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    nicht die einzige Annie


    Mir hat immer auch der Gedanke gefallen, dass "Annie" rein vom Wortlaut her auch "any" bedeuten kann. Das wäre zwar grammatikalisch nicht wirklich korrekt, aber es streift für mich die Idee, dass prinzipiell jede/r gemeint sein könnte und gleichzeitig auch "niemand besonderes". Es geht ja auch nicht einfach um ein bestimmtes Opfer, sondern darum, wie wir mit Opfer-Täter-Geschichten ganz allgemein umgehen, oder? Der smooth criminal ist jedenfalls oft der einzige, der uns so wirklich interessiert (Wer ist der Mensch, der zu so etwas fähig war? Foto und Name des Täters geistern durch alle Sender und Schlagzeilen. Wie kam es dazu? Wie ist er aufgewachsen? Wie denkt er? ...), während die Opfer oft austauschbare, namen- und gesichtslose Nebendarsteller bleiben, über die wir nicht mehr erfahren, als dass sie eben durch xy getötet wurden. Es ist fast so, als würden wir sie nochmal töten oder zumindest zustimmen, dass sie im Prinzip unwichtig sind. Es macht ja auch was mit uns als Konsumenten dieser Erzählmuster. Aus wessen Sicht heraus verarbeiten wir diese Geschichten? Sind wir selbst also auch Täter? Oder Getötete? Wissen wir es überhaupt auf Anhieb?

    Joie: Ok, Willa, wenn du es auf diese Weise erklärst, kann ich sehen, worauf du hinaus willst. Und deine Interpretation macht in der Tat sehr viel Sinn. Ich kann die Doppelbeziehung sehen, von der du sprichst, mit der Königin, die hier das wankelmütige Publikum repräsentiert. Du hast vielleicht absolut Recht. Diese Doppelbeziehung ist eine, die Michael immer und immer wieder verwendet hat, um seine Sicht der Dinge rüber zu bringen und zu versuchen, den Rest von uns über unser Verhalten aufzuklären. Es war eine Art „stell dir vor“-Taktik für ihn und eine, die ihm gute Dienste erwiesen hat, denke ich. Ich frage mich, ob andere Künstler sie so effektiv nutzen.


    Willa: Das ist eine gute Frage, Joie. Ich weiß, dass es recht üblich für Künstler – besonders Dichter – ist, die Beziehung zwischen einem Künstler und seiner Muse als eine Liebesbeziehung darzustellen, aber ich weiß nichts über die Beziehung zwischen einem Künstler und seinem Publikum. Hmmm … das ist interessant.


    Aber weißt du, ich sage nicht, dass das der einzige Weg ist, sich diesem Video anzunähern. Ich bin von dieser Interpretation wirklich fasziniert, aber ich fühle mich, als hätte ich sie zu stark vorangetrieben. Da sind auch viele andere Wege, sich ihm zu nähern. Zum Beispiel würde ich gern zu einer Frage zurückkommen, die du früher aufgeworfen hast, als du sagtest: „Ich weiß nicht, warum er entschieden hat, diesen speziellen Kurzfilm in diesem speziellen Setting anzusiedeln.“


    Das ist eine wirklich gute Frage – warum hat er beschlossen, dieses Video im alten Ägypten anzusiedeln? Es erinnert mich an etwas, das er in einem Interview mit Jesse Jackson im März 2005 gesagt hat:


    Michael Jackson: Ich liebe Afrika wirklich und ich liebe die Menschen von Afrika. … Ich verbringe mehr von meinem Urlaub in Afrika, als irgendwo sonst auf der Welt. … Sie zeigen nie die zuckerweißen Sandstrände und die gibt es dort. … Sie zeigen niemals, wie schön der Ort ist und es ist wirklich atemberaubend schön! Und ich will dieses Bewusstsein stärken mit dem, was ich tue und das ist mein Traum seit vielen, vielen Jahren. ...


    Jesse Jackson: Du weißt, wir wissen um die Hochzeiten von Rom, weil wir sie im Film sehen.


    Michael Jackson: Das stimmt.


    Jesse Jackson: Wir wissen um die Glanzzeiten des Britischen Reichs und des Königshauses. Wir sehen es im Film. Oder von Paris. Wir sehen nicht viel von Afrika im Film. Wir sehen Afrika als Leid und Afrika als Probleme. Wir sehen es nicht als diesen phänomenal reichen Kontinent aus Sand und Meer und Öl und Ressourcen. ...


    Michael Jackson: Die Welt ist eifersüchtig auf Afrika seit vielen Jahrhunderten, weil die natürlichen Ressourcen phänomenal sind! Das sind sie wirklich. Und es ist die Wiege der Menschheit. Unsere Geschichte, vieles von unserer biblischen Geschichte findet genau dort in Afrika statt. Und König Tut, all diese großen Zivilisationen, das ist genau dort in Afrika. Ägypten ist in Afrika! Und sie versuchen immer, die beiden auseinanderzuhalten, aber Ägypten ist Afrika.


    Es war so wichtig für ihn. Wir sehen diese Faszination für ägyptische Kunst und Kultur sich durch sein ganzes Erwachsenen leben ziehen und ich frage mich, ob das teilweise von einem Drang herrührt, Ägypten als Teil der schwarzen Geschichte und Kultur zurückzuerobern.


    Es ist in diesem Zusammenhang interessant, über die Tatsache nachzudenken, dass das ägyptische Königspaar, gespielt von Eddie Murphy und Iman, schwarz ist. Wir sehen das normalerweise nicht – zum Beispiel war Elizabeth Taylors Cleopatra weiß. Aber in Remember the Time sind die ägyptischen Hoheiten schwarz. Tatsächlich ist die ganze Besetzung schwarz. Mir fällt kein anderes Michael Jackson Video ein, in dem das zutrifft. Und ich frage mich, ob er es teilweise deswegen so aufgebaut hat, um die Idee zu bekräftigen, die er in dem Jesse Jackson Interview ausdrückt: “Ägypten ist in Afrika … Ägypten ist Afrika.“


    Joie: Das ist ein großartiges Zitat und ich stimme dem komplett zu, was er in diesem Zitat sagt, „sie“ versuchen immer Ägypten von Afrika zu trennen, aber das kann man nicht machen. Und ich denke, du hast Recht, wenn du annimmst, dass das hier Teil seines Motivs war – ein Bewusstsein zu schaffen oder zu versuchen, uns darüber aufzuklären, dass Ägypten Afrika ist.

    Willa: Weißt du, ich habe nie zuvor darüber nachgedacht – dass Ägypten oft aus Afrika ausgeklammert wird – ehe ich dieses Interview gehört habe. Das ist wirklich interessant und es fügt eine ganz neue Dimension zu Michael Jacksons anhaltenden Interesse am antiken Ägypten und ägyptischer Kunst hinzu. Zum Beispiel sehen wir es in der Bashir Dokumentation, als er so enthusiastisch über den ägyptischen Sarkophag spricht und wir sehen es in diesem Portrait auf dem HIStory Album, das einer Skulptur des Pharao Khafre und seinem Schutzgott Horus, der oft als Falke erscheint, nachempfunden ist:




    Interessanterweise wird diese Skulptur von Khafre und Horus von vielen Wissenschaftlern als Vorlage für die Sphinx betrachtet.


    Joie: Ich hielt das immer für ein sehr interessantes Bild von ihm. Die Ähnlichkeit ist bemerkenswert, finde ich.


    Und es ist interessant, nicht? Wie die westliche Welt versucht, die großartige Zivilisation von Ägypten von den dunkelhäutigen Menschen, die es erbaut und regiert haben, zu trennen. Und das ist genau die Art afrikanischer (und afroamerikanischer) Geschichte, von der Michael Jackson immer sehr angezogen zu werden schien und für die er sich immer sehr zu interessieren schien. Die Geschichte, über die er uns immer zu unterrichten versuchte.


    Willa: Das ist wahr, Joie, und er fährt in Remember the Time auf subtile Art und Weise fort uns zu unterrichten.


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    Es muss schließen? :-(


    Ja, sieht leider ganz so aus. Der Pachtvertrag wurde wohl nicht verlängert. Es hätte zwar eine neue Location gegeben, aber ich denke, sie möchte nicht mehr alles auf sich nehmen, sondern einfach lieber angestellt sein und weniger Stress, Zeit und Verantwortung noch neben der Familie tragen müssen. Das ist schon verständlich, aber es ist auch soooooo schade. :oweg: Zum Glück ist es aber nicht das einzige vegane Restaurant bzw. Bistro bei uns. :puhf::victory:

    Willa: Du hast Recht, Joie, ich sollte Dinge vorsichtiger behaupten. Ich weiß nicht, wie er sich selbst sieht, aber aufgrund der Projekte, die er in der Vergangenheit gemacht hat, ist mein Gefühl, dass er mehr ein Entertainer als ein Künstler ist. Und ich sage das größtenteils, weil er in seiner Arbeit normalerweise beflissen zu sein scheint, es seinem Publikum recht zu machen und uns nicht wirklich herausfordert oder unsere Wahrnehmungen und Überzeugungen auf irgendeine Art und Weise verändert. Seine Comedy Auftritte können manchmal ganz schön ausgefallen sein – ich würde sagen, er fordert sein Publikum mehr durch seine Comedy als durch seine Musik oder Filme heraus – aber er bewirkt nicht annähernd die Art von tiefen kulturellen Veränderungen, die Michael Jackson bewirkt hat. Michael Jackson fordert uns andauernd auf so viele unterschiedliche Arten heraus – wie wir über Rasse und Geschlecht, Geld und Macht und globale Ungleichheit, Tiere und Ökosysteme und die natürliche Welt, Kinder und Heirat und familiäre Beziehungen, ebenso wie Romantik und Sexualität und Leidenschaft denken. In der Tat gibt es Momente, in welchen er uns zwingt uns zu fragen, warum wir die Dinge begehren, die wir begehren.


    Ich sehe all das auf interessante Art und Weise in Remember the Time durchgespielt. Imans Charakter, die Königin, ist gelangweilt und launisch und grausam. Sie will einen Entertainer, der sie unterhalten wird und als die ersten beiden Entertainer ihr nicht gefallen, lässt sie sie beiläufig töten, wie bereits erwähnt. Es ist auf lustige Art dargestellt, aber es ist doch abschreckend.


    Dann taucht Michael Jacksons Charakter auf, aber er ist soviel mehr als nur ein Entertainer. Er sieht nach nicht viel aus, als er zunächst in seinem einfachen Umhang und in Sandalen erscheint und der Pharao macht sich irgendwie lustig über ihn – genau so wie Eddie Murphy selbst sich über Michael Jackson lustig gemacht hat: „Und was ist es, was du zu tun gedenkst?“ Aber diese unscheinbare Figur hat verblüffende Fähigkeiten – wie Michael Jackson selbst – und er übertrifft und trotzt ihren Erwartungen.


    Zuerst verwandelt er sich selbst in eine unbestimmte Figur, die sowohl moderne schwarze Jeans als auch einen transparenten ägyptischen Rock trägt. Es ist die Art Rock, die man ägyptische Figuren auf antiken Wandgemälden tragen sieht und tatsächlich mag ich ihn irgendwie wirklich, aber es ist nicht gerade sehr machohaft im herkömmlichen Sinne. Aber dann bemerkt der Pharao, dass seine Königin ernsthaft von dieser neuen Art von Mann angetörnt ist und ihm fallen praktisch fast die Augen raus bei dem Anblick! Und bald darauf sehen wir Michael Jacksons Rolle von einem Ring aus tanzenden Haremsdamen umgeben – nicht schlecht für einen Kerl in einem Rock...


    Dieser Magier/Musiker fordert auch beide heraus, besonders die Königin – die Frau, die seine Vorgänger getötet hat. Nachdem er sich verwandelt, streicht er seine Ärmel glatt und reckt sein Kinn hervor, als ob er sich in einen Kampf begibt. Dann wischt er seinen Mund mit dem Handrücken ab – genauso wie er es zuvor in Bad getan hat, um den Straßenschlägern zu sagen „Ihr macht einen Fehler“ und in Ghosts ehe er dem Bürgermeister und den Dorfbewohnern sagt, dass auch sie einen „Fehler machen“. Folglich ist dieser Charakter weit mehr als ein Entertainer, der versucht seinem Publikum zu gefallen. Es ist sehr viel komplexer als das.


    Joie: Nun, das ist eine interessante Interpretation, Willa. Und ich stimme dem zu, was du zuvor darüber gesagt hast, wie unterschiedlich wir das sehen, denn das tun wir wirklich. Ich glaube, dass dieser Film einfach die Geschichte widerspiegelt, von der der Song erzählt und die Königin wird heiß und es plagt sie, als sie ihren früheren Liebhaber erkennt, der dort steht und sie fragt, ob sie sich an die Zeit erinnert, die sie zusammen verbracht haben. Der König ist offensichtlich verärgert darüber und er beschließt ihn töten zu lassen, als er einmal die Verbindung sieht, die dieser seltsame Mann zu seiner Frau hat. Wie ich gern sage, manchmal ist eine Zigarre einfach eine Zigarre und nicht alles hat immer einen Bezug, eine symbolische Bedeutung.


    Willa: Naja, das stimmt, Joie, aber für mich gibt es da eine Menge verwirrender kleiner Details, die nicht wirklich passen, wenn das hier nur eine Liebesgeschichte ist. Wie zum Beispiel, warum beginnt er das Video damit uns zu zeigen, dass die Königin eine Mörderin ist? Das ist nicht besonders romantisch! Und warum baut er es so auf, dass sie mit jemand anderem verheiratet ist? Und warum verbringt er so wenig Zeit mit ihr? Er verbringt tatsächlich mehr Zeit damit, mit den Haremsdamen zu tanzen, als er mit ihr verbringt. Das passt auch nicht wirklich zu einer Liebesgeschichte.


    Joie: Ich denke nicht, dass er versucht uns zu zeigen, dass die Königin eine Mörderin ist. Ich glaube einfach, dass er versucht uns die Kultur und die Zeit zu zeigen, in welchen dieser Kurzfilm angesiedelt ist! Und sie ist mit jemand anderem verheiratet, weil sie die Königin ist. Ich weiß nicht, warum er entschieden hat, diesen speziellen Kurzfilm in diesem speziellen Setting anzusiedeln. Wäre es romantischer, wenn er ihn in einer heutigen Kirche angesiedelt hätte, wo er eine Hochzeit unterbricht, um die Braut zu fragen, ob sie sich erinnert, wie sehr sie einander einmal geliebt haben? Vielleicht. Und dann hätte er etwas Zeit damit verbringen können, mit der Hochzeitsgesellschaft zu tanzen, statt mit den Haremsdamen!


    Willa: Aber Königinnen müssen nicht verheiratet sein! Elizabeth Taylors Cleopatra war eine mächtige ägyptische Königin, die leidenschaftliche Affären sowohl mit Julius Cäsar (gespielt von Rex Harrison) als auch Marcus Antonius (gespielt von Richard Burton) hatte und sie war mit keinem von beiden verheiratet. Und du weißt, Michael Jackson muss diesen Film gesehen haben, so sehr wie er alte Filme und Elizabeth Taylor liebte.


    Aber mein Punkt ist, wenn er aus Remember the Time einfach eine hitzige Romanze hätte machen wollen, hätte er das leicht tun können, aber er tat es nicht. Ich meine, da ist eine Liebesszene enthalten, aber insgesamt fühlt es sich für mich einfach nicht so an, als sei es in erster Linie eine Liebesgeschichte. Es erscheint mir, dass er wieder einmal diese Doppelbeziehung andeutet, die wir so oft in seinen Songs und Videos sehen, von einem Mann mit seiner Geliebten ebenso wie von einem Performer und seinem Publikum. Wir haben über diese Doppelbeziehung zuvor in Posts über die My Baby Songs (Songs wie Heartbreak Hotel, Wanna Be Startin’ Somethin’, Dirty Diana und Dangerous) oder auch die Invincible Songs (wie Invincible, Don’t Walk Away, Butterflies, Whatever happens, and Speechless) und in Videos wie You Rock My World, Who Is It und Give In to Me gesprochen. Immer wieder sehen wir ihn dieses doppelte Erzählmuster erschaffen, das auf einer Ebene über die Beziehung zwischen einem Mann und seiner Geliebten spricht, aber auf einer anderen Ebene über die Beziehung zwischen einem Performer und seinem Publikum spricht.

    Und für mich wird diese doppelte Beziehung in Remember the Time vielleicht deutlicher dargelegt, als in jedem anderen Video – immerhin spielt er beide Rollen wirklich gleichzeitig. Er ist sowohl ein Mann, der versucht, sich wieder mit einer früheren Geliebten zu verbinden und ein Entertainer, der versucht, sein Publikum zu befriedigen, alles zur gleichen Zeit. Ich glaube nicht, dass wir das in irgendeinem anderen Video sehen.


    Und wenn wir uns dem Video auf diese Weise nähern – sowohl als verlorene Liebschaft, als auch als eine Geschichte über einen Performer und sein Publikum – dann ergeben all diese Dinge, die mich zuvor wirklich gestört haben, einen perfekten Sinn. Zum Beispiel kann ich verstehen, warum er die Königin als launisch und grausam darstellt, denn Publika sind wirklich launisch und grausam. Sie lieben Charlie Chaplin oder Shirley Temple oder Michael Jackson oder Justin Bieber den einen Tag und dann verspüren sie ein großes Vergnügen daran, sie am nächsten Tag zu zerstören. Und ich kann verstehen, warum er sich seinen Mund mit dem Handrücken abwischt, als wäre er drauf und dran in eine Schlacht zu ziehen, denn ich kann mir vorstellen, dass es sich häufig, wenn er mit einigen Angehörigen seines Publikums, insbesondere Kritikern, umgehen muss, wie eine Schlacht angefühlt haben muss.

    Was kann ich tun? Was kann ich für Michael tun?


    etwas Sinnvolleres anfangen


    Ich denke, sehr viel Leid, dass einen fest im Würgegriff hält, kommt von einem Gefühl der Ohnmacht angesichts all der schreienden Ungerechtigkeit, die man quasi als Zeuge wahrnimmt und die man nicht verhindern kann. Aber nur, weil man nicht direkt und in diesem speziellen Fall eingreifen kann, heißt das nicht, dass man gar nichts tun kann. Für mich steht Michael sinnbildlich für alle, die Dinge anders sehen und sich für eine bessere und gerechtere Welt einsetzen. Es gibt in jeder Stadt mehrere aktive Einzelkämpfer, Vereine, Projekte oder Gruppen, die sich engagieren und Ziele verfolgen, die ich als "Werte" mit Michael verbinde: Umweltschutz, Kindernothilfe, Unterstützung von Armen, Obdachlosen, Alten, Flüchtlingen oder Immigranten. Hilfe für misshandelte Frauen, für Menschen, die Schicksalsschläge und Leid erfahren haben, für freie Kunst, lokale Bands oder für mehr Nachhaltigkeit und Do-it-yourself. Es gibt Vereine für Eine-Welt-Arbeit und ehrenamtlich geführte Weltläden bzw. Organisationen für Fairen Handel, für alternative Kulturangebote, für Bildungsarbeit und, und, und. Wir erfahren nicht unbedingt von diesen Menschen, aber es gibt sie überall und überall ist Not am Mann und Mithilfe erwünscht. Wenn man sich in irgendeiner Form (jeder hat andere Interessen und auch jeweils eigene Talente) aktiv auf gesellschaftlicher Ebene engagiert, bekommt man auf jeden Fall wirklich das Gefühl, der Entwicklung dieser irren Ego-Welt entgegenzuwirken. Mir hilft das ungemein. Man fühlt sich nicht so allein und isoliert mit seiner Weltanschauung, nicht so machtlos, als wäre das alles naives Wunschdenken und nicht zuletzt pusht es alle Beteiligten so richtig, wenn man mal wieder einen Erfolg verbuchen konnte oder irgendwo einen kleinen Schritt weitergekommen ist.

    Wenn dieses krasse Verhalten nicht als Spiegel funktioniert, dann weiß ich auch nicht.


    Allerdings. Und alle mögen Murray nun brav dafür rügen, aber sie bringen es dennoch. Gerade die Penis-im-Katheter-und-Bettnässer-Geschichte passt ja wie angegossen in die Storyline vom gestörten, kranken Kindmann, der einfach nicht erwachsen wurde. Da ist sie also wieder, die alte Lüsternheit, die einen die Dinge im wahrsten Sinne des Wortes in den medialen Mund nehmen lässt. Man möchte mit dem US-Comedian Eddie Griffin sagen: “Stop suckin' his d***!”


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    Und nach all dem Erfolg, den Michael nun wieder feiern durfte, muss es ihnen ja auch schon ziemlich unter den Fingernägeln gebrannt haben. Es ist aber tatsächlich nur eine Geschichte, um die es hier geht, die fiktive Geschichte von „Wacko Jacko“, der mit Michael Jackson tatsächlich nichts zu tun hat. Er ist nicht echt und auch die ganze Geschichte ist nicht real. Im Grunde geht es nämlich "nur" um die „Moral von der Geschicht“ - wie Jacko sein, das will ich nicht. Das einzig Reale an der fragwürdigen Hauptfigur ist das Spiegelbild, das sie in so vielen Menschen hervorruft. Wir müssen über uns, über die Menschen reden, wenn uns Jacko interessiert. So betrachtet schmerzt das Ganze überhaupt nicht mehr. Wenn, dann höchstens in dem Sinne, was es für uns bedeutet (was sich aber sehr gut lindern lässt, indem man Dinge schon mal auf persönlicher Ebene aktiv verändert) aber Michael...da sehe ich es wie Sky:


    Er wusste wer er war.


    Und in diesem Bewusstsein kann man auch ganz anders und in gewisser Weise distanziert damit umgehen (und ich gehe schon davon aus, dass er das auch seinen Kindern bewusst gemacht hat). Denn im Grunde beobachtet man nun Menschen, wie sie mit ihren eigenen gruseligen Problemen umgehen, während sie versuchen, dies an einem offiziell von ihnen losgelösten Sündenbock (Wacko Jacko, ihr Alter Ego) zu tun. Es war bestimmt alles andere als leicht, aber ich denke oft an seine eigenen Worte, wie z.B. hier in einem Interview mit Pharell Williams 2003 (auch wenn das noch vor dem Prozess war):


    „[...]Und mein Motto war Heal the World, We are the World, Earth Song, Rette unsere Kinder, Hilf unserem Planeten. Und Menschen wollen mich dafür verfolgen, aber es tut niemals weh, weil die Fanbase stärker wird. Und je mehr du etwas hart schlägst, umso abgehärteter wird es – umso stärker wird es. Und das ist es, was passiert ist: Ich bin unverwüstlich. Ich habe eine Rhinozeroshaut. Nichts kann mich verletzen. Nichts.


    (Quelle: http://www.interviewmagazine.com/music/michael-jackson/#_)


    Blaue Blume : Du hattest doch mal eine tolle Pixelei zu dem Zitat gemacht, oder?

    Erinnerst du dich....dass Ägypten in Afrika ist?


    Nov 21


    Joie: Nun, Willa … Ich habe darüber nachgedacht, wie wir bereits in unserem dritten Jahr mit diesem Blog sind und über all die wunderbaren Posts, die wir gemacht haben und die erstaunlichen Unterhaltungen, die wir hatten. Weißt du, wir haben über so viele verschiedene Aspekte von Michael Jacksons Künstlertum gesprochen, von seinen Songs und Kurzfilmen bis hin zu seiner Wirkung auf eine ganze Generation von Menschen und von seinen Beiträgen zu Musik, Mode, Popkultur und Menschlichkeit. Und während all dieser Unterhaltungen gibt es tatsächlich ein Thema, das wir wirklich überhaupt nicht angeschnitten haben und ich bin verblüfft, dass wir es übersehen haben. Ich spreche von Remember the Time, sowohl dem Song selbst, als auch dem Kurzfilm. In all den Unterhaltungen, die wir in den vergangenen zwei Jahren geführt haben, haben wir es, glaub ich, nicht oft erwähnt. Oder haben wir?


    Willa: Nein, haben wir nicht und es ist eines der großartigen Werke, um darüber zu sprechen! Aber wir haben über viel unglaubliche Arbeit nicht gesprochen – Kurzfilme wie Beat it und Billie Jean und Scream, ebenso wie weitere visuelle Kunst und Musik und Tanz. Ganz zu schweigen von den unveröffentlichten Songs und Filmen oder der klassischen Musik, die er komponiert hat, die noch nicht einmal aufgenommen wurde. Er hat ein riesiges Schaffenswerk hinterlassen.

    Joie: Also, Remember the Time ist in der Tat einer von Michaels großartigsten Kurzfilmen, meiner Meinung nach. Zum Teil, weil er so eine wundervolle und unterhaltsame Besetzung hat – Eddie Murphy, Iman, und Magic Johnson glänzen alle einfach in ihren Rollen in diesem Video.

    Willa: Das ist wahr und die Beziehungen zwischen ihnen und den Charakteren, die sie spielen, ist auch interessant. Zum Beispiel Imans Rolle, eine ägyptische Königin, ist verheiratet mit Eddie Murphys Rolle, dem Pharao. Aber du bekommst den Eindruck, dass sie in Wirklichkeit Michael Jacksons Rolle will, ein magischer/musikalischer mysteriöser Mann mit vielen verborgenen Talenten. Der Pharao bemerkt dies und fühlt sich davon sehr bedroht, also ruft er seine Wächter. Doch während sie herumlaufen und diese mysteriöse Figur jagen, ist er abgehauen und verbringt eine leidenschaftliche Zeit mit der Königin in ihren Privatgemächern.


    Das ist alles ziemlich witzig, wenn du dich daran erinnerst, dass Eddie Murphy sich in den 1980ern in Saturday Night Live und seinen regelmäßigen Comedyauftritten bei der Delirious Tour und anderen wiederholt über Michael Jackson lustig gemacht hat, indem er nicht gerade subtil angedeutet hat, dass Michael Jackson nicht „männlich“ genug wäre. Aber wenn du Remember the Time ansiehst, bekommst du den Eindruck, dass seine „Frau“ dem nicht zustimmt.

    Joie: Das ist witzig, Willa. Ich habe diese Verbindung nie zuvor gemacht. Natürlich habe ich diese Eddie Murphy Sketche immer und immer wieder gesehen, aber ich habe über sie nie in Bezug auf das Remember the Time Video nachgedacht. Das ist interessant.

    Willa:
    Es ist interessant, nicht wahr? Weißt du, sie schienen sich gegenseitig sehr zu respektieren, beruflich, aber es verschärfte sich manchmal – genauso wie es da eine Feindseeligkeit zwischen ihren Charakteren in diesem Film gibt. Und es verschärft sich definitiv auch zwischen dem Magier/Musiker und der Königin. Es wird als verbotene Liebschaft dargestellt, aber es steckt mehr dahinter als das. Die Königin verlangt danach, unterhalten zu werden und als die ersten beiden Performer ihr nicht gefallen, lässt sie sie hinrichten. Dann also versucht es der Magier/Musiker und er fühlt sich zu ihr hingezogen, aber er scheint auch irgendwie böse mit ihr zu sein – und man kann verstehen warum.


    Joie: Hmm. Tatsächlich bin ich mir in beiden Punkten nicht sicher, ob ich weiß, was du meinst. Was Eddie Murphy betrifft, fühlt es sich für mich überhaupt nicht so an, als verschärfe sich etwas an ihrer Freundschaft. Ich denke, sie schien wirklich aufrichtig zu sein. Diese alten Sketche, über die du zuvor geredet hast, Michael hat einmal gesagt, dass er denke, sie wären wirklich witzig und er wäre beeindruckt von Eddies Singstimme, wenn er ihn nachmacht. Also ich denke überhaupt nicht, dass sich da was verschärft hat.

    Willa: Nun, du hast recht – Eddie Murphy hat eine wundervolle Stimme...

    Joie: Und in dem Video, die Interaktion zwischen Michaels Rolle und der von Iman – Ich empfinde es nicht so, dass er böse mit ihr ist. Für mich ist die Handlung, die von dem Video geschaffen wird, eine von verlorener Liebe. Sie teilen offensichtlich eine gemeinsame romantische Geschichte miteinander, sie ist überrascht, ihn dort in dem Palast zu sehen, den sie nun mit ihrem Ehemann, dem Pharao, teilt und er fragt sie unmerklich (oder vielleicht nicht so unmerklich), ob sie sich an „sie“ erinnert – wie sehr sie verliebt waren, was sie einander bedeutet hatten. Ich sehe ihn nicht böse sein mit ihr.

    Willa: Das ist lustig, dass wir das alles so unterschiedlich sehen, Joie! Mein Gefühl ist, dass Eddie Murphy Michael Jackson sehr für sein Talent und sein Charisma und seine massenhaften Umsätze respektiert hat, aber er hat ihn überhaupt nicht verstanden. Laut Randy Taraborrelli, hat Murphy ihm einmal erzählt: „Ich liebe Michael, aber er ist seltsam.”


    Joie: Nun, es tut mir leid, aber ich schenke nichts, was Taraborelli sagt, viel Glauben.

    Willa: Nun, ok, aber es ist wahr, dass Eddie Murphy Michael Jackson oft in seinen Comedy Sketchen lächerlich gemacht hat. Ich erinnere mich, vor langer Zeit einen Sketch bei Saturday Night Live gesehen zu haben, bei dem er eine Michael Jackson Puppe hielt und im Grunde darüber sprach, wie unmännlich sie wäre. Und dann am Ende des Sketches, zog er der Puppe die Hosen aus, wies darauf hin, dass sie keinerlei männliche Geschlechtsteile hätte – als ob Puppen das generell hätten – und sagte etwas darüber, dass sie anatomisch korrekt sei. Es hat mich ziemlich schockiert, um ehrlich zu sein, einfach wie grob es war. Ich konnte keinen Clip davon finden, also habe ich es vielleicht schlimmer in Erinnerung, als es war, aber so wie ich mich erinnere, hatte es einen sehr verhöhnenden Ton an sich.


    Ich denke, Eddie Murphy hat Dinge wie diese in erster Linie getan, weil er ein echter Kerl ist, ein Mannsbild im traditionellen Sinne des Wortes und er verspottete Michael Jackson dafür, dass er damit nicht konform ging – dafür, dass er versuchte neu zu definieren, was es bedeutet „ein Mann zu sein“, wie wir darüber mit Bad in einem Post letzten Herbst gesprochen haben. Aber während Michael Jackson kein Macho im traditionellen Sinne gewesen sein mag, so hatte er doch eine unheimliche Macht, die er auf milde Art und Weise ausübte. Wir sehen einen flüchtigen Eindruck davon in diesem Clip von den American Music Awards 1989:


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    Es ist ein lustiger Clip, aber es ist interessant, dass Eddie Murphy anfängt, ihm mit dem Mikrofon zu helfen „als würde ich für ihn arbeiten oder so“ und sich dann selbst stoppt, als wäre es unter seiner Würde: „Warte, was mache ich da?“


    Aber sogar noch interessanter ist, denke ich, dass sie sich selbst, ihre Karrieren und ihre kulturelle Funktion auf unterschiedliche Weisen sehen. Eddie Murphy sieht sich selbst als Entertainer, während Michael Jackson beides war, ein Entertainer und ein Künstler – und das ist ein riesiger Unterschied. Ein Entertainer versucht, sein Publikum zu befriedigen und ihnen das zu geben, was sie wollen – wie die Entertainer, die versuchen der Königin in dem Video zu gefallen. Und als ein Entertainer, denke ich, dachte Eddie Murphy Michael Jackson wäre “seltsam” indem er das nicht tat – indem er uns nicht einfach das gab, was wir wollen.


    Aber Michael Jackson hatte ebenso die Vision eines Künstlers als eines Entertainers und Künstler versuchen nicht immer uns zu gefallen. Tatsächlich fordern sie uns manchmal heraus oder machen uns wütend oder machen es uns unbequem oder formen gar unsere Wünsche um und zwingen uns, uns zu fragen, was wir wirklich wollen und warum – gewissermaßen wie sein Charakter es mit der Königin macht. Er unterhält sie nicht einfach – er wühlt sie auch auf.


    Joie: Ich verstehe, was du versuchst zu sagen, Willa. Aber ich denke,es ist ein bisschen anmaßend von uns zu behaupten, wir wüssten mit Sicherheit, wie Eddie Murphy sich selbst, seine Karriere oder seine kulturelle Funktion sieht. Ich halte es für sicherer zu sagen, du glaubst, das ist es, wie er Dinge sieht, aber du weißt es nicht wirklich. In der Tat denkt Eddie Murphy nach allem, was wir wissen, vielleicht über sich und seine Karriere überhaupt nicht in Bezug auf seine „kulturellen Funktion“ nach. Dieser Gedanke ist ihm vielleicht noch nie in den Sinn gekommen. Es ist einfach eine Idee, die du ihm überstülpst.

    Und ich wäre bereit, darauf zu wetten, dass Eddie Murphy sich selbst für einen Künstler hält. Schließlich hat er zwei Alben auf seinem Konto und arbeitet derzeit an einem dritten. Er hat Hintergrundgesänge für andere Künstler geliefert und er hat mehrere Songs in dem Film Shrek gesungen. Hier ist ein Link zu seiner neuen Single, ein Reggae Lied namens Red Light featuring Snoop Lion.

    „Wir betreiben kein Café für Veganer. Vielmehr wollen wir allen anderen zeigen, wie lecker die vegane Küche ist. Wir wollen den Gedanken nach draußen bringen und hoffen, dass immer mehr Menschen ihre Ernährung umstellen.“


    Oh, das erinnert mich an ein Bild, das ich kürzlich irgendwo gesehen hatte:



    "Die erste Regel des Vegan-Club, erzähl jedem vom Vegan-Club". Es ist eine Anlehnung an den Film Fightclub, aus dem auch das Bild stammt.
    Vermutlich ist es eigentlich als Verarsche gemeint, denn im Film lautet die erste Regel der harten Jungs genau anders herum: "Erzähl niemandem vom Fightclub". Das drückt wohl aus, wie schrecklich genervt viele Allesesser davon sind, dass sie ständig mit den Belehrungen und dem Blabla der Veganer konfrontiert werden (wobei es meiner ganz persönlichen Erfahrung nach meistens so ist, dass andere das Thema ansprechen, wenn sie mitbekommen, wie ich z.B. bestelle - mit all den Zusatzfragen, ob und was in was enthalten ist oder nicht :kicher: ). Aber ich finde das Bild einfach cool. Denn im Grunde steckt ja oft nicht mehr dahinter, als dass es erstmal ein simples Ansprechen und Aufklären braucht, damit die Welt sich ändert... auch wenn das bedeutet, dass man erst mal ne harte "Fightclub"-Zeit durchmachen muss. :-D Spread the message!


    Dancer : Das Zitat von Steve Jobbs. Ist das wirklich von ihm? Ich kenn es (nur) aus einem Apple-Werbespot, der auch auf MJ umgemünzt wurde:


    Ypp09Hq7T9g
    TuMFogHeRjI




    Unser kleines Rastaround...
    0IOhDtTmqJM


    Ilhani mit Attila

    Lisha: Diese Szene ist schmerzlich anzuschauen, soviel ist sicher.

    Willa: Das ist sie wirklich. Aber weißt du, wenn wir den Clip sorgfältiger betrachten, gibt es da einige sehr interessante Details, die verkomplizieren könnten, wie wie das interpretieren – besonders diese Silhouetten, die in dem zweiten Clip hinter ihm tanzen. Diese Silhouette scheinen die schwarzen Tänzer darzustellen, die vor ihm gekommen waren – speziell Bill Robinson, der “Bojangles”, der im Titel erwähnt – und diese Silhouetten sind größer als er. Tatsächlich überragen sie ihn, was psychologisch Sinn ergibt. Schließlich können unsere Lehrmeister uns ebenso einschüchtern wie inspirieren.


    Diese Silhouetten scheinen auch bessere Tänzer zu sein als er es ist (obwohl er natürlich beide Rollen spielt). Tatsächlich müht er sich an einer Stelle ab, mit ihnen mitzuhalten. Später beweist er, dass er gut gelernt hat und ein fähiger Tänzer ist – in der Tat scheint er sie letztlich an die Wand zu tanzen. Aber ironischerweise kann selbst das als ein Zeichen dafür gelesen werden, wie über-ehrfurchtsvoll er ihnen gegenüber ist. Es erinnert mich an Harold Bloom’s “Anxiety of Influence" ("Angst vor Einfluss"), in dem er darüber spricht, wie Künstler dazu neigen, ihre unmittelbaren Vorgänger unterzubewerten, einfach um sich selbst ein wenig Raum zum Atmen zu geben. Die Tatsache, dass Fred Astaire die Notwendigkeit verspürt hat, sich selbst im Wettbewerb mit diesen Figuren der Vergangenheit zu beweisen, offenbart nur, wie sehr sie in seiner Vorstellung bedrohlich näherrücken.


    Es ist also interessant darüber nachzudenken, wer in dieser Nummer in den Vordergrund gestellt wird. Fred Astaire befindet sich davor, also scheint er es zu sein, aber ich für mich persönlich, kann dennoch meine Augen nicht von diesen Silhouetten abwenden und sie führen tatsächlich die Choreographie größtenteils an. Wenn wir diese Nummer also als eine Reflexion von Fred Astaires Geist betrachten, dann geht da eine Menge vor sich in dieser Performance – sehr viel mehr, als wir auf den ersten Blick denken.


    Lisha: Wow, das ist wirklich interessant und verleiht der Idee, dass dies als eine von Herzen kommende Hommage an Bill Robinson gesehen werden kann, sehr viel mehr Glaubwürdigkeit, trotz der Tatsache, dass die Blackface Sache so enttäuschend ist, wie sie nur sein kann. Genau wie bei Limehouse Blues ist es schwer, die Nummer als Ganzes abzutun, so sehr es scheint, dass wir das tun sollten. Wenn du die Live Performance von Smooth Criminal aus den Bad, Dangerous, und HIStory Welttourneen ansiehst, ist es ziemlich eindeutig, dass Michael Jackson selbst der Szene ein OK gibt. Er verwendet diese Silhouetten selbst, möglicherweise um sich selbst damit symbolisch in die Geschichte des Tanzes einzufügen und um Astaire Tribut zu zollen.


    Willa: Das ist ein wirklich gutes Argument, Lisha! Und eine sehr interessante Art und Weise das zu interpretieren. Du hast recht, er verwendet diese Silhouetten oft – auf Tournee, wie du sagst, und in dem Video You rock my world und in einer sehr interessanten und nuancierten Performance von Dangerous bei den MTV Awards 1995. Hier ist ein Clip:


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    Lisha: Ich wüsste nicht, dass ich jemals wirklich über diese Silhouetten in dieser Performance nachgedacht hätte oder darüber, wie sie von sowohl Smooth Criminal und Fred Astaire entliehen wurden. Was für mich so interessant daran ist, ist, dass ich über diese Performance normalerweise mit Bezug zu Judy Garlands Get Happy in Summer Stock sehe:


    2U-rBZREQMw


    Aber nun, wo du es erwähnt hast, hat er diese Performance mit so vielen Fred Astaire Zitaten bespickt, dass man es nicht anders sehen könnte.

    Willa: Wow, Lisha, das ist unglaublich! Da gibt es wirklich starke Ähnlichkeiten zu Get Happy, oder? Besonders in dem Intro. Ich hatte das nicht in Verbindung gebracht – zu konzentriert auf Fred Astaire, schätze ich. Auf Astaire wird sich die gesamte MTV Dangerous Performance hindurch bezogen – von den Lyrics und den gesprochenen Zeilen, die dirket die Girl Hunt Ballet Nummer in The Band Wagon zitieren; über Anspielungen zu Smooth Criminal, wie du zuvor bemerkt hast, Lisha, das Michael Jacksons künstlerische Antwort auf Girl Hunt Ballet war; bis hin zu diesen großen Silhouetten etwa nach 3:30 Minuten.


    Wie die Silhouetten in Bojangles of Harlem, bewegen sie sich unabhängig von Michael Jackson, während er vor ihnen tanzt. Aber während diese Silhouetten Fred Astaire herauszufordern und gar gegen ihn rebellieren zu scheinen, nicken die Silhouetten hinter Michael Jackson ihm anerkennend zu und scheinen ihn zu unterstützen und zu ermutigen. Für mich legt das nahe, dass er sich mit seinen Vorgängern sehr viel mehr verbunden und auf einer Linie gefühlt – mehr in Frieden mit ihnen – als Fred Astaire das tat.


    Lisha: Es scheint, viele große Michael Jackson Momente können zu Fred Astaire zurückverfolgt werden, wie der Deckentanz in Ghosts, der mich an You’re All the World to Me aus Royal Wedding erinnert:


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    Fred Astaires Treten und Glas zerbrechen in One for My Baby aus The Sky’s the Limit verweisen für mich auf die Glas zerschmetternden Tritte in One more Chance oder auf die Klangeffekte am Anfang von Jam zu Beginn des Dangerous Albums:


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    Willa: Oh interessant, Lisha! Ich habe nie zuvor diese Verbindungen gemacht.


    Lisha: Michael Jackson hat Fred Astaire eindeutig bewundert und nachgeahmt, also reden wir über das hin- und hergerissen sein! Astaire in Blackface in der Bojangles Nummer zu sehen ist eine heftig unbehagliche Erfahrung, viel heftiger, als ihn diese chinesische Rolle darstellen zu sehen. Es würde einer sehr langwierigen und intensiven Diskussion bedürfen, um all die Gründe auszupacken, warum das so ist.

    Willa: Ich stimme absolut zu. Ich fühle mich bei dieser Nummer hin- und her gerissen, sogar irgendwie beschämt, sie anzuschauen, aber zugleich denke ich, dass das eine wichtige Diskussion ist, die wir führen sollten. Und glücklicherweise gibt es eine Expertin für dieses Thema, die bereit ist, zu uns zu stoßen und uns zu helfen, das alles durchzusprechen.


    Harriet Manning hat eben ein Buch herausgegeben, "Michael Jackson and the Blackface Mask" ("Michael Jackson und die Blackface Maske"), das einige dieser Belange, mit welchen wir uns heute herumgeschlagen haben, untersucht. Bisher habe ich erst die ersten beiden Kapitel gelesen, aber was ich gelesen habe, ist faszinierend und es zeigt einen ganz anderen Weg auf, sowohl die Blackface Tradition – die sowohl in den USA, als auch im Vereinten Königreich mehr als ein Jahrhundert lang extrem populär war – als auch Michael Jackson in Beziehung zu dieser Tradition zu sehen. Und Harriet hat überaus netterweise zugestimmt, mit uns darüber zu sprechen. Also hoffe ich, du wirst wieder zu uns stoßen, Lisha, wenn wir dieses unbequeme Thema etwas weiter untersuchen.


    Lisha: Ich würde es lieben! Harriets Buch klingt faszinierend und sie ist genau die Art von Expertin, die wir für dieses Thema brauchen. Ich freue mich wirklich darauf ihr Buch zu lesen und wirklich mehr in die Thematik einzutauchen. Als eine Menschenfamilie haben wir immer noch viel Heilung, die wir für dieses Thema erbringen müssen, vor uns.

    Lisha: Es sieht so aus, als kämen eine Menge der Clips aus der The Jacksons Varieté Show direkt aus diesem Film. Aber ich sehe auch eine Menge Dinge in Michael Jacksons Performance, die möglicherweise näher auf seine Verbindung zu Fred Astaire eingehen. Vor einigen Jahren hatte ich das Glück, einer herausragende Präsentation der Tanzhistoriker Bonnie Brooks und Raquel Monroe mit dem Titel „Das postmoderne Genie von Michael Jackson“ am Columbia College in Chicago beizuwohnen. Sie beschrieben Michael Jacksons Tanzperformances als eine virtuelle Geschichte des Tanzes und hoben hervor, wie er so viele verschiedene Einflüsse auf eine solch makellose und originelle Weise verschmolzen hat, dass man sie einfach nur „genial“ nennen kann. Einer der faszinierendsten Clips, die sie verwendet haben, um das zu veranschaulichen, war eine Performance der Nicholas Brothers aus dem Film Stormy Weather. In dem The Jacksons Clip oben (etwa beginnend bei 2:25) bemerkte ich, dass der Treppenaufgang, die Rampe und die Teilungen am Ende dem Ende der Nicholas Brothers Performance ziemlich ähnlich waren:


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    Willa: Oh, und auch die Drehungen! Wow, Lisha, wenn du sie nebeneinanderstellst kannst du diese Einflüsse wirklich sehen. Und laut Fayard Nicholas hat Fred Astaire ihm erzählt: „Das ist die größte Tanznummer, die ich je auf Film gesehen habe.“ (Hier ist ein Link zu dem Fayard Nicholas Interview. Der Kommentar ist fast am Ende – nach etwa 7 Minuten).


    Weißt du, eine Sache, die mich an all dem beeindruckt, Lisha, ist, dass Stormy Weather locker auf dem Leben von Bill “Bojangles” Robinson basiert, dem eleganten, aber ausdrucksstarken Tänzer, der dabei half, bezüglich Tanz und Choreographie im Film Pionierarbeit zu leisten. Zum Beispiel tanzte er mit Shirley Temple in einer Reihe von sehr berühmten Filmen in den 30er Jahren – und übrigens glaube ich, dass war das erste Mal, dass ein schwarzer Mann jemals auf der Bühne oder im Film mit einer weißen Frau getanzt hat. Die Nicholas Brothers zollen Robinson in Stormy Weather Tribut und Fred Astaire zollt ihm Tribut in The Band Wagon (das ihn namentlich erwähnt) und in einer sehr problematischen Nummer, Bojangles of Harlem, aus dem Film Swing Time. Bill Robinson hat also sowohl die Nicholas Brothers, als auch Fred Astaire beeinflusst und dann haben sie Michael Jackson stark beeinflusst, der, wie du sagst, „eine virtuelle Geschichte des Tanzes“ umspannt.


    Lisha: Es scheint, Bill Robinson war ein großer Einfluss für alle diese Künstler. Fred Astaires Arbeit basiert, zumindest teilweise, auf der schwarzen Stepptanztradition, wie Brenda Dixon Gottschild in "Waltzing in the Dark: African American Vaudeville and Race Politics in the Swing Era" ("Walzer tanzen im Dunkeln: Afroamerikanische Vaudeville und Rassenpolitik in der Ära des Swing") anmerkt. Wir wissen, Michael Jackson war ebenfalls von der schwarzen Stepptanztradition beeinflusst – er tanzte sogar mit den Nicholas Brothers im Jahr 1977 und hat möglicherweise auch mit ihnen geübt:


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    Die Frage ist also, wer sich in all diesen Beispielen wessen Kultur aneignet? Stepptanz hat sowohl Wurzeln in europäischen, als auch in afrikanischen Traditionen. Vieles wurde darüber gesagt, wie Michael Jackson Anleihen von Fred Astaire und Hollywoodmusicals gemacht hat, aber wenig wird darüber gesagt, wie vieles weiße Performer schwarzen Tänzern verdanken, solchen wie Bill Robinson und den Nicholas Brothers.


    Willa: Das ist ein ausgezeichnetes Argument, Lisha. Also wenn Michael Jackson Fred Astaire bezüglich seines Tanzes zitiert, deutet er dann zurück auf eine weiße oder schwarze Tradition? Die Antwort darauf ist ziemlich kompliziert, wie du andeutest.


    Lisha: Zur selben Zeit, als Hollywood schwarze Performer unterdrückt hat, hat es auch an deren Talenten verdient. Die Anthropologin Elizabeth Chin schrieb einen unglaublichen Essay für das Journal of Popular Music Studies mit dem Titel "Double Consciousness and the Uncanny Business of Performing While Black" ( "Michael Jacksons Panter Tanz: Doppelbewusstsein und das unheimliche Geschäft des Performens während des Schwarzseins"). Sie sieht in dieser Hinsicht eine direkte Verbindung zwischen Stormy Weather und Michael Jacksons Panter Tanz als einem Traumballett, das „Teil eines andauernden Kampfes seitens afroamerikanischer Künstler, ihre Arbeit gemäß ihren eigenen Vorstellungen zu präsentieren.“


    Willa: Chin’s Artikel ist faszinierend, besonders die Art und Weise, wie sie das Traumballett betrachtet, von dem sie glaubt, es entwickelte sich mit Stormy Weather und hat seinen vollständigsten Ausdruck vielleicht in dem Panter Tanz erreicht. Sie sieht das Traumballett als einen Ort, an dem schwarze Künstler aus weißen Stereotypen gewissermaßen ausbrechen und ihre eigenen Träume und ihre eigene Sichtweise ausdrücken konnten – obgleich diese Träume und Sichtweisen, wie Chin einräumt, einem weißen Publikum schmackhaft gemacht werden mussten.

    Aber ich bin nicht sicher, ob Jackson in dem Panter Tanz seine Träume und seine Wut gezügelt hat – zumindest nicht ausreichend für manch weiße Befindlichkeiten, was ein Grund dafür ist, dass es einen solchen Aufschrei verursacht hat, als es erstmals ausgestrahlt wurde.


    Lisha: Ich stimme dir da zu. Wenn Michael Jackson seinen Hut aufsetzt und in das “Spotlight” tritt, um einen hyper-sexualisierten, hyper-kriminalisierten Stepptanz zu performen, „performt“ er seine Rasse und sein Geschlecht auf eine sehr komplexe Art, die, wie ich glaube, die Überzeugungen, Wahrnehmungen und Erwartungen weißer Zuschauer zur Schau stellt. Wieder verkörpert er die Textzeile aus Is it scary: “I’m gonna be, exactly what you want to see.”/ "Ich werde genau das sein, was du sehen willst." Während er die alptraumhaften Vorstellungen der dominanten Kultur von schwarzen Männern als hyper-sexualisierte Kriminelle und Entertainer abspielt, drückt er auch seine Wut über diese Überzeugungen und Erwartungen aus. Der Tanz ist unglaublich schön, aber er ist auch extrem intensiv und unbequem. “Niederschmetternd” ist das Wort, das der Amerikanistik Professor Eric Lott verwendet hat, um den Tanz zu beschreiben.


    Willa: Das ist eine gute Beschreibung.


    Lisha: Aber ich denke Chin macht eine exzellente Bemerkung, wenn sie Gene Kellys “übermütiges Pfützenplanschen” in Singin’ in the Rain mit “dem stampfenden und schreienden Jackson” in dem Panter Tanz vergleicht. Die schwarze Traumlandschaft wird als Rückeroberung von Raum interpretiert, die weiße Tänzer sich von schwarzen Steppern angeeignet hatten, etwas, von dem ich denke, Kelly merkt es vielleicht in seiner Performance mit den Nicholas Brothers in The Pirate an:


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    Willa: Das ist ein großartiger Clip, Lisha! Und Ich stimme zu, dass Gene Kelly insbesondere den Nicholas Brothers Tribut zu zollen scheint, ebenso wie der Tradition des schwarzen Tanzes generell – eine Tradition, von der sowohl er, als auch Fred Astaire für ihre Arbeit ausgiebig gezehrt haben.


    Und das erinnert mich wieder einmal an die problematische Nummer Bojangles of Harlem, die Astaire offensichtlich als Tribut an Bill Robinson performt hat. Daran ist am verstörendsten, dass er in Blackface (Schwarzgesicht) performt und das ist kein irgendwie verborgener Film, den nie jemand gesehen hätte. Sie ist aus Swing Time, den viele Kritiker, Roger Ebert eingeschlossen, als die beste seiner Zusammenarbeiten mit Ginger Rodgers sehen. Ich konnte keinen Clip von der gesamten Nummer finden, aber hier ist sie in zwei Teilen:


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    Ich erinnere mich an das erste Mal, als ich das gesehen habe. Ich war sprachlos und so enttäuscht, dass er es gemacht hat. Es fühlt sich zutiefst beleidigend an, es fast 80 Jahre nachdem es gefilmt wurde, anzusehen und ich kann dieses Gefühl nicht abschütteln. Und ich frage mich, wie es sich für Michael Jackson angefühlt hat das zu sehen, wissend, wie sehr er Fred Astaire bewundert hat?

    Kann mich auch nicht erinnern, dass zB eine Fred Astaire seine Anwälte einschaltete um einem Klau entgegenzuwirken!


    Zumal der sich ja auch von schwarzen Künstlern inspirieren lies... :ja1: Ich wette Bubbles, der berühmte Affe :hihi1: , bekam seinen Namen von diesem Tänzer hier:
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    Ja, bei Dancing with the elephant ging es schon oft um diese Vaudville-Traditionen (und andere Einflüsse). Im aktuellen Post ja auch. Ich werd den Rest die Tage übersetzen und einstellen. :Tova: Wer die Videos schon mal gucken will kann das hier tun. Die anderen Stellen müsste ich auch erstmal raussuchen. :lupe:


    edit:
    hier zum Beispiel: http://mjjackson-forever.com/i…&postID=238876#post238876

    Kanntet ihr das? Muss schon länger her sein...


    "Eine Gruppe von Ärzten startet eine Kampagne gegen Fastfood. In einer Fersehwerbung ist ein übergewichtiger Toter im Leichenschauhaus zu sehen, der gerne bei McDonald’s gegessen hat. Der Konzern schimpft."


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    Zitat von »Dancer«
    Brüssel schlägt Alarm: In der Lebensmittelbranche wird offenbar zunehmend getäuscht und betrogen.


    Ach, warum verwundert mich das in keinster Weise? Was man nur raten kann ist möglichst viel selbst machen und auf Fertigprodukte verzichten.


    Absolut! Hab erst gestern zum 1. Mal von Aspartam gehört... :örks:
    Hier eine kurze Doku:


    "Der Dokumentarfilm beleuchtet, unter welchen Bedingungen Lebensmittel produziert, verarbeitet und konsumiert werden, und zwar vom Feld bis auf den Teller, von den verwendeten Pestiziden bis hin zu Zusatzstoffen und Kunststoffen, mit denen die Lebensmittel in Berührung kommen. Am Beispiel von verschiedenen Pestiziden, vom Süstoff Aspartam und von der in vielen Verpackungen enthaltenen Substanz Bisphenol A wird deutlich, wie mangelhaft und ungeeignet die Bewertungs- und Zulassungsverfahren für chemische Lebensmittelzusätze sind.


    Der Dokumentarfilm zeigt außerdem, mit welchen Mitteln die Industrie Druck ausübt und manipuliert, um weiterhin hochgiftige Produkte vermarkten zu können."


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    Fred Astaire, “Bojangles,” and “the Real Limehouse Blues”


    Nov 07


    Willa: Weißt du, Lisha, ich habe versucht, mehr über Fred Astaire zu lernen, weil er so eine wichtige Inspiration für Michael Jackson war. Wir sehen seinen Einfluss an einigen seiner Tanzschritte und an seiner Choreografie, natürlich, und an einigen seiner Kostüme, wie an seinem berühmten Fedora. Wir sehen direkte Einflüsse in den Videos für Smooth Criminal und You rock my world und in den Lyrics zu Dangerous. Und wir sehen es subtiler auch an anderen Stellen.


    Michael Jackson hat von Fred Astaire immer mit dem allergrößten Respekt gesprochen. Zum Beispiel wurde er in einem Fragebogen, den er 1977 ausgefüllt hat, als er gerade erst 18 war, nach den Entertainern gefragt, die er am meisten bewundere. Seine Antwort war Fred Astaire und Stevie Wonder. Nachdem er gestorben war, hat Kobe Bryant mehrmals erwähnt, wie Michael Jackson ihn ermutigt hätte, zurückzugehen und sich Astaires Filme anzusehen – wie in dieser Pressekonferenz und in einem Artikel des Time Magazins, “Remembering Michael”:


    „Abgesehen von dem Genie, das er war, war er einfach eine aufrichtig, aufrichtig nette Person. Er hat mich heiß auf Filme gemacht, die ich normalerweise nie ansehen würde. Fred Astaire Filme. All die alten Klassiker. … Er war einfach eine aufrichtig nette Person, die außerordentlich klug, außerordentlich klug, und getrieben und talentiert war. Wenn du diese Dinge zusammenmixt, Mann, dann hast du Michael Jackson.“


    Also habe ich versucht, so viele Fred Astaire Filme anzusehen, wie ich konnte und letztes Frühjahr kam es, dass ich über einen namens Ziegfeld Follies gestolpert bin. Es ist kein Film mit einer Geschichte, wie wir es uns generell vorstellen. Es ist eher eine Reihe von Song- und Tanznummern, durchsetzt mit Comedysketchen, wie die originalen Ziegfeld Shows, die über 25 Jahre lang auf dem Broadway gelaufen sind. Und eine dieser Nummern ganz speziell hat meine Aufmerksamkeit komplett gefangen genommen – in der Tat konnte ich seither nicht aufhören, daran zu denken. Sie heißt Limehouse Blues. Hier ist ein Clip:


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    Lisha: Wow, ich muss sagen, das ist wirklich eine schöne Nummer im Stil einer Broadway/Hollywood Produktion, aber Fred Astaire und Lucille Bremer als asiatische Charaktere geschminkt zu sehen ist ganz schön heftig, oder? Ich habe sofort an einen weiteren Film gedacht, Tony Randalls 1964er Film 7 Faces of Dr. Lao, in dem Randall die Rolle von 7 unterschiedlichen mythischen Charakteren spielt, einen uralten chinesischen weisen Mann, Dr. Lao, eingeschlossen, der behauptet 7.322 Jahre alt zu sein.


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    Wusstest du, dass Michael Jackson einmal unter Vertrag stand, 7 Faces of Dr. Lao neu zu verfilmen?


    Willa: Nein, das wusste ich nicht!


    Lisha: Laut Captain EO Produzent/Drehbuchautor Rusty Lemorande, war das gerade bevor der Evan Chandler Skandal aufkam und leider wurde das Projekt aufgrund der falschen Anschuldigungen über Bord geworfen. Das ist ziemlich enttäuschend, gelinde gesagt.


    Willa: Oh, es bricht einem das Herz. Es zeigt wirklich, welch einen unmittelbaren und zerstörerischen Effekt diese Anschuldigungen auf seine Karriere hatten. Und es lässt mich mich so wütend und machtlos fühlen, wenn ich daran denke, dass Evan Chandler das alles geplant hat und genau das bekommen hat, was er wollte, genau wie er es in diesen Telefongesprächen mit David Schwartz vorhergesagt hatte, ehe der Skandal losbrach – wichtiger Weise zu einem Zeitpunkt, als Jordan Chandler sagte, er sei nicht belästigt worden:

    „Ich werde alles bekommen, was ich will und sie werden vollständig, sie werden für immer zerstört sein. Sie werden zerstört sein. June wird Jordy verlieren. Sie wird kein Recht haben, ihn jemals wiederzusehen... Michael, die Karriere wird vorbei sein.“


    Und er hatte recht – alles, was er vorhergesagt hat, wurde wahr. Er bekam „alles, was ich will“ und meinte damit das Geld, hinter dem er her war, June verlor das Sorgerecht für ihren Sohn und Michael Jacksons Karriere war zerstört. Zusätzlich zu dem schrecklichen Schlag für ihn persönlich, stell dir nur vor, wie frustrierend das für ihn als Künstler gewesen sein muss.

    Lisha: Ja, für ihn als Künstler ebenso wie für uns als Publikum. Wir wurden alle beraubt. Aber obgleich Michael Jacksons Karriere zerstört wurde, so war sie doch weit entfernt davon „für immer zerstört“ zu sein, wie Evan Chandler geplant hatte. Das ist ziemlich bemerkenswert, wenn du darüber nachdenkst. Jeder andere wäre höchstwahrscheinlich ruiniert gewesen. Am Ende war Evan Chandler nur erfolgreich darin sich selbst, seine Familie und viele, aber nicht alle von Michael Jacksons künstlerischen und gemeinnützigen Projekten zu zerstören. Es gab keine Gewinner in seiner bösartigen Intrige.


    Willa: Das ist wahr. Wir alle haben verloren. Michael Jackson hat noch immer atemberaubende Arbeit produziert, sogar obwohl seine Karriere irreparabel beschädigt wurde, aber ich frage mich, was er vielleicht erreicht hätte, wenn diese Anschuldigungen nie passiert wären.


    Lisha: Wenn ich an den Dr. Lao Film denke, kann ich mir vorstellen, Michael Jackson wäre wundervoll in dieser Rolle gewesen. Und ich habe keinen Zweifel daran, dass er die Herausforderung genossen hätte, alle diese 7 Charaktere anzugehen – Medusa, Pan, Merlin, Apollo, die Schlange, den entsetzlichen Schneemann und den magischen Dr. Lao.


    Willa: Ja, irgendwie wie die vielfältigen Charaktere die er in Ghosts spielt.


    Lisha: Genau. Jackson war zu dieser Zeit auch engagiert, einen James Cagney Film aus dem Jahr 1938 neu zu verfilmen: Angels with Dirty Faces. Ich finde es interessant, dass all diese Filme das Konzept von verschiedenen „Gesichtern“ beinhalten.


    Willa: Das ist faszinierend, nicht? Besonders da die Idee von sich verändernden Gesichtern so ein wichtiges und wiederkehrendes Motiv in seiner Kunst war, von Videos wie Who Is It und Black or White bis hin zu seinem eigenen sich verändernden Gesicht.


    Also was denkst du über Fred Astaires verändertes Gesicht in Limehouse Blues? Oder weiter gefasst, seine Rolle als chinesischer Immigrant? Ich habe einen anerzogenen Reflex, skeptisch zu sein, angesichts jeder westlichen Darstellung des Ostens als eine Aneignung – oder als Orientalismus im Sinne Edward Saids, womit ein Versuch gemeint ist, die Menschen und die Kultur des Orients und des Nahen Ostens als exotisch, mysteriös, verlockend, aber gefährlich und im wesentlichen als unkenntlich darzustellen. Und ich sehe das bis zu einem gewissen Grad in Limehouse Blues. Aber zugleich denke ich tatsächlich auch, er versucht genau das Gegenteil zu tun. Ich bin wirklich getroffen von der Zartheit und Menschlichkeit in Astaires Darstellung seines Charakters und wie wir ermutigt werden, die Vorfälle, die passieren, aus seiner Perspektive zu sehen. Er ist keine mysteriöse und unkenntliche Chiffre – er ist ein sympathisches Mitglied der menschlichen Rasse mit Wünschen und Frustrationen, die wir alle verstehen können.


    Lisha: Nun, ich nehme an, ich bin dabei irgendwie unentschlossen. Meine spontane Reaktion ist, dass es ein bisschen beleidigend ist in der Art, wie es die chinesische Kultur allzu sehr vereinfacht. Ich höre es sofort in der musikalischen Einleitung, mit dem Gong und traditionellen sinfonischen Instrumenten, die eine Tonleiter aus 5 Tönen spielen, um asiatische Kultur auf eine sehr Broadway Show mäßige Weise zu schreiben. Man kann die gleichen Klänge auch in dem Dr. Lao Trailer hören; es ist die typische Formel, um Fernost auf Anhieb durch die Filmmusik darzustellen. Dann sehen wir Fred Astaire mit schräg geschminkten Augen, der traditionelle chinesische Kleider und Schuhe trägt, was ein wenig befremdlich ist. Aber ich frage mich auch, ob ich dazu hingeleitet wurde, es so zu beurteilen.


    Ich meine, ist das nicht irgendwie das, was Schauspiel ausmacht? Etwas aus einer anderen Zeit oder einem fernen Ort für ein Publikum darzustellen und die Rolle von jemandem zu spielen, der du nicht bist? Und werden nicht einfache Hinweise gewissermaßen gebraucht, um das zu erreichen, so wie Kostümierung, Make-Up, „ethnische“ Instrumente und Filmmusik?

    Willa: Und da gibt es noch einen Song, der in dieses Schema passt: They Don’t Care about Us. Es beginnt mit einer Frau, die sagt: “Michael, eles não ligam pra gente”, was portugiesisch ist für “Michael, sie kümmern sich nicht um uns / they don't care about us”. Wie du von Swahili, Esperanto, und Russisch gesagt hast, Bjørn, ist Portugiesisch eine weitere Sprache, die „an einem gewissen Punkt der Geschichte – mit dem Englischen als ein kulturübergreifendes Kommunikationsmittel konkurriert“ hat. Wie England war Portugal eine mächtige Nation während der Kolonisationszeit und aufgrund dessen ist Portugiesisch die Amtssprache in Ländern rund um die Welt, von Europa zu Südafrika, Afrika und Südostasien.

    Joie: Das ist sehr wahr, Willa. Weißt du, ich denke, die meisten Menschen denken daran, dass Portugiesisch in Brasilien gesprochen wird und natürlich in Portugal. Aber es ist tatsächlich die Amtssprache in vielen afrikanischen Nationen wie Mosambik, Angola, Guinea Bissau und andere. Und, wie du gesagt hast, sogar in Südostasien. Es ist interessant es sich als “mit dem Englischen als ein kulturübergreifendes Kommunikationsmittel konkurrierend“ vorzustellen, weil es das an einem Punkt wirklich tat.


    Willa: Und noch immer tut in manchen Regionen – ich habe etwa nicht realisiert, dass es so verbreitet ist in Afrika. Das ist interessant, Joie. Und um zu dem zurückzukommen, was du über den unterschiedlichen emotionalen Effekt jeder dieser Sprachen gesagt hast, Bjørn, die portugiesischen Zeilen am Anfang von They Don’t Care about Us waren mir immer besorgt vorgekommen, auf fast mütterliche Art und Weise – wie die Sorge einer Mutter, die sich sehr um ihre Kinder kümmert und zu viele davon Schaden erleiden gesehen hat.


    Bjørn: Ihr habt mir hier die Augen geöffnet, Willa and Joie! Ich muss zugeben, dass ich diesen portugiesischen Teil noch nie zuvor gehört habe. Ich hab mir den Song nochmal angehört und konnte ihn nicht hören – aber dann kam es mir, dass er auf dem Video sein müsste! Ich bin ein großer Fan von Michael Jacksons Musik, aber viele seiner Filme habe ich nicht komplett angeschaut. Also bin ich auf YouTube gegangen und habe zum ersten Mal diesen gesprochenen Satz gehört.


    Ich frage mich dennoch, in welchem Umfang Portugiesisch verwendet wird, um einen emotionalen Effekt zu erschaffen und inwiefern es benutzt wird, um eine Vorstellung von „Brasilien“ zu erwecken – immerhin spielt der Film im Brasilien der echten Welt (nicht in einem Phantasie- „Liberia“), wo Portugiesisch als Hauptsprache gesprochen wird.


    Willa: Das ist ein gutes Argument.


    Bjørn: Aber wenn wir uns die Emotionen ansehen, gebe ich dir recht, Willa, dass es klingt wie eine besorgte Mutter, die zu ihrem Sohn spricht. Übrigens, die Leute, die MJ gerne vorwerfen, er hätte einen „Jesus-Komplex“, sollten extra gut hinsehen... In exakt dem Moment, als die brasilianische Mutterfigur den Namen ”Michael” sagt, schwenkt die Kamera zu der berühmten Statue in Rio von Christus dem Erlöser...


    Willa: Oh Gott, Bjørn! Du versuchst nur Ärger anzuzetteln, oder?


    Bjørn: Nun, ja und nein, Willa. Da dies eine akademische Diskussion ist, denke ich nicht, dass ich den Lesern irgendeinen Gefallen tue, indem ich zensiere, was ich sehe! Es ist eine Tatsache, dass der Name und die Statue zur gleichen Zeit erscheinen und ich würde gerne glauben, dass es beabsichtigt ist. Aber okay, lasst uns die Interpretation für einen Post „MJ und religiöser Symbolismus“ aufsparen!


    Also, in den vier „Fremdsprachensongs“, die wir uns bisher angesehen haben, haben wir einen Esperanto sprechenden Arbeiter, eine Swahili sprechende Geliebte, einen Russisch sprechenden Agenten und eine Brasilianisch sprechende Mutter... MJ selbst jedoch singt noch immer in seiner Muttersprache Englisch. Die fremde Kultur bleibt unzugänglich und anders. Interessanterweise hat er bei ein paar Gelegenheiten die Grenze sozusagen überschritten. Natürlich denke ich an die Versionen von I Just Can’t Stop Loving You in zwei der großen internationalen Sprachen der Welt: Spanisch und Französisch... Was denkt ihr über sie?

    Willa: Nun, meine erste Reaktion war, dass ich sie liebe – sie sind beide außerordentlich schön, denke ich. Und es ist interessant für mich, einen Michael Jackson Song so zu hören, wie Nicht-Englisch-Sprecher sie normalerweise hören müssen – wo die Bedeutung nicht so sehr von den Worten kommt, die er singt, sondern von der Ausdruckskraft seiner Stimme.


    Joie: Das ist ein großartiges Argument, Willa, eines, über das ich nicht oft nachdenke. Aber es ist interessant, darüber nachzudenken, wie Nicht-Englisch-Sprecher Michaels Musik wahrnehmen. Besonders da seine Musik überall auf der Welt so sehr geliebt wird. Aber du hast recht, sie müssen sie ganz anders erfahren als das Englisch Sprecher tun.


    Weißt du, ich bin durch ein ähnliches Phänomen gegangen, damals in meiner Teenagerzeit, als ich total verknallt in die Jungs einer puertorikanischen Boyband, Menudo, war. Sie haben Alben sowohl in Spanisch, als auch in Englisch veröffentlicht und, seltsam genug, merkte ich, dass ich die spanischen Songs wirklich liebte, sogar obwohl mein Spanisch nie besonders gut war. Bis heute ertappe ich mich, wie ich sie singe.


    Bjørn: Als ich als Kind Michael Jacksons Musik entdeckt habe, konnte ich kaum etwas von dem verstehen, was er sang, mir hat einfach der Sound davon gefallen! Also ich kann dir da definitiv folgen... I Just Can’t Stop Loving You ist nicht unter meinen liebsten MJ songs, aber ich stimme zu, das es nett ist, ihn in Spanisch (das ich verstehe) und Französisch (das ich nicht wirklich verstehe) singen zu hören. Warum denkt ihr, hat er diesen speziellen Song ausgewählt? Ich meine, wenn es gewesen wäre, um das Bad Album in Spanisch und Französisch sprechenden Ländern zu promoten, hätte er Übersetzern den Song Bad geben können… (Ich hör es direkt: ¡Porque soy malo, soy malo!)


    Willa: Das ist großartig, Bjørn! Ich werde nächstes Mal daran denken, wenn ich “Because I’m bad, I’m bad” höre...


    Also ich weiß nicht, wieso er I Just Can’t Stop Loving You ausgewählt hat, aber es ist ein schöner Song und es ist ein Duett – eines seiner wenigen Duette – und das würde ihm erlauben, mit jemandem zu interagieren, während er singt, mit jemandem, der Spanisch oder Französisch flüssig spricht. Vielleicht ist das mit ein Grund, warum er diesen ausgewählt hat. Ich weiß nicht, wie es mit Spanisch war, aber er sprach passables Französisch. Tatsächlich wurde er in den 1980ern von einem Reporter aus Montreal auf Französisch interviewt und er antwortete auf Französisch. Und er liebte Paris – er hat sogar seine Tochter Paris genannt. Und natürlich liebte er es immer, Grenzen zu überbrücken, wie wir das am Anfang mit Esperanto besprochen haben.


    Also vielen Dank, dass du bei uns warst, Bjørn, und dafür, dass du eine europäische, mehrsprachige Perspektive hinzugefügt hast! Wir lieben es immer, mit dir zu sprechen und hoffen, dass du uns bald wieder beehren wirst.




    P.S.: Kennt jemand von euch das Interview auf Französisch, das hier erwähnt wird oder hat gar ein Video davon? Danke. :Tova:

    Hier kommt der Rest!


    Was ich meine ist, es war nicht nur der KGB, der Leute auf einschüchternde Art und Weise verhört hat – die polizeilichen Ermittler von Santa Barbara haben das gleiche getan und sie haben es nicht nur Michael Jackson angetan, sondern auch jungen Kindern. Sie haben Jason Francia immer wieder verhört, als er erst 12 Jahre alt war. Wie er später erzählt: „Sie wollten etwas aus mir herauspressen. Sie übten immer mehr Druck aus. Ich wollte ihnen eins vor die Rübe hauen.“ Gemäß dem stereotypen Bild des KGB waren sie entschlossen, ihm ein Geständnis abzuringen.


    Und ich glaube, das ist die Idee, die Michael Jackson hier zu erreichen versucht. Er zeigt nicht mit dem Finger auf die Sowjets – er zeigt mit dem Finger auf uns und sagt, dass wir in gewisser Weise der gleiche Polizeistaat sind, wie das Russland des Kalten Krieges. Und der Schock, das zu realisieren, hat ihn sich in seinem eigenen Land wie ein Fremder fühlen lassen.


    Bjørn: Das ist faszinierend, Joie und Willa. Ich hab so nicht darüber nachgedacht. Sowohl Stranger in Moscow als auch Liberian Girl erwähnen spezifische Orte in ihren Titeln, was ungewöhnlich für MJ ist (die meisten seiner Titel sind ziemlich unspezifisch – denkt nur mal an A place with no name!) Und beide Songs verwenden große Regionalsprachen um eine spezifische Stimmung zu schaffen. Ich bin nicht gerade ein Kenner von Jaksons Kurzfilmen, aber ich habe ein paar mal bemerkt, dass Russen angemerkt haben, dass die Szenen in Stranger in Moscow überhaupt kein bisschen wie Moskau aussehen.


    Willa: Das stimmt. Du kannst an den Straßenschildern und der Nahaufnahme des amerikanischen Quarters erkennen, dass es in den Vereinigten Staaten gefilmt wurde. Und das erscheint sehr absichtsvoll – er will, dass wir erkennen, dass er tatsächlich in den Vereinigten Staaten ist, obgleich er sich fühlt, als wäre er in einem fremden Land.

    Bjørn: So, ich frage mich. Ob MJ Moskau und das Russische auf metaphorische Art verwendet, genau so wie er Swahili verwendet, um eine traumgleiche Version von Afrika heraufzubeschwören. Dank dem Kalten Krieg muss sich Russisch für viele Amerikaner wie eine sehr fremdartige Sprache anhören. Und Moskau muss noch immer genau das „Auge des Tigers“ für manche sein! (Arme russische MJ Fans!)


    Also, ohne hier zu sehr zu verteufeln, könnten wir sagen, dass Jackson Swahili als paradiesische oder „engelsgleiche“ Sprache nutzt, Russisch, so wie es von dem KGB Agenten gesprochen wird, dient als Sprache seiner Dämonen...

    Willa: Oh, das ist interessant, Bjørn! Oder vielleicht evoziert Russisch etwas beängstigendes Unbekanntes. Mit anderen Worten, es ist nicht so, dass Russisch die „Sprache seiner Dämonen“ ist, sondern dass die Amerikaner es einst dämonisiert haben, weil wir es nicht verstanden haben und davor Angst hatten. Ich habe Freunde, die etwas älter sind als ich, die sich an die Schweinebucht erinnern und an die Schulübungen, was zu tun wäre, wenn die Russen mit Nuklearbomben angreifen würden. Und das überwiegende Gefühl, an das sie sich erinnern ist die Ungewissheit – die Angst vor etwas Mächtigem, das ohne Vorwarnung jederzeit angreifen könnte. Ich kann sicherlich verstehen, wie Michael Jackson sich angesichts der Art der Polizei von Santa Barbara so gefühlt haben mag...


    Joie: Wow. Das geht echt tief, Willa. Und Bjørn, ich liebe, was du über die „engelsgleiche“ Sprache und die „dämonische“ Sprache gesagt hast. Ich denke es ist klar, dass beide Sprachen auf unterschiedliche Weise verwendet wurden, um zwei verschiedene Emotionsbereiche anzusprechen und das ist sehr faszinierend.


    Bjørn: Ja, ist es! Und genauso wie die Sprachen der Musik helfen, diese emotionalen Landschaften zu malen, beeinflusst auch die Musik die Art wie wir – als Nichtsprecher – diese fremden Sprachen wahrnehmen. Ich persönlich finde, Russisch ist eine ziemlich schöne Sprache, mit all seinen matschigen Klängen. Und, was wichtig ist, es wird geflüstert, als würde der KGB Agent ein Geheimnis verraten. Hätten wir nicht gerade MJ's Wehklagen gehört, hätten wir vielleicht gedacht, es wäre ein Liebhaber, der seiner Geliebten etwas zuflüstert, ganz so wie das Swahili-Mädchen in Liberian Girl. Und das macht das alles noch beängstigender – es ist wie eine kalte Umarmung, gefolgt von einem Messerstich.


    Willa: Wow, das ist eine faszinierende Art das zu betrachten, Bjørn – und auch ziemlich schaurig.


    Bjørn: Also, in Liberian Girl, Stranger in Moscow und dem HIStory Teaser verwendet Michael Jackson Buchstücke fremder Sprachen, damit sie helfen, eine Stimmung oder Atmosphäre zu schaffen. Und die Sprachen, die er verwendet, haben alle – an einem gewissen Punkt in der Geschichte – mit dem Englischen als ein kulturübergreifendes Kommunikationsmittel konkurriert: Swahili, Esperanto, Russisch. Außerdem scheinen die Teile unterschiedliche Aspekte von Fremdheit hervorzuheben: Das Exotische und Verführerische (Swahili), das Unbekannte und Seltsame (Esperanto), das Bedrohliche und Abstoßende (Russisch).

    Joie: Nun, das ist jetzt eine wirklich gute Frage, Bjørn. Und während ich es wirklich genieße, einen Song oder Kurzfilm auseinanderzunehmen und zu versuchen, ihn zu analysieren und seine wahre Bedeutung herauszulesen, so denke ich manchmal auch, dass vielleicht eine Zigarre einfach nur eine Zigarre ist. Was wäre falsch daran, Swahili oder auch irgendeine andere Fremdsprache aus dem einzigen Grund hinzuzufügen, um deiner Kreation ein wenig exotische Würze zu verleihen? Vielleicht dachte er schlichtweg, es höre sich gut an.

    Willa: Du hast recht, Joie, es hört sich gut an und es passt perfekt an diese Stelle des Songs. Wir wissen, er war fasziniert von Klängen – gefundene Klänge, hergestellte Klänge, Klänge der Natur, die Geräusche der Stadt, der Klang von Worten – es ist also durchaus möglich, dass er jene Textpassagen einfach aufgrund ihrer Klänge und Rhythmen ausgewählt hat.


    Ich bin aber noch immer fasziniert von der Tatsache, dass sowohl Wanna Be Startin’ Somethin als auch Liberian Girl sich auf amerikanische Popkultur und die Unterhaltungsindustrie konzentrieren und wie gewisse Dinge innerhalb dieser Industrie dargestellt oder fehlinterpretiert werden. Beide beinhalten eine afrikanische Phrase, die einem wichtigen Wendepunkt dient – einem, der die gesamte Stimmung der Arbeit verändert. Das erscheint mir bedeutungsvoll. Aber was bedeutet es?


    Wie du erwähnt hast, Bjørn, teilt sich “Liberia” den gleichen lateinischen Wortstamm wie “Freiheit.” So wie ich es verstehe, wurde der Name “Liberia” ausgewählt, um zu betonen, dass diese Nation als ein Ort angesehen wurde, an dem ehemalige Sklaven Frieden und Freiheit finden könnten. Also erscheint es mir bedeutsam, dass Michael Jackson Liberia evoziert, aber mehr als eine Idee, denn als physischen Ort, wie du zuvor vorgeschlagen hast. Und für mich wird das verstärkt durch die Tatsache, dass er Swahili einbaut, aber es ist Swahili, das von seinem Ursprungsland losgelöst wurde und nun in einem Hollywoodfilm verwendet wird, das gewissermaßen Hollywood kritisiert.

    Die Lyrics zu Liberian Girl deuten etwas ähnliches an, wenn er sagt, ihre Romanze sei „genau wie in den Filmen“ [Anm.: “just like in the movies”}:


    With two lovers in a scene / Mit zwei Liebenden in einer Szene
    And she says, “Do you love me?” / Und sie sagt: „Liebst du mich?“
    And he says so endlessly, / Und er sagt so zeitlos:
    “I love you, Liberian Girl” / „Ich liebe dich, liberianisches Mädchen“


    Ihre Liebesgeschichte wird also als so etwas wie eine Phantasie dargestellt, etwas, das von Hollywood geschrieben wurde. In all diesen Fällen ist es so, als würde er beides tun, eine Phantasie heraufbeschwören und zugleich sie zu kritisieren und zu sehen, woher sie kommt. In Liberian Girl z.B. evoziert er das Exotische, während er hinterfragt, was es bedeutet, als exotisch abgestempelt zu werden.

    Joie: Das ist eine sehr interessante Interpretation, Willa! Manchmal haust du mich wirklich um damit, wie dein Geist arbeitet! Das ist faszinierend!


    Willa: Danke, Joie, obwohl ich diesmal völlig daneben liegen könnte – was er tut, ist sehr unterschwellig. Es ist nur so interessant für mich, dass er Liberian Girl mit einer klassischen Szene des „exotischen Afrika“ beginnt, dann aufdeckt, alles ist eine reine Hollywoodfabrikation und dann vorschlägt, dass die wahre Exotik Hollywood selbst ist. Und die Swahili-Passage ist der Wendepunkt, an dem unsere Wahrnehmungen umgekrempelt werden.

    Joie: Weiß einer von euch, was der Swahili-Satz bedeutet? Es wäre sehr interessant zu wissen, was sie zu Beginn des Songs sagt.

    Bjørn: Gemäß des Albumbooklets heißt es „Ich liebe dich auch – ich will dich auch – meine Liebe.“ (der Google-Übersetzer scheint zuzustimmen, auch wenn es "mpenziwe" mit ”Geliebter” übersetzt.)


    Joie: Hä. Ich glaube nicht, dass ich das je zuvor wusste. Ich habe mich einfach immer nach der Bedeutung gefragt. Ich kann nicht glauben, dass es all die Zeit in dem Albumbooklet stand und ich habe es nie bemerkt.


    Bjørn: Mach dir keinen Kopf, Joie, ein Albumbooklet ist oft auch bei mir das letzte, was ich studiere! Aber weißt du was? Ich bin einfach sprachlos, dass da eine interessante semantische Entwicklung in dem Song passiert: Er beginnt mit den Regenwaldklängen, die für den normalen Zuhörer keinerlei spezielle Bedeutung haben (aber wer weiß, was die Tiere wirklich sagen?). Dann geht es mit einer Zeile auf Swahili weiter, die für den Großteil des Publikums genau so bedeutungslos ist, wie der Ton eines Vogels. Dann, als letztes, beginnt Michael Jackson in Englisch zu singen und weil wir die Sprache verstehen, hören wir plötzlich keine „Töne“ mehr, sondern bedeutungsvolle Teile von Information... Vielleicht hat Jackson Swahili hinzugefügt, nur um zu betonen, dass die Bedeutung, die wir Wörtern zuschreiben, wirklich beliebig ist und dass wir ebenso in einer Situation sein könnten, in der Swahili die Information trägt und Englisch ein unverständliches aber exotisches Gewürz wäre, ganz so wie die Sprache des Waldes oder sogar die Klänge der Instrumente...


    Willa: Wow, das ist faszinierend, Bjørn! Und wenn wir den Anfang so interpretieren – als eine Untersuchung, wie wir Bedeutung herstellen – dann gibt es diese Evolution der Klänge entsprechend auch in der bildlichen Darstellung. Wie du sagst, wird der Klang verständlicher, sobald wir uns vom Vogelgesang (etwas, das wir nicht verstehen und nie werden verstehen können) zu Swahili (etwas, das die meisten von uns erst mal nicht verstehen, das wir aber verstehen können, wenn wir uns diesbezüglich etwas anstrengen) zum Englischen bewegen (das für die meisten Amerikaner unsere Muttersprache ist). Und das Bildmaterial beginnt mit dem „Cafe Afrique“-Schild, schwenkt dann heraus zu dieser Casablanca-mäßigen Szenerie und schwenkt dann weiter hinaus, um das Hollywood Filmset zu zeigen. Also werden die Bilder bekannter, sobald wir heraus zoomen – sie sind in gewissem Sinne näher an Zuhause – und unser Verständnis dessen, was wir sehen, verändert sich schrittweise und wir deutlicher: wir sehen dabei zu, wie ein Film gemacht wird.


    Bjørn: Dieser Film, wie du sagst, wird auch in den Lyrics erwähnt: “Just like in the movies… / Genau wie im Film... With two lovers in a scene… / Mit zwei Liebenden in einer Szene...”. Also ist vielleicht die Hauptfunktion des Swahili-Satzes, die schiere Andersweltlichkeit dieser cineastischen Phantasie zu unterstreichen, ganz wie die elbischen Sätze in den Herr der Ringe-Filmen oder die Na’vi- Dialoge in Avatar. Ja, ich weiß, Swahili ist eine lebendige Sprache, die von echten Menschen gesprochen wird. Aber dennoch spricht kaum jemand in Liberia Swahili! Wie zuvor deutlich gemacht wurde, ist Swahili eine ostafrikanische Sprache. Seine Muttersprachler leben entlang der Küstenlinie von Kenia und Tansania.

    Was an Swahili jedoch faszinierend ist, ist dass es eine wahrhaft internationale Sprache in weiten Teilen Ostafrikas geworden ist! Millionen von Menschen im Kongo, in Uganda, Tansania und Kenia verwenden Swahili, um sich über eine Vielzahl sprachlicher Grenzen hinweg mitzuteilen. Es ist in der Tat das, was für uns einem afrikanischen “Esperanto” am nächsten kommen könnte.

    Willa: Wirklich? Das habe ich nicht gewusst.


    Joie: Das hab ich auch nicht.


    Willa: Es ist faszinierend darüber als ein „afrikanisches Esperanto“ nachzudenken.

    Bjørn: Wenn wir es so betrachten, sind die Anfangsszenen von Liberian Girl und dem HIStory Teaser sehr ähnlich: Etwas wird von einer Nicht-Michael-Person in einer kulturübergreifenden Sprache gesagt, ehe MJ selbst die Bühne betritt und seine Englisch sprechenden Zuhörer beruhigt, dass sie nicht völlig “in der Übersetzung verloren gehen“!


    Interessanterweise nimmt Stranger in Moscow die gegensätzliche Herangehensweise. Hier werden MJ's laut gesungene englischsprachige Lyrics von dem Flüstern eines anderen Mannes gefolgt, der in der Lingua Franca der kommunistischen Welt des Kalten Krieges flüstert: Russisch.


    Willa: Wow, Bjørn, das ist so interessant! Und für mich fühlt es sich so an, als funktioniert das Russische in Stranger in Moscow auch auf eine ganz andere Art. Es bestärkt die aufgekratzte, beunruhigende Stimmung des Songs, als auch das Thema der Entfremdung von seinem eigenen Heimatland.


    Joie: Ich stimme dir zu, Willa. Stranger in Moscow war immer eines meiner Lieblingsstücke und ich glaube, das liegt daran, dass es so ein schön aufgebauter Song ist. Aber du hast recht, der Gebrauch von Russisch im Song hebt das Gefühl von Einsamkeit, Isolation und Verzweiflung, das er hier versucht zu vermitteln, wirklich hervor. Die Entfremdung, wie du es nennst. Immer wenn ich diesen Song anhöre, bekomme ich tatsächlich das Gefühl, dass sein einziger Grund, hier Russisch zu verwenden, der ist, uns die negativen Emotionen vollständiger fühlen zu lassen.

    Willa: Es fühlt sich so auch für mich an, Joie, und das Gefühl intensiviert sich, sobald wir erstmal herausfinden, was diese russischen Worte bedeuten: „Warum bist du aus dem Westen hier her gekommen? Gestehe! Um die großen Errungenschaften der Menschen zu stehlen, die Leistungen der Arbeiter...“


    Joie: Ja. Es ist sehr einschüchternd, nicht? Stell dir vor, du wärst ein Fremder in einem fremden Land, festgehalten von diesen angst einflößenden Beamten und wirst immer wieder mit diesen Fragen angeschnauzt!


    Willa: Oder um es etwas näher nach Hause zu bringen, stell dir vor, die Polizei verhört dich: „Warum bist du so nett und großzügig zu diesen Kindern? Gestehe! Um sie anzulocken, sodass du sie missbrauchen kannst...“

    Hier kommt wieder ein kleines Stückchen elephant...


    Joie: Wow, eine wirklich interessante Art das zu betrachten, Willa!


    Bjørn: Ja, ich stimme zu, Joie, Ich hatte so auch noch nicht darüber nachgedacht! Also wenn der HIStory Teaser eine Art Absage ist – an den Nationalsozialismus und den Kolonialismus und die Auslöschung von einheimischen Sprachen durch das Englische und andere „große Sprachen“ – könnte dann Liberian Girl als ein Versuch gesehen werden, das zurückzugewinnen, was verloren war? Selbst wenn das Intro des Songs in Swahili ist, ein Ostafrikanischer Dialekt, und die meisten von MJ's Vorfahren wohl aus Westafrika kamen...


    Joie: Ah! Sehr clever gedacht, Bjørn! Wir könnten fast dasselbe über den Schlussatz am Ende von Wanna Be Startin’ Somethin sagen. Den kamerunischen Gesang “Mama-say mama-sah ma-ma-coo-sah.”


    Willa: Wow, Leute, das ist so interessant! Mir gefällt die Idee, sich diesen beiden aus dieser Perspektive zu nähern, wirklich gut. Wisst ihr, beide scheinen sich bis zu einem gewissen Grad auf das Thema von Darbietung und Interpretation – oder Fehlinterpretation – zu beziehen und beides mal signalisiert der Gebrauch einer afrikanischen Sprache einen Stimmungswechsel des Songs/Videos. In Wanna Be Startin’ Somethin spricht er darüber, wie die Medien Bedeutungen verzerren – wie z.B. in diesen Zeilen:


    I took My Baby to the doctor / ich habe mein Baby zum Arzt gebracht
    With a fever, but nothing he found / mit Fieber, aber er hat nichts gefunden
    By the time this hit the street / in dem Moment, als es bekannt wurde
    They said she had a breakdown / sagten sie, sie hätte einen Zusammenbruch erlitten


    Der Großteil des Songs ist ziemlich unruhig und angstvoll und das alles ist in Englisch. Aber dann beginnt der kamerunische Teil und plötzlich verändert sich dieser aufgekratzte, schräge Song und wird freudig und triumphierend. Das ist ein sehr dramatischer Stimmungswechsel.


    Da gibt es einen ähnlichen Wechsel im Video Liberian Girl. Es beginnt in Schwarzweiß, mit einem unheimlichen, andauernden, hohen Ton, der im Hintergrund schwingt, während die Kamera in etwas umher schwenkt, was eine britische Kolonie in Afrika zu sein scheint. Ein Kellner kommt aus dem "Cafe Afrique", wir sehen Arbeiter in afrikanischen Gewändern und dann einen weißen Missionar in europäischer Kleidung mit einem Rosenkranz und einem Kollar. Die Kamera folgt dem Missionar bis er hinter einer schönen schwarzen Frau vorbeigeht; dann hält die Kamera bei ihr an. Sie sieht hoch und spricht direkt in die Kamera auf Swahili und plötzlich verändert sich alles. Die schwarzweiße Färbung weicht satter Farbe und wir bemerken, dass wir nicht im Kolonialafrika sind, sondern im heutigen Hollywood, in einem Studio randvoll mit glanzvollen Berühmtheiten.


    Eine Sache, die dabei am interessantesten in Sachen Sprache und Kolonialismus ist, ist dass Liberia eine afrikanische Nation ist, die im 19. Jahrhundert von freien Schwarzen und geflohenen Sklaven aus den Vereinigten Staaten gegründet und faktisch rekolonialisiert wurde – von Menschen, deren Abstammung afrikanisch war, die aber kein Land mehr hatten, zu dem sie hätten zurückkehren können. Und die offizielle Sprache dort ist Englisch, die einzige Sprache die diese Diaspora an Menschen gemeinsam hatte. Es ist also fast so, als wäre die englische Sprache rekolonialisiert worden, genau so wie der Staat Liberia rekolonialisiert worden war – die Sprache der Kolonisatoren wurde von den Kolonialisierten zurückerobert und neu angeeignet.


    Und wir sehen, wie diese Idee auch in Liberian Girl vorgeschlagen wird. All die Berühmtheiten laufen umher und Whoopi Goldberg frägt: “Wer führt hier Regie?” Die Kamera schneidet zu Steven Spielberg, der in einem Regiestuhl sitzt, der andeutet, er sei der Regisseur, aber er sieht auf seine Armbanduhr und hat nicht mehr Kontrolle, als irgendwer sonst. Dann entdecken wir am Ende des Videos wer wirklich den Ton angegeben hat: Michael Jackson, hinter der Kamera. Er hat also das Liberian Girl Video als sein eigenes zurückerobert, genau so wie die früheren Sklaven aus Amerika Liberia und das Englische als ihr eigen zurückerobert hatten.


    Bjørn: Nun Willa, das Problem mit dieser Interpretation ist, dass Liberia bereits bewohnt war, als die Afroamerikaner es gegründet haben! Genau wie Israel bereits von Arabern bewohnt war, als es als ein Ort gegründet wurde, an dem Juden in Frieden leben könnten. Soweit ich weiß, sind heute die „ursprünglichen“ Liberianer – die verschiedene afrikanische Dialekte sprechen – Bürger zweiter Klasse (oder zumindest weniger wohlhabend) in einem Staat, der von Englisch sprechenden „amerikanischen“ Liberianern (mit Vorfahren die letztlich aus vielen Teilen Afrikas stammen, nicht nur aus Liberia) dominiert wird.


    Ich weiß nicht viel über Liberia und ich sympathisiere mit der Idee ehemaliger Sklaven, die „das Englische als ihr eigen“ zurückerobern (im Grunde genommen, wer liebt seine Muttersprache denn nicht?). Aber ich glaube, dass Jacksons Gebrauch von afrikanischen Sprachen in diesen Songs eine Sehnsucht nach der unkolonialisierten Vergangenheit reflektiert, vielleicht sogar nach einem romantischen Afrika, das nie wirklich existiert hat (oder vielleicht nach einem „Garten Eden“, der künftig entstehen könnte!). Wie der Sprachwissenschaftler Ben Zimmer in seinem Blog, am Tag nachdem MJ gestorben war, herausgestellt hat, war der Gesang in Wanna Be Startin’ Somethin stark durch eine Songzeile aus “Soul Makossa” von dem kamerunischen Musiker Manu Dibango inspiriert (Dibango hat MJ wegen Diebstahl geistigen Eigentums verklagt, aber sie erzielten eine außergerichtliche Einigung). Hier ist “Soul Makossa”:


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    Dibango singt “ma ma ko, ma ma sa, ma ko ma ko sa,” in seiner Muttersprache, Duala. MJ’s Gesang ist also nicht wirklich in irgendeiner Afrikanischen Sprache – aber so nah dran, dass es definitiv afrikanisch klingt. Auf die gleiche Weise nutzt er Swahili (aus Ostafrika) als ein Symbol (idealisierter) Afrikanisierung, selbst wenn das tatsächliche Liberia in Westafrika ist, weit weg von den Gegenden, in welchen die Menschen Swahili sprechen… Also für mich geht es bei dem Gebrauch von afrikanischen Sprachen in diesen Songs wirklich mehr um die „Sehnsucht nach dem Paradies auf Erden“, wie es vor der Kolonialisierung war und wie es einst wieder werden könnte.


    Willa: Ich denke, das ist ein sehr wichtiger Punkt, Bjørn – dass er sich mehr auf eine Idee, als auf einen tatsächlichen Ort bezieht. Im Grunde sind wir nach dem Wechsel in Liberian Girl nicht in Liberia; wir sind an einem Filmset in Hollywood, also zeigt er deutlich, dass die Anfangssequenz nicht wirklich eine Szene aus der tatsächlichen Nation Liberia war, sondern eine Hollywood-Darstellung des „exotischen Afrika“. Die Herausforderung für uns ist demnach, welche Idee genau er damit versucht rüberzubringen, wenn er voller Sehnsucht von einem Mädchen aus Liberia singt.


    Es ist interessant in diesem Kontext über das Ende von Onkel Toms Hütte nachzudenken, als Harriet Beecher Stowe Eliza, George und die anderen geflohenen Sklaven nach Liberia schickt. Für sie stellte es einen Ort da, an dem sie sicher und frei sein könnten und wo ihr Sohn Harry aufwachsen und sich gut entwickeln könnte. Für sie bedeutete es ein tatsächliches „Paradies auf Erden“, wie du es nanntest, Bjørn, aber es zeigt auch eine Verzweiflung angesichts ihres eigenen Landes. Stowe hielt es nicht für möglich, dass sie jemals in den Vereinigten Staaten oder gar in Kanada frei sein könnten, also musste sie sie nach Liberia schicken, um ihre Freiheit sicherzustellen.


    Aber ich glaube nicht, dass Michael Jackson die Hoffnung für die Vereinigten Staaten je aufgegeben hat – obwohl er dafür gute Gründe gehabt hätte und sich entschlossen hatte, nach dem Gerichtsverfahren 2005 icht hier zu leben. Und ich denke, Liberia, als ein Konzept, meint etwas anderes für ihn als für Stowe.

    Bjørn: Das ist wirklich interessant! Ich schätze, ich werde Onkel Toms Hütte eines Tages lesen müssen. Stowes “Liberia,” so wie du es beschreibst, erinnert mich an Bob Marley und die anderen Rastafari, die Äthiopien als ein Gelobtes Land sahen. Der Name Liberia, der von dem gleichen lateinischen Wortstamm wie „Freiheit“ kommt, wird grob übersetzt mit „das Land der Freien“. Ich habe einmal eine Esperanto-Übersetzung von "Liberian Girl" gemacht, in der die Etymologie wirklich durchscheint: Liberianin’ bedeutet “Liberianisches Mädchen” ebenso wie “Mädchen aus dem Land der Freiheit”.


    Willa: Wirklich? Du hast “Liberian Girl” auch übersetzt? Das ist wundervoll! Und ich liebe die alternative Bedeutung des „Mädchen aus dem Land der Freiheit“.

    Bjørn: Die Regenwaldklänge am Anfang des Songs (eine Vorstufe Earth Song?) könnten andeuten, dass MJ “Liberia” als eine Metapher für das Paradies verwendet. Nun, „Paradiesmädchen“, das ist ein bisschen unheimlich, wenn man darüber nachdenkt. Aber ich habe immer geglaubt, dass dieser Song gar nicht von “Liberia” handelt, sondern vielmehr von einem Mädchen, das sehr weit vom Sänger entfernt ist. Wie eine (extreme!) Version von MJ von „Distant Lover”, wenn du den Marvin Gaye Song kennst!


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    Okay, lasst uns zur Frage nach der Sprache zurückkommen. Warum spricht Michael Jacksons liberianisches Mädchen, wer auch immer sie sein mag, Swahili? Ist das nur um ein wenig exotische Würze hinzuzufügen oder was denkt ihr?

    damit die Jäger später etwas treffen


    Das erinnert mich irgendwie an die Praxis der Löwenjagd z.B. in Südafrika. Zahme Löwen aus Zuchtbetrieben werden als "leichte Beute" für Hobbyjäger aus aller Welt angeboten. :tztz:


    v_nM0ZHr3FY


    Die Petition, die im Video erwähnt wird: https://www.secureconnect.at/4…petition/100427/index.php Außerdem finden sich auf der website http://www.vier-pfoten.org/de/ viele weitere Petitionen, Projekte, Kampagnen etc.