in deiner Signatur :hucki:

    You were the rhythm,
    You were the sound of a crescendo,
    You showed us Heaven and Light,
    you faced the fear.


    Einmal editiert, zuletzt von Daniela Jackson ()

  • Vielen lieben Dank für die Übersetzung Maja und Lilly :flowers:
    Das war eine Menge und damit auch eine Menge zu lesen. :kicher: Wie gehaltvoll und wie schön diese Gedanken der Dikussionsrunde doch sind. :love:


    Hatte gestern einen langen Post angefangen, habe aber die Zeit verpasst die er hier in Warteschleife aufbewahrt wird. Nun ist er weg :tischkante:


    Aus der Erinnerung: Ich musste so lächeln bei der Party wo man als MJ kommen soll und man davon ausgehen kann, dass jede Menge unterschiedlicher Kostüme zu sehen sein würden :love: DAS ist auch ein sehr sichtbares Indiz dafür wie bekannt er ist und zeigt die vielen Jahre die er Trendsetter im besten Sinn war.
    Der Bezug zu Warhol ist sowas von interessant (habe noch keine Zeit für das Video gefunden :tüte: ). Auch ganz klar zu sehen, dass Warhol Dinge 'erlaubt' waren und als Ausdruck seiner Kunst gesehen wurden, während man es Jahr später Michael übel nahm, ihn angriff und verriss.
    Auch der Prof. Dr. Binder hat das in klare Worte gefasst:

    Zitat

    ...dass, als Jackson das Denkbild der "natürlichen Körper und feststehenden Identitäten als vorherbestimmt und kontrolliert" in Frage gestellt hat, ihm dafür "kulturell Widerstand geleistet werden musste, er in seine Schranken gewiesen oder schlimmer noch bestraft und erniedrigt wurde, damit der Gesellschaft weiterhin ihr gewohntes Umfeld der Normalität gewährleistet werden konnte." ...

    In seiner ganzen Existenz und mit all seinem Talent war Michael ein permanenter Angriff auf veraltete Strukturen.
    Das ist Mindblowing, wenn man es in seiner Tiefe auch nur annähernd erfasst.

    Zitat

    das ist ein weiterer Weg den Wert eines Künstlers zu ermessen – an seiner Tiefe und der Reichweite seines Einflusses.

    So wahr. Gänsehautmäßig wahr :-D


    Zu süß auch die Anekdote mit dem blonden Michaeljungen zu Halloween. :flirty:
    Michael hat sich wirklich als 'Marke' verankert. Und das meine ich nicht negativ, sondern im besten Sinne, denn wir verbinden mit diesen verschiedenen 'Symbolen' wunderbare Darbietungen, zeitlose Kunst und spüren, dass Michael sie nicht vordergründig als Markenzeichen verstanden wissen wollte, sondern sie uns etwas bedeuten, weil sie ihm etwas bedeutet haben, weil er wirklich seine Seele sein Herz an das band was er tat.

    Ist es nicht das eigentlich Revolutionäre an Michael? Dass er seit bald fünfzig Jahren „von der Bühne herunter, aus der Leinwand heraus“ in unser Leben platzt und uns heute mehr denn je beschäftigt? Sollten wir nicht vielleicht sogar dankbar sein über die Diskussionen aller Art, die uns zum Teil immer noch so stören, über die wir uns aufregen, dass Michael dadurch fortwährend ein Thema ist, an dem man sicher auch noch sehr lange zu knabbern haben wird?

    Zitat

    Aber es war noch so viel mehr – es explodierte von der Bühne herunter und aus der Leinwand heraus in unsere sozialen Diskussionen und in unser Alltagsleben, um uns dazu zu ermuntern über unsere verwirrende und gewalttätige Vergangenheit hinauszugehen.

    Vielleicht sollten wir uns sogar wünschen, dass es immer weitergeht in den Medien, dass keine Ruhe ist und einkehrt, weil Michael und seine Themen einfach zu wichtig sind. Ich glaube nicht so sehr (auch wenn ich es gern glauben würde), dass bestehende Meinungen, Vorstellungen und Ansichten bei den „Massen“ verändert werden, sondern dass dies vielmehr schleichend bei Individuen und Gruppen durch quasi „bewusstseinsverändernde“ Erfahrungen mit Michael geschieht (wie bei uns) und dass es spürbare Änderungen erst durch Generationenwechsel geben wird.

    :kiss:
    Liebe Lilly, vielen herzlichen Dank für Deine Gedanken. :Tova: Das klingt
    für mich richtig und erinnert mich daran öfter mal durchzuatmen und egal
    wie heiß zum Teil diskutiert wird ob das für Michael gut oder schlecht
    ist, dass er so und so wieder ins Gespräch kommt: Es sind wirklich die Themen die beleuchtet werden wollen. Immer und immer wieder - wenn auch oft auf schmerzhafte Weise.


    Ich bin mir gerade sogar sicher, dass er sich nicht im Grab umdrehen wird, wenn nur die Chance besteht, dass sich das Denken und Handeln Richtung Verbesserungen, Richtung Liebe verändert.

    Ich habe mich entschieden diesen wunderbaren Blog nicht mehr in dieser Regelmäßigkeit, sondern vielleicht nur noch sporadisch (das wird sich zeigen) zu übersetzen.

    Diese Entscheidung kann ich verstehen, doch sie schmerzt mich auch. Dieser Blog ist soo wichtig.
    Ist es ein Zeitproblem? Vllt kann ich ja den einen oder anderen Part mit übersetzen. Vllt könnte man ja das künftig immer zu mehreren tun.
    Ich kann den Blog zwar in englisch verfolgen, doch in der Muttersprache zugänglich gemacht für die die es sonst niemals lesen und auch zukünftig nicht nachlesen können - das ist so wichtig und ich empfinde es einfach als einen Verlust, wenn das nun vorbei ist. :rose:
    Dinge schlafen nach einer gewissen Zeit ein, die Resonanz scheint zu schwinden, doch vllt ist das auch einfach ein Punkt, wo man sich mal wieder besprechen sollte und gemeinsam wirken. Nur mal so als Überlegung reingeb. :bohr1:

    Für mich gehört er mit zum Besten und Würdevollsten, was es über Michaels Kunst und Person zu lesen gibt.

    Das ist für mich zweifelsohne der Fall. :love: Eine wirkliche Perle, fernab von all dem Müll der sonst passiert, wenig erbaulich ist und soviel Zeit frisst.


    In jedem Fall, meinen allergrößten Dank, für das Zugänglichmachen der Elefantenrunde. :blume: Das war ein wahrer Liebesdienst :kiss:
    Sky*

  • Ich kann jedem, der die Zeit dazu hat diese Doku über Warhol nur empfehlen – sie ist wirklich sehr interessant. Und ich stelle hier auch nochmal kurz ein, was ich schon im Elefantenblog geschrieben hab' – es gibt noch ein paar Paralellen zwischen Warhol und Michael, ausser denen, die schon in dem Beitrag stehen.


    In der Doku geht es einmal darum, dass Warhol alles aufhob, sammelte und in dem Warhol Museum gibt es jetzt mehr als 600 „Timecapsules“ - und es wird dazu auch gesagt, dass der wichtigste Besitz des Museeums nicht die Kunstwerke sind, sondern diese "Timecapsules" (Zeitkapseln) und dazu noch über 4000 Auditapes, die Warhol seit 1965 aufnahm – er lief immer mit einem Taperekorder umher... Dazu wird kommentiert:
    „I think, all people who are constantly recording their life — it’s always a way of saying: „This is not gonna be lost“ save it somehow.“

    ("Ich denke, Menschen, die immerzu ihr Leben aufzeichnen – es ist immer eine Art auszudrücken „das soll nicht verloren gehen, bewahre es irgendwie.“)


    Mich hat das alles auch an Michael erinnert – an diese Lagerhallen, in denen unendlich viele Dinge von ihm aufbewahrt werden, an seine Angewhnheit, immer einen privaten Videografen dabei zu haben, der alles filmte, was Michael tat... oder auch, dass wohl viele Studiosessions auch auf Video existieren. Das tut niemand, der das nicht für die Nachwelt aufbewahren will, und ich glaube, wie bei Warhol, sind auch bei Michael da richtige Schätze verborgen, die es noch zu entdecken gibt... wenn ich mir vorstelle, wieviel Material es da noch in irgendwelchen Schränken hat....


    Interessant fand ich ausserdem auch, dass Warhol fasziniert davon war, ein Roboter zu werden. Es ging soweit, dass man wirklich versuchte, ihn 1:1 als Roboter nachzu bauen, und Warhol sich dachte, dass dieser Roboter dann z. B. Für ihn die Interviews führen kann – etwas, was er garnicht mochte... :kicher: Leider war die Technik aber noch nicht so weit, dass das irgendwie funktioniert hätte. (es sollte ein Roboter werden, der genau aussah, wie Warhol..) Und ich musste an Michael denken, der diese Idee umgedreht umgesetzt hat, oder anders umgesetzt hat – er hat sich mit diesem HIStory-Opener Chrome Outfit gleich selbst in einen Roboter verwandelt, nicht nur „nachgebaut“ - wie Warhol es wollte – Michael transformierte sich zum Roboter und wieder zurück.

  • Und ich musste an Michael denken, der diese Idee umgedreht umgesetzt hat, oder anders umgesetzt hat – er hat sich mit diesem HIStory-Opener Chrome Outfit gleich selbst in einen Roboter verwandelt

    ...ja, und nicht zu vergessen: der Robot-Dance und die Szene in Moonwalker, in der er als eine Art Roboter dargestellt ist:


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