Larry King:
Der König des Fernsehgesprächs
Larry King interviewte die berühmtesten Menschen der Welt, Präsidenten wie Prominente. Wie niemand sonst beherrschte er eine Kunst: die der einfachen Frage. Ein Nachruf
Von Bernd Gäbler
24. Januar 2021, 10:09 Uhr1 Kommentar
Er fragte zupackend und direkt, aber nie inquisitorisch: Larry King, hier im Jahr 2017 © Rich Fury/Getty Images
Streng zurückgelegtes Haar, eine große Hornbrille und Hosenträger – mehr braucht es nicht, um aus einer Person eine Marke zu machen. Und natürlich die Wiederholung: stets pünktlich um 21 Uhr dasselbe Produkt abliefern, in konstanter Qualität. Das schaffte Larry King auf CNN über die lange Strecke von 1985 bis 2010. Die Sendung trug seinen Namen – Larry King Live – und firmierte offiziell als Late-Night-Show. Dabei war sie zwar stets unterhaltsam, aber eigentlich weniger Show als Talk.
Nun ist Larry King im Alter von 87 Jahren in Los Angeles gestorben, er wird in Erinnerung bleiben als eine Legende der Fernsehgeschichte. Das liegt nicht allein an der viele Jahrzehnte überspannenden Bildschirmpräsenz und der schier unglaublichen Schar prominenter Gesprächspartner, die er hatte. Larry King war so außerordentlich wirkmächtig, weil er ganz und gar Kind seiner Zeit und des Mediums Fernsehen war und zugleich gerade dadurch zeitlos wurde. Er setzte Maßstäbe, die überdauern.
Wie viele andere amerikanische Fernsehgrößen seiner Generation kam Larry King ursprünglich vom Radio und war dort schon einigermaßen populär, bevor er als TV-Talker Karriere machte. Sein markanter optischer Auftritt spielte in diesem Medium natürlich eine Rolle, aber wichtiger war die bunte Mischung seiner Gesprächspartner, denen er stets ein freundlicher Gastgeber war. Alle waren sie bei ihm: Ronald Reagan und Jimmy Carter, Johnny Cash und Mick Jagger; Donald Trump (King befragte ihn bereits 1987 zu politischen Ambitionen) und Barack Obama; Snoop Dogg und Lady Gaga, sogar Hugo Chávez und Muammar al-Gaddafi.
Die Einheit von Politik und Unterhaltung
Bei King kamen der israelische Premierminister Jitzchak Rabin, Palästinenserpräsident Jassir Arafat und König Hussein von Jordanien zusammen. Mit dem Boxer Mike Tyson arbeitete er interessiert auf, warum dieser seinen Kontrahenten Evander Holyfield bei einem Kampf 1997 ins Ohr gebissen hatte. Aber auch weniger bekannten Zeitgenossen – Kriminalitätsopfern ebenso wie Schwindlern mitunter – entlockte King lebendige Geschichten. Der als Gouverneur des eher unbedeutenden Bundesstaates Arkansas bis dahin noch kaum landesweit bekannte Bill Clinton wollte Larry King Live vor den US-Präsidentschaftswahlen 1992 zum Popularitätsgewinn nutzen, musste sich aber von dem Unternehmer Ross Perot die Schau stehlen lassen; der kündigte in derselben Sendung seine Präsidentschaftsbewerbung als unabhängiger Kandidat an. Helmut Kohl war nie bei Larry King, aber der hätte den damaligen Bundeskanzler offenbar gerne interviewt und hat einmal behauptet, sogar schon eine Einstiegsfrage im Kopf gehabt zu haben.
Larry King ging es immer um das gemeinsame Gespräch, aber nie durfte es zu einem Spezialdiskurs ausarten. Relevante politische Fragen wurden ebenso erörtert wie private Erlebnisse und Befindlichkeiten. Politik wurde ganz eng verknüpft mit der Privatperson des Gastes. Prominente aus der Populärkultur wiederum mussten etwas von Nachrichtenwert mitbringen, mindestens aber eine gute Geschichte erzählen können. So wurde Larry King zu einem bedeutsamen gatekeeper der Medienkultur, zu einer Selektionsinstanz für die "Ökonomie der Aufmerksamkeit" (Georg Franck). Die Achtziger- und Neunzigerjahre waren die Hochzeit des linearen Fernsehens, und Larry King verkörperte und forcierte damals genau das, was der deutsche Medienwissenschaftler Andreas Dörner später als "Politainment" definierte.
In den USA, wo Schauspieler und Populisten Präsident werden können, wurde diese Einheit von Politik und Unterhaltung stets gelassener aufgenommen als in der nachzüglerischen deutschen Medienlandschaft. Kritischen Debatten wie hierzulande, die etwa um die Fragen kreisten, ob der TV-Talk die Parlamente ersetze oder gar überflüssig mache; ob der dem gesellschaftlichen Diskurs jede Substanz raube; oder ob in Zukunft nur noch medienaffine Prominente eine Chance als Politiker hätten, musste sich Larry King in den USA jedenfalls nicht stellen. Dort war es wichtiger, dass die Sendung funktionierte und immer wieder aufs Neue für Gesprächsstoff sorgte.
Wie schaffte Larry King das? Indem er sich stets einem geläufigen Missverständnis über das Bildmedium Fernsehen widersetzt hat. Viele Zuschauer und TV-Manager glauben, entscheidend für die Wirkung des Fernsehens sei es, überwältigende Bilder hervorzubringen. Darum muten Shows so gerne gigantomanisch an und selbst in eigentlich relativ schlichten Talk-Sendungen kommt allerlei Schnickschnack vor: witzige Einspielfilme und Spieleinlagen; bekannte Menschen müssen Schuhe putzen oder Sätze ergänzen; werden gefragt, was ein Pfund Butter kostet oder müssen rückwärts gespielte Musiktitel erraten.
Larry King dagegen schien die antike Weisheit von der edlen Einfalt und der stillen Größe zu kennen. Man muss nicht überwältigend sein, sondern überzeugend. Und überzeugend ist, was einfach ist. Wenn ein Format stark ist, dann muss es auf seinen Kern fokussiert sein. Und dieser Kern war und blieb bei Larry King das zwischenmenschliche Gespräch. Obwohl er natürlich entsetzlich eitel war und um seine eigene Präsenz wusste, ließ er sich nie zum Ornament, zum Verschnörkelten, zur reinen Selbstreferenzialität verführen. Zwar spielte er in Filmen und Serien immer wieder gerne sich selbst, zwar ging er für ein Interview mit einem Todeskandidaten auch mal ins Gefängnis. Aber im Kern blieb seine Sendung immer gleich: Larry King Live war eine klare, schnörkellose Studiogesprächssendung.