„Jeder will ein Stück von Jackson“
Leichenfledderei? Sony bringt ein „neues“ Michael-Jackson-Album heraus, auf dem Songs veröffentlicht werden, die der „King of Pop“ noch zu Lebzeiten im Studio aufgenommen hat. Wer eine lieblos zusammengewürfelte Sammlung von liegengelassenen B-Seiten erwartet hat, wird überrascht sein.
Die erste Single-Auskoppelung „Hold my Hand“ ist ein Duett, in erster Linie aber eine Hommage an den Künstler. Den singenden Part übernimmt zum großen Teil Hip-Hopper Akon. Jackson ist im Video präsent. Man sieht ihn tanzen, in seinem klassischen Kostüm mit schwarzem Hut, goldfarbenem Jäckchen, schwarzer Hose, weißen Socken und schwarzen Schuhen. Im Intro rufen Hunderte Fans des „King of Pop“ „Love you, Michael“ und lassen dabei weiße Luftballons fliegen.
Tribute-Song für Fans
Das Lied ist ein Feel-Good-Weltverbesserungssong, wie sie sich seit Veröffentlichung des „Dangerous“-Albums 1991 immer wieder auf Jacksons Platten finden. Sein eigener Gesangspart ist erwartungsgemäß virtuos. Neben den Auftritten Jacksons sind im Video Kinder und Jugendliche hüpfend und ihre Hände ausstreckend zu sehen. Der Text ist dünn: Kinder und Erwachsene, ob schwarz oder weiß, sollen zusammenhalten, damit die Welt eine bessere wird. Musikalisch gesehen beschleicht den Hörer das Gefühl, dass Jackson selbst den Song so nie durchgehen hätte lassen. Zu sehr klingt er nach R&B-Massenware. Als Tribute für Fans geht er durch.
„Weil Du Michael Jackson bist“
Ambitionierter ist jener Track, der als erster auf der Jacksons-Website veröffentlich wurde. Mittlerweile findet man ihn dort nicht mehr. Auf YouTube gibt es allerdings einen offiziellen Remix, der um einiges druckvoller klingt als das Original. In der ursprünglichen Version hört man zunächst vorgelesene Zeitungsheadlines, etwa „Wieder ein Prozess gegen Michael Jackson“. Der Song sollte offenbar Jacksons „Fuck you“ an alle sein, die ihn im Laufe seines Lebens abgeschrieben haben.
„Jeder will ein Stück von Michael Jackson haben“, singt er als Eröffnung. Und: „Sie wollen Dich fallen sehen, weil Du Michael Jackson bist.“ Kurz darauf: „Du hast seine Liebe verschmäht, jetzt wirst Du sie nie wiederbekommen.“ Und schließlich der Refrain: „You keep on breaking the news.“ Seine Empörung ist nachvollziehbar. Schließlich wurde Jackson von genau jenen Medien, die ihn Jahre zuvor vollkommen übertrieben (aber auf eigenen Wunsch) zum „King of Pop“ gekrönt hatten, ebenso überzogen (und auf fragwürdigen Indizien fußend) als pädophiler, zur Fratze operierter Beelzebub verteufelt.
Das beste Album seit „Bad“?
Jackson presst und haucht die Worte in einem langsamen Rap heraus, was durchaus zu den Lyrics und zum sanft treibenden Beat passt. Die Nummer ist zumindest spannender als alles, was unter dem Label „Jackson“ seit seinem „Bad“-Album 1987 erschienen ist. Das gilt sowohl für das Original als auch für den offiziellen Remix - und laut eingeweihten Journalisten auch für den unter Verschluss gehaltenen Rest des Albums.
Der britische „Telegraph“ hebt einen rockigen Song hervor, den Jackson gemeinsam mit Lenny Kravitz performt hat „(I Can’t Make It) Another Day“, dazu eine durchgeknallte Version von Eric Claptons „Behind the Mask“ und vor allem „Monsters“, eine Kooperation mit dem Rapper 50 Cent, angeblich ein würdiger Nachfolger von „Thriller“.
Glaubt man den Unkenrufen einiger Kritiker, wird hier lediglich Schrott recycelt, der es nie auf ein Album geschafft hätte. Außerdem übernehme Jackson nicht einmal 50 Prozent der Gesangsparts. Es wurde sogar hinterfragt, ob Jackson überhaupt selbst singt, nachdem ein Imitator behauptet hatte, gegen eine Handvoll Dollar 21 Nummern eingesungen zu haben. Weil Jacksons Familie selbst skeptisch war, prüften Experten die Tonspur und kamen zum Ergebnis: Es ist eindeutig Jacksons Stimme, die man hier hört.
Charterfolg programmiert
Abgesehen von den letzten zwei Nummern, die aus den 80er Jahren stammen sollen, wurden alle Songs von Jackson selbst während der letzten drei Jahre im Studio aufgenommen. Angeblich soll er mit der Veröffentlichung eines Albums nur auf die eine, große Hitsingle gewartet haben, die seiner Meinung nach noch fehlte. Mit Sony sei Jackson darüber sogar in Streit geraten, berichtet der „Telegraph“.
Schon von den Vorbestellungen her ist klar, dass diese Platte von Tag eins an die internationalen Charts anführen wird, was gerade jetzt im Weihnachtsgeschäft Millionenverkäufe bedeutet. Wie es aussieht, hätte Jackson mit diesem Album ein Comeback geschafft, mit dem niemand mehr rechnen konnte. Dass er es nicht mehr erleben kann, passt zu Jackson. Große Tragödie und märchenhafter Erfolg lagen bei ihm nie weit auseinander.