...die Antike... die Renaissance...die Romantiker... alles eine Linie
einer der Erben all jener Künstler, Denker und grossen "Geister" vor ihm. Demütig und dennoch ganz bewusst, voller Respekt, Liebe und dem ständigem Wunsch von ihnen zu lernen
Absolut! So sehe ich das auch. Vor allem muss ich an Friedrich Schlegel und seine "Rede von der Mythologie" denken ( http://www.zeno.org/Literatur/…+%C3%BCber+die+Mythologie ).
Während alle Welt seit der Aufklärung die Überwindung des mythischen Denkens durch Wissenschaft, Säkularisation und Rationalität feiert, beklagt er, wie alle Romantiker nach ihm, dass der moderne Mensch eben keine Mythologie mehr besäße, die ihn über ihren magischen Zauber mit seiner Welt, seinen Mitmenschen und der Natur auf harmonische Art und Weise verbindet und somit "All ONE" in der menschlichen Vorstellungswelt (und dies ist seine Realität, seine Wirklichkeit, die einzige Welt, die er verwirklichen kann, wenn er an sie glaubt) präsent hält. Aufgabe des Künstlers (damals v.a. der Dichter) sei es, eine neue Mythologie zu erschaffen, nicht als Rückkehr in vormoderne Zeiten (was ohnehin nicht möglich wäre), sondern um einen Einklang auch unter modernen Bedingungen und Errungenschaften wiederherzustellen, als Mythos, der das moderne Leben in sinnvoller Weise leiten könne, denn die Fortschritte und Entwicklungen der Moderne seien ja nicht per se schlecht und zu verurteilen. Die Entwicklung war nur so rasant, dass unsere kulturelle Entwicklung dahinter zurückblieb. Er schreibt: "Wir haben keine Mythologie. Aber setze ich hinzu, wir sind nahe daran eine zu erhalten, oder vielmehr es wird Zeit, daß wir ernsthaft dazu mitwirken sollen, eine hervorzubringen. Denn auf dem ganz entgegengesetzten Wege wird sie uns kommen, wie die alte ehemalige (Anm.: die griechische Mythologie ist hier gemeint mit der alten), überall die erste Blüte der jugendlichen Fantasie, sich unmittelbar anschließend und anbildend an das Nächste, Lebendigste der sinnlichen Welt. Die neue Mythologie muß im Gegenteil aus der tiefsten Tiefe des Geistes herausgebildet werden; es muß das künstlichste aller Kunstwerke sein, denn es soll alle andern umfassen, ein neues Bette und Gefäß für den alten ewigen Urquell der Poesie und selbst das unendliche Gedicht, welches die Keime aller andern Gedichte verhüllt."
"Und ist nicht dieser milde Widerschein der Gottheit im Menschen die eigentliche Seele, der zündende Funken aller Poesie?", fragt er. "Und was ist jede schöne Mythologie anders als ein hieroglyphischer Ausdruck der umgebenden Natur in dieser Verklärung von Fantasie und Liebe? [...] Denn das ist der Anfang aller Poesie, den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft aufzuheben und uns wieder in die schöne Verwirrung der Fantasie, in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur zu versetzen, für das ich kein schöneres Symbol bis jetzt kenne, als das bunte Gewimmel der alten Götter." Heute kennen wir ein schöneres Symbol... Gerade bei Michaels multidimensionaler, multimedialer und vielschichtiger Kunst (und das in jeder Einzelheit: die Musik selbst ist komplex, die Texte und Bedeutungsebenen vielschichtig, Posen mehrdeutig oder auch all seine Talente und Interessen fernab der Musik oder einfach sein Leben ganz allgemein, öffentlich, global, multikulturell usw....) könnte ich Schlegels Vorstellung von einer neuen Mythologie verwirklicht sehen. Ebmeier hat es für mich mit den letzten Sätzen seines "Phänomens" auf den Punkt gebracht: "Er ist ein Romantiker. Ein Moderner. Er ist der erste Künstler einer neuen Zeit." (S. 258)
Bei Michaels Texten gibt es nie nur das offensichtliche, was auf den ersten "Blick" zu erkennen ist, es gibt immer verschiedene Ebenen und Interpretationsmöglichkeiten.
Genau. Ich denke, der "erste Blick" ist dabei meist das, was man anhand des herrschenden Weltbildes, auf dessen Wahrnehmung man eben "konditioniert" ist, recht schnell und leicht erfassen kann, weil es einem sofort bekannt vorkommt und so ist es auch intendiert, denn hier ist der Startpunkt, d.h. der Stand der Dinge und die Sicht der Welt, mit denen alle sich irgendwie identifizieren können, der status quo sozusagen. Ab hier aber beginnt dann die Reise, auf die Michael dich mitnimmt (my friend you have seen nothing...), wenn und wann immer und so oft du möchtest, denn du sollst nicht stehen bleiben (da fällt mir immer ein, was er im Ebony-Interview von 1987 sagt: "I think that's life, to wanna grow and become more and ... like you plant a seed and it grows into something beautiful and it never dies really... I think people should be that way"), die Welt, wie sie ist, soll nicht befestigt/bestätigt werden (weil sie nicht gut genug ist und man sich damit nicht zufrieden geben darf oder gar lernen soll, dass es unabänderlich nunmal so sei). Das ganze ist ein andauernder Prozess, der Weg ist das Ziel und er ändert alles, zuallererst dich und letztlich die Wirklichkeit, die wir uns ja immer selbst erschaffen. Wenn ich nur daran denke, was vielleicht in 100 Jahren ist....