Auf Michael Jacksons erstem posthum erschienenen Album „Michael“ erfreuen einige gute Songs. „Die Presse“ sprach mit Produzent Teddy Riley über Authentizitätszweifel.
Normale Menschen müssen nach ihrem Tod dem Herrgott bloß beim Donnern helfen. Popmusiker scheinen auch post mortem dazu verurteilt, komplexere Klänge zu entwickeln. Von so unterschiedlichen Künstlern wie Jimi Hendrix, Jim Morrison, Nick Drake und 2Pac erschien nach dem Tod oft mehr als zu Lebzeiten. Die Einschätzungen waren geteilt. Die Neugier der Fans wie die Gewinnabsicht der Plattenfirmen haben Bedenken immer schon in den Hintergrund gedrängt. Warum sollte das bei Michael Jackson anders sein? Obwohl die rhetorischen Reflexe bekannt sind, setzten einige Medien auf eine etwas scheinheilige Authentizitätsdebatte. Die „FAZ“ trug besonders dick auf: „Sony wird sich der Diskussion darüber stellen müssen, ob der für seinen Perfektionismus bekannte Sänger die Stücke in diesen zwangsläufig unfertigen – bzw. nach seinem Tod fertiggestellten – Versionen freigegeben hätte.“
Knackige, tanzbare Titel
Lauscht man den zehn neuen Songs, ist die Aufregung unverständlich. Ein paar furchtbare, vom Kommerzradio ersehnte Kapitalschnulzen sind dabei, aber auch erstaunlich knackige, tanzbare Titel. Der Michael-Jackson-Estate hat als Auftraggeber nichts falsch gemacht und jene Produzenten ins Studio gebeten, die zuletzt mit Jackson arbeiteten. Darunter Teddy Riley, ein Musiker, der Ende der 1980er mit New Jack Swing ein neues Genre aus der Taufe gehoben hatte. Riley, treibende Kraft hinter Bands wie Guy und Blackstreet, der auch Lady Gaga produzierte, versteht den Sturm im Wasserglas um den von ihm finalisierten Song „Breaking News“ auch nicht.
„Die Presse“ traf den in Harlem aufgewachsenen Künstler entspannt in einer Hotelsuite in London. Was meint er zu den hässlichen Gerüchten, dass Jackson auf „Breaking News“ nicht selbst singe? „Zur Hölle mit ihnen. Ich sage den Fans und allen, die es nicht glauben, dass es 150-prozentig Michaels Stimme ist. Er ist nicht in allergrößter Form, aber immer noch hungrig, es für seine Fans hinzukriegen. Während er an neuen Songs arbeitete, ging er durch viele Täler. Man muss das Faktum akzeptieren, dass Michael nicht nur über eine Stimme verfügte. Der Grund, warum er bei dieser Aufnahme etwas anders klingt, war, dass er einem Rat seines Vocalcoachs nachkam. Der meinte, Michael müsse seine stimmliche Bandbreite besser nützen. Ich sage zu den Fans: Macht euch selbst ein Bild. Michael kann nicht imitiert werden.“
Riley hat das mit ein bisserl vielen Effekten versehene „Breaking News“ produziert, aber auch das viel schlanker arrangierte, immens groovende „Hollywood Tonight“, das absolut hitverdächtig ist. „Der Track ist genauso, wie ihn sich Michael vorgestellt hat. Sein unglaubliches Human Beatboxing schwebt hier über vielen synkopierten Rhythmen. Dazu kannst du auf vielerlei Arten tanzen. Ich habe mich bei diesem Stück an ,Billie Jean‘ orientiert und wollte diesen Rhythmus auf ein neues Level bringen.“ Das ist tatsächlich geglückt. Jackson holte das dynamische Lied, das er ursprünglich für sein 2001 erschienenes „Invincible“ komponierte, 2007 aus dem Archiv, um daran zu feilen. Nun wurde es Riley überantwortet, mit dem Jackson schon auf „Bad“ zusammenarbeiten wollte, es dann ausgiebig auf „Dangerous“ tat.
Manischer Stil ohne Mitten
Dort zelebrierte man jenen Riley-Trademark-Stil, der auf „Hollywood Tonight“ durchschlägt: vertrackte Rhythmen und einfache Keyboard-Melodien, die dezent die Black-Music-Tradition zwischen Duke Ellington und James Brown reflektieren. „Robocop-Funk“ sagen manche dazu, andere „New Jack Swing“. Diesen manischen Stil ohne Mitten liebte Jackson heiß. Riley erinnert sich: „Michael meinte, New Jack Swing wäre der originellste und beste Stil seit den frühen Tagen der Jackson 5. Michael wollte immer innovativ sein.“ Letzteres sind auf „Michael“ dennoch wenige Lieder. Sein aktuell die Formatradios verklebendes Duett mit Akon, das unerträgliche „Hold My Hand“ und Schnulzen wie „Best Of Joy“ und „Much Too Soon“ zeigen die andere, überangepasste Seite. Recht gut gelang indes „(I Can't Make It) Another Day“. In diesem von Lenny Kravitz bombastisch produzierten Song zeigt sich Jackson vital. Erträglich auch das behäbige „Monster“, bei dem 50 Cent mitrappen durfte. Der neben dem Übersong „Hollywood Tonight“ interessanteste Track ist „(I Like) The Way You Love Me“. Im Intro drückt Jackson seine Vorstellungen fürs Klangbild aus, um dann mit unwiderstehlich weicher Stimme in die überaus hübsche, an die 70er-Jahre gemahnende Melodie zu fallen.
Fazit: „Michael“ wurde eine erwartungsgemäß gemischte Angelegenheit, die aber überraschend viel gutes Material zutage brachte.
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Haben wir das hier schon ?? ich muss sagen so langsam verliere ich den Ueberbick