Wer ist der mysteriöse Rapper auf Michael Jacksons „Black or White“?

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  • von Jamie Lee Curtis Taete
    Redakteur


    Vor ein paar Jahren haben ich beim Autofahren den Song „Black or White" von Michael Jackson im Radio gehört. Als der Rap-Teil kam („See, it's not about races, just places, faces, where your blood comes from is where your space is" etc.), wurde mir klar, dass ich keinen blassen Schimmer hatte, wer da überhaupt zu hören war. Nach einer schnellen Onlinesuche wusste ich, dass der Mann die Initialen L.T.B. hatte, und soweit ich sehen konnte, hatte er vor und nach dem Rappen dieser Strophe nichts getan.


    Ich erwähnte dies einem Freund gegenüber, der wiederum dem Produzenten des Songs, Bill Bottrell, eine E-Mail schickte. Der Text des Raps soll von Bottrell verfasst worden sein; mein Freund bat um mehr Informationen zu dem Mann, der ihn vertont hatte.


    Bottrell antwortete am selben Tag mit einer E-Mail-Adresse, die angeblich L.T.B. gehörte. Ich schickte eine Interviewanfrage, doch es kam nie eine Antwort.


    Das Rätsel um L.T.B. spukte mir die nächsten Jahre im Hinterkopf herum und kam jedes Mal, wenn ich den Song hörte, wieder zum Vorschein. Jedes Mal ging ich wieder online und versuchte herauszufinden, wer der mysteriöse Rapper war, doch ich hatte nie Erfolg. Trotz der Tatsache, dass er auf einem Song zu hören war, der in mehr als 20 Ländern die Nummer 1 gewesen ist, mit einem Musikvideo, das Rekorde sprengte, als 500 Millionen Menschen sich die Premiere ansahen, beschränkt sich seine Präsenz im Internet auf Listen der Mitwirkenden für „Black or White" und ungelöste Frage-Threads, in denen nach seiner Identität geforscht wird.


    Dann, nachdem ich den Song letzte Woche wieder hörte, dachte ich mir „Scheiß drauf" und schrieb Bottrell noch einmal. Ich fragte, ob er mir von dem Rap erzählen könne. „Das kann ich tun", schrieb er zurück. „Es ist keine lange Geschichte."


    VIDEO: „I'm not going to spend my life being a color" rappt L.B.T. Wir waren in Mississippi beim Ku-Klux-Klan, dem Hautfarbe mehr als nur ein bisschen wichtig ist.
    Als ich am folgenden Tag mit Bottrell telefonierte, gab er zu, dass er der Interpret des Raps war. Er hatte L.T.B. als Pseudonym verwendet. Er erklärte mir, er habe vorgehabt, sich unter der E-Mail-Adresse, die er meinem Freund gegeben hatte, als L.T.B. auszugeben, um uns hinters Licht zu führen. „Ich wollte ein Täuschungsmanöver machen", erklärte er, doch dann habe er es sich anders überlegt, als ihm klar geworden sei, dass es vermutlich schiefgehen würde. „Ich glaube, es gibt viele Menschen, die schon die Wahrheit kennen, und der Witz hätte nicht so gut funktioniert", sagte er.


    Die Geschichte, in der Bottrell in gewisser Weise zu einem der beliebtesten Rapper der 1990er wurde, trug sich zu, weil „Black or White", ein Song, den er mit Michael Jackson geschrieben und den er produziert hatte, ein großes Loch in der Mitte hatte. „Nach den ersten paar Tagen hatten wir den Kern des Songs, die Strophen und den Refrain, und Michael sang alles sehr früh ein", sagte er mir. „Wir hatten nur dieses klaffende Loch im Mittelteil, das uns einfach monatelang zu schaffen machte."


    Die Idee zu dem Rap kam Bottrell eines Morgens bei sich zu Hause. Er schrieb einen Text, der von den Themen in Jacksons Strophen inspiriert war, nahm eine vorläufige Version auf, die nur als Platzhalter dienen sollte, und spielte es Jackson vor. „Er war begeistert", sagte Bottrell mir gegenüber.


    Bottrells ursprünglicher Plan für den Rap war es gewesen, einen tatsächlichen Rapper an Bord zu holen, der seine Platzhalterversion neu aufnehmen sollte. Er schlug Jackson LL Cool J und Heavy D vor, die beide im Studio waren und an anderen Tracks für das Album arbeiteten.


    Jackson bestand aber darauf, dass Bottrells Aufnahme verwendet wurde. Dem Produzenten war, wie er mir gestand, nicht ganz wohl bei der Sache. „Ich bin Songschreiber und Plattenproduzent", sagte er. „Ich bin kein Rapper und ich hatte wirklich nicht vor, ein weißer Typ zu sein, der auf diesem Song rappt."


    Doch Jackson beharrte darauf—möglicherweise, so meint Bottrell, eben weil er weiß und kein Rapper ist. „Die Tatsache, dass ich weiß bin und diesen Rap gemacht habe, passt zum Inhalt des Songs. In seiner Vorstellung fügte sich so alles zusammen."


    Also stimmte Bottrell zu, doch er wollte ein Pseudonym verwenden, weil ihm immer noch etwas unwohl dabei war. Er entschied sich für L.T.B.—als Anspielung auf die 50er-Jahre-Sitcom Leave it to Beaver (dt. Titel: Erwachsen müsste man sein). „Da geht es um einen weißen Vorstadtjungen. Ich mache mich über mich selbst lustig", sagte er.


    Jacksons Vertrauen in seine Rap-Skills stellte sich als gerechtfertigt heraus. Nachdem der Song Millionen von Platten verkauft und sieben Wochen an der Spitze der US-Charts verbracht hatte, fing Bottrells Manager an, Anfragen zu bekommen: L.T.B. sollte ein ganzes Album aufnehmen.


    Obwohl der Rap-Teil auf „Black or White" mir seit Jahren Rätsel aufgegeben hatte, wurde laut Bottrell das Geheimnis um die Identität von L.T.B. schon früher öffentlich gelüftet. Das war 2001 in einem Interview mit Sound of Sound, einer Zeitschrift, die sich als „das weltweit führende Magazin über Musikaufnahmetechnik" bezeichnet. Doch Bottrell sagte, die Offenbarung habe aufgrund der technischen Thematik der Zeitschrift kaum Beachtung bekommen. (Beispielzitat: „Ich habe einfach eine Kramer American mit dem Mesa Boogie verstärkt, mit einem Beyer M160 mikrofoniert und dadurch zur Begleitung seines Gesangs diesen körnigen Sound erhalten.")


    Ich bin kein Musikexperte, doch mir fällt kein früheres Beispiel dafür ein, dass ein riesiger Popstar im letzten Drittel des Songs einen Rapper für eine Gaststrophe an Bord holt (etwas, das heute allgegenwärtig ist, ob auf „Umbrella" von Rihanna oder „Beauty and a Beat" von Justin Bieber). Ich fragte Bottrell, ob er hier tatsächlich eine Vorreiterrolle gespielt habe. Er sagte, er habe sich noch nie wirklich Gedanken darüber gemacht, doch ihm falle auch kein früheres Beispiel ein.


    Er erklärte außerdem, er habe eine alternative Version aufnehmen müssen, weil Mainstream-Radiosender damals ein Rap-Verbot hatten und den Song sonst nicht gespielt hätten. „Ich denke, diese Scheibe hat möglicherweise ein paar Türen geöffnet", erklärte er. „Alles braucht seine Zeit, stimmt's? Es änderte sich im Laufe der nächsten zwei Jahre, also sehr schnell."


    Als ich sagte, dies könne bedeuten, dass Bottrell, ohne es zu merken, einer der einflussreichsten Rapper aller Zeiten sei, unterbrach er mich mit einem Lachen. „Stopp", sagte er. „Nein. Fang erst gar nicht davon an."


    http://www.vice.com/de/read/we…cksons-black-or-white-999