Er war wie ein großes Kind, wirklich. Ich sah ihn in seinem Zimmer sitzen, wie er Spielzeugautos auf dem Boden herumschob ... Ihr hättet ihn zusammen mit Kindern sehen sollen! Es war, als würde er sich in einen anderen Menschen verwandeln, er war immer gern bereit, ihnen Autogramme zu geben. Mein guter Freund bat mich, Michael in die Ballettschule einzuladen, die seine Tochter besuchte. Ich hätte nicht gedacht, daß er zustimmen würde, denn seine Tage waren weit im Voraus geplant – er sollte sich Sehenswürdigkeiten ansehen, shoppen gehen und Politiker und kulturelle Persönlichkeiten treffen. (Nebenbei bemerkt, viele russische Popstars baten mich, ihnen Michael vorzustellen, doch ich lehnte meist ab.) Gleichwohl habe ich Michael die Bitte meines Freundes übermittelt, und er stimmte sofort zu. Er sagte eine der Städtetouren ab und wir gingen gemeinsam zur Ballettschule. Die Kinder bereiteten ihm einen tollen Empfang; sie tanzten für ihn und machten Fotos. Er war vollkommen glücklich, und es schien, als wolle er gar nicht wieder gehen.
Was den Präsidenten Yeltsin betrifft - Michael hatte nie die Gelegenheit, ihn zu treffen, obgleich er es sehr gern getan hätte.
Letztendlich leisteten unsere "Gönner" ganze Arbeit. Der Kartenverkauf lief sehr schlecht. In der Tat wurden sie in den Kartenverkaufsstellen geblockt: Wir versuchten selbst einige Male, Karten zu kaufen, doch jedes Mal hieß es "ausverkauft" oder "Geschäftsstelle geschlossen".
Am 15. September, dem Tag der Show, war das Stadion nahezu leer. Es regnete seit dem Morgen in Strömen. In der Nähe der U-Bahnstation streute jemand das Gerücht, die Show sei aufgrund des Regens abgesagt worden, sodaß die Leute wieder nach Hause gingen, anstatt zum Stadion. Man prophezeite Jackson, er würde sich das Rückgrat brechen, sollte er an diesem Tag auf die Bühne gehen.
Dann kam eine Meldung, Michaels Team habe Drogen ins Stadion gebracht. Polizisten mit Hunden eilten herbei, auf der Suche nach den Drogen. Nachdem nichts gefunden wurde, zogen die Polizisten ab, doch sie waren kaum weg, als eine Nachricht über eine Bombe im Stadion auftauchte! Also kamen sie wieder zurück, um nach der Bombe zu suchen ... Es war verrückt. Die Leute, die versucht hatten, uns Sand ins Getriebe zu streuen, hatten ihr Ziel erreicht. Ich begriff, daß es zu Ende war.
Währenddessen zerrten die Geheimdienst-Agenten einen Polizisten unter der Bühnentreppe hervor. Wie sich herausstellte, hatte er sich unter der Treppe versteckt, um für ein Familienarchiv Aufnahmen von Jackson auf der Bühne zu machen. Die Geheimagenten sind harte Jungs; sie entschieden, er sei ein Auftragskiller, also fesselten sie ihn, zerstörten seine Kamera und konfiszierten seine Dienstwaffe ... Könnt ihr euch vorstellen, in welchem Zustand ich war?! Eins kam zum Anderen!
Es regnete also. Fünfzig bis sechzig Leute standen mit Regenschirmen vor der Bühne und warteten. Das Konzert kam jetzt bereits nicht mehr in Frage. Es herrschte Totenstille. Ich saß mit meinem Team in meinem Büro und war ein Nervenbündel. Das Projekt war gescheitert, ich hatte verloren. Das Geld, das wir vor diesem Wagnis hatten, hätte zumindest für einen kurzen Film gereicht, aber an diesem Tag verloren wir dieses Geld ebenfalls. Ich verabschiedete mich von meinem Traum, Filme zu machen ... Wie ich bereits erwähnte, war Dessa das erste private Kino-Unternehmen des Landes. Es war nicht so wie heutzutage, wo jedem reichen Typen ein Filmstudio gehören kann ...
Dann kam einer meiner Mitarbeiter zu mir und sagte, eine ältere Frau würde auf mich warten. Ich befand mich in einem Schockzustand und war sehr erschöpft, und mir war egal, mit wem ich redete. Also ließ ich sie herein. Sie kam aus dem Regen, durchnäßt und weinend. Sie hielt diese riesige Zeichnung in der Hand. Es war eine Zeichnung von Michael Jackson, die ihre Tochter gemacht hatte. Eigentlich sah es mehr wie Che Guevara oder Leo Tolstoi aus. Die Frau erzählte mir eine schreckliche Geschichte über ihre Tochter, die von Geburt an fast blind war - sie konnte nur mit einem Auge sehen, und dessen Sehkraft betrug nur 4%. Deshalb bat sie mich, zu Jackson zu gehen und ihr ein Autogramm für ihre halb blinde Tochter zu bringen.
Ich glaube, Gott hat mir diese Frau mit der Zeichnung geschickt ... Ich nahm sie und ging zu Michael. Ich schwöre, ich dachte in diesem Moment nicht an die mißglückte Show oder an das Geld, das ich verloren hatte. Mein einziger Gedanke war: "Was wäre, wenn dieses Kind ihr Augenlicht zurückgewinnen würde, nachdem sie Jacksons Autogramm erhalten hat, einfach aus dem puren Verlangen heraus, es zu sehen?" So etwas passiert, wißt ihr ... Ich betrat Jacksons Raum und sah Michael, der in seinem Bühnen-Outfit dasaß, vollkommen still, die Hände im Schoß gefaltet. Bei ihm waren sein Arzt, Marcel Avram und der Leiter der Security. Sie waren überrascht, mich mit diesem Blatt Papier zu sehen und verstanden nicht, was es war. Ich erklärte es ihnen über den Dolmetscher. Marcel Avram explodierte: "Du mußt verrückt sein! Du hast gerade irrsinnig viel Geld verloren, du hast so einen kolossalen Job gemacht, und alles geht den Bach runter! Hast du nichts Besseres zu tun?" Ich sagte: "Ja, ich mag verloren haben, aber ich brauche diese Unterschrift. Was, wenn dieses Kind ihr Augenlicht zurückbekommt? Betrachtet es so, als hätte ich all das verlorene Geld für das Autogramm bezahlt!" Jackson, der uns zugehört hatte, sagte plötzlich zu Avram: "Ich wußte nicht, daß meine Unterschrift so viel kostet ... Ich werde auftreten. Laßt die Menschen einfach hinein, bitte - ich kann nicht vor einem leeren Stadion singen. Und wir brauchen jede Menge Handtücher, um die Bühne trocken zu wischen.“ Dann signierte er die Zeichnung. Ich will garnicht erzählen, wie die alte Dame mich begrüßte ...
Ich erinnere mich nicht mehr, wie ich mit meiner Bitte um Hilfe zu Vladimir Aleshin, dem Direktor des Stadions, gelangte. Glücklicherweise begriff er die Situation und ordnete an, die Tore der Arena zu öffnen. All die kartenlosen Zuhörer, die sich vor dem Stadion versammelt hatten (Gott sei Dank waren genug Leute da draußen) stürzten hinein. Unterdessen fanden meine Leute mit Hilfe eines Polizisten einen Kiosk-Shop, der Handtücher verkaufte, brachen die Tür auf (es war später Abend und alles war schon geschlossen) und nahmen zwei Stapel Handtücher mit. Wir hinterlegten eine Erklärung für die Eigentümer, und ließen den Polizisten dort, um den Shop vor Dieben zu schützen.
Heute, viele Jahre später, ist es schwer zu erklären, was ich damals empfunden habe. Als wir den Mut verloren hatten, kam plötzlich alles in Bewegung. Jackson ging auf die Bühne. Er mußte durch einen Durchgang und die Treppe hinauf gehen (die gleiche Treppe, unter der wir früher an diesem Tag den Polizeibeamten gefunden hatten). Michaels Leibwächter begleitete ihn, und sie gingen sehr langsam - Jackson mit gesenktem Kopf, unglaublich ruhig. Ich dachte: "Junge, wie mag es ihm gerade gehen?" Mir war, als ginge er dort seit einer Ewigkeit ... Er sprang aus der Fallgrube im Boden und erstarrte inmitten von Rauchwolken auf der Bühne. Der Regen strömte herab. Das Publikum vergaß, zu atmen."
Laßt uns Samvel Gasparovs Geschichte kurz unterbrechen und die Erinnerungen von mrparker, einen Menschen aus dem Publikum, lesen:
"... Ich stand in der ersten Reihe im Fanbereich. Ich hatte dort bereits mehrere Stunden gewartet, durchnässt bis auf meine Unterhose und der Beatles-Musik, die auf der leeren Bühne gespielt wurde, überdrüssig. Und plötzlich betreten diese riesigen schwarzen Jungs die Bühne (sie waren wirklich riesig, wie ein Haus oder so) und beginnen, mit Handtüchern die Bühne zu wischen. Und so wischen sie 20 Minuten ... 40 Minuten ... jemand aus dem Publikum schreit: "WAS MACHT IHR DA ? LASST DAS! DAS HIER IST RUSSLAND!"
Niemand glaubt, daß das Konzert stattfinden wird. Alle sind ÜBERZEUGT davon, daß es nur ein weiterer Betrug ist.
Dann beginnt eine aufregende Musik, und die großen Bildschirme auf beiden Seiten der Bühne zeigen Jackson, wie er einen Korridor entlang geht, mit diesem sehr entschlossenen Ausdruck in seinem Gesicht. Dann explodiert etwas, ein Mann im goldenen Anzug springt aus dem Loch direkt vor mir (fünf Meter oder so) und erstarrt auf der Bühne.
Stille folgt. "Es ist eine Puppe!" schreit jemand neben mir.
Und dann sehen wir den Dampf, der aus dem Mund der Puppe kommt. Jam beginnt. Jackson saust los und beginnt zu tanzen.
Nun, wo ich dies schreibe, habe ich Tränen in den Augen - es war so cool. Es war so unwirklich. Die ganze zweistündige Show flog vorbei wie ein paar wenige Sekunden ..."