Was uns Michael Jackson lehrt - 1. Teil
Interview mit dem Ethiker Dr. Christian Lenk
von Charlotte Kerner
Es gibt mehr Studien, die sich mit der Genetik der Intellegenz befassen, als zu irgendeiner anderen menschlichen Eigneschaft. Was wäre falsch daran, wenn Eltern ihren Nachkommen in der Zukunft mittels gentechnischer Eingriffe die besten Möglichkeiten gleich mit auf den Lebensweg gäben? Werden die nächsten Generationen lieber in vorgeburtliche "Erziehungsmaßnahmen" investieren, anstatt später teure Nachhilfestunden zu bezahlen?
Charlotte Kerner fragte den Ethiker Christian Lenk, 37, von der Universität Göttingen, Abteilung Ethik und Geschichte der Medizin, welche Entscheidungen auf die nächsten Generationen zukommen werden.
Kerner: Wenn gentechnische Eingriffe einmal machbar wären, sollten dann Eltern ihre Kinder überhaupt optimieren dürfen?
Lenk: Es ist ein großer Unterschied, ob ich als Erwachsene Person für mich entscheide und handle oder ob andere über mich bestimmen. Solche Eltern würden doch ganz bestimmte Eigenschaften für erstrebenswert halten. Was zählt, wären alleine ihre Vorstellungen vom richtigen Menschen. Sie würeden entscheiden, was natürlich, schön oder normal ist. Sie würden das Kind entweder während seiner Entwicklung oder gleich bei der Entstehung im Labor modellieren, und zwar meistens nach einem gerade gängigen Schönheitsideal. Zurzeit geht das natürlich nur durch die gezielte Auswahl von bestimmten Samen- und Eizellenspenden, etwa von besonders schönen und klugen Frauen oder Männern. Auch Abtreibungen aufgrund des Geschlechts werden durchgeführt, weil ein Mädchen in manchen Kulturen "weniger wert" zu sein scheint.
Biomedizinische Eingriffe in die Gene wären natürlich viel radikaler als jede Schönheitsoperation, aber auf eine Art auch vergleichbar.
Deshalb sollten wir über Michael Jackson sprechen.
Kerner: Wieso Michael jackson?
Lenk: Der Popstar hat verschiedene Eingriffe nicht aus gesundheitlichen Gründen vornehmen lassen, sondern weil die Haut nicht länger schwarz sein und die Lippen und die Nase bestimmte negroide Merkmale nicht mehr haben sollten. Er ist der typische Enhancement-Fall. Enhancement ist der medizinische Fachausdruck für Eingriffe, die keine Therapie zum Ziel haben, sondern nur ändern und verbessern wollen. Michael Jackson wollte nicht mehr zu seiner ethnischen Gruppe gehören, sondern weiß-amerikanisch aussehen. Und um das zu erreichen, ließ er sich operieren
Jackson verfolgte sein Ziel mit immer neuen Eingriffen, die eine unglaubliche Eigendynamik entwickelt haben, immer mehr, immer extremer. Aber warum tat er das? Das muss doch die allererste Frage sein. Er war ja ein Star, viele haben ihn beneidet, doch er selbst war unzufrieden. Haben die Eingriffe seine Probleme wirklich gelöst? Es sieht nicht so aus.
Ein Prototypn ist Michael Jackson noch aus einem anderen grund. Er ist der Beweis, dass das eigentliche Ziel beim Enhancement verfehlt werden kann. Er hat nicht etwa eine höhere Anerkennung erfahren, sondern ist heute seiner ursprünglichen und auch der neuen angestrebten Identität beraubt. 
Kerner: Das wäre aber doch bei einem Intellegenz-Enhancement nicht der Fall.
Damit ist der Teil über Michael zu ende. Fortsetzung folgt...