"The waaay . . . yoouu . . . maake . . . meee . . . feeel". Zwischendrin muss Joo Kraus immer mal wieder erklären, was er und das Tales in Tones Trio da treiben. "Damit ihr wisst, was das eigentlich für ein Stück sein soll!" Langsamer und laaangsaaameeer sind sie den Michael-Jackson-Ohrwurm angegangen, bis es endlich passt. Bis es perfekt ist für diese Jazz-Liebeserklärung. Und bis das beglückte, berührte Publikum im Roxy den Text fürs gesamte Konzert unterschreiben möchte: "You really turn me on, you knock me off my feet." Ja, dieses Gefühl, das machte richtig an. Das haute einen glatt um.
Ein knappes Dutzend "Songs from Neverland" haben Kraus & Co. als verjazzte Essenz auf CD gebannt, sie sind in den iTunes-Jazz-Charts damit sogar auf Platz eins gekommen. Doch wo das Album spieltechnische Perfektion und gediegene Arrangements bietet, herrscht live unbändiger Spielwitz, knitze Improvisationskunst und unmittelbare Emotionalität.
Delikates Auskosten der Stimmung, experimentierfreudige Klanglust und echte Hingabe an die Musik: Es ist vielfältig, geistreich und lustvoll, was mit den Songs - die meisten aus frühen Michael-Jackson-Platten - in diesen Profihänden geschieht. Blues, Swing, Funk, Pop, Balladen, alles drin. Die Combo gibt sich den melodischen Einfällen hin, um sie dann als Keimzelle für Soli zu nutzen. Sie zerdehnen die Tempi derart, dass Pianist Ralf Schmid auch mal zwischen zwei Akkorden um seinen Stuhl tänzeln kann - und halten dennoch die Spannung. Man könnte einwerfen, diese Songs haben eben entsprechend viel Substanz; doch selbst aus dem dürftig-pathetischen "Earth Song" wird ein melancholischer, filigraner Slow-Motion-Trauergesang.
Neverland? Mit durchgeknallt schrillem Wacko-Jacko-Rummel hat all das nichts zu tun. "I cant help" aus der Feder Stevie Wonders legt mit urbanem Drive los, in dem Seventies-Funk nachweht, "Black or white" erhält Latin-Schwung, "Off the wall" wird perkussiv dekonstruiert. "Don"t stop till you get enough" räumt collagenhaft zwischen New Orleans und Bebop völlig ab. Geradezu magisch, wie "Working day and night" und "Beat it" zwischen silbrig glänzendem Klangfluss und vieltönendem Tumult miteinander verbunden werden.
Das ist kein ödes Cover-Programm, keine trockene Nachlassverwaltung, schon gar keine schallende Leichenfledderei, sondern ein beseeltes Neu-Auflebenlassen der Hits des King of Pop. Respektlos? Niemals, dafür sorgt das große Können. Ralf Schmid, Arrangeur und Kraus kongenialer Mitstreiter am Klavier, baut harmonische Fundamente, tupft um die Trompete herum, attackiert mit Breithand-Wucht, streichelt Pianosaiten. Auch groovt er im Hochdruck-"Thriller" gemeinsam mit Markus Bodensehs Kontrabass - wenn der sich nicht dem chromatischen Fluss hingibt (auf CD ist Veit Hübner am Bass). Schlagzeuger Torsten Krill leistet präzise Grundlagenarbeit, treibt aber auch mal energetisch voran.
Und Joo Kraus? Der sprechsingt zuweilen, etwa "Billy Jean"-Zeilen, aber sein Bläser-Ton ist mindestens ebenso beredt: mal berückend zart, dann samt Echo entladend. Ach, und Patrick Wieland kommt mit seiner Gitarre für ein paar Songs zu Besuch, klinkt sich ins perfekte Wechselspiel mit ein.
Knapp 250 Begeisterte erklatschen im Roxy zwei Zugaben. Dann geht Kraus lächelnd mit einem kleinen Moonwalk ab. Ansonsten aber: groß, ganz groß.