In den Jackson FBI Akten mit Charles Thomson
04/10/2012
Willa: Joie und ich freuen uns wahnsinnig darüber, dass der Journalist Charles Thomson, der zahlreiche Artikel und Blogposts über Michael Jackson, die Anschuldigungen gegen ihn und die Art, wie diese Beschuldigungen in den Medien behandelt wurden, geschrieben hat, diese Woche mit von der Partie ist.
Also Charles, als ein investigativer Journalist bist du geschult darin, dem, was du hörst, gegenüber skeptisch zu sein und vorsichtig damit zu sein Schlüsse zu ziehen. Aus diesem Grund ist die offizielle Haltung der meisten respektablen Pressekanäle - im Gegensatz zu den Klatschblättern - „wir werden nie mit Sicherheit wissen“, ob die Anschuldigungen wahr sind oder nicht, obgleich ihre Berichterstattung oftmals die Tendenz zeigt, dass sie glauben, Michael Jackson sei angesichts irgendetwas schuldig, wenn auch nicht der genauen Verbrechen, derer er beschuldigt wurde. Jedoch scheinst du überzeugt davon zu sein, dass Michael Jackson unschuldig war und ich bin neugierig: Was genau hat dich überzeugt?
Charles: Ich glaube voll und ganz an den Grundsatz, dass ein Mensch unschuldig ist, bis seine Schuld bewiesen wird. Nur allzu oft sieht man rechte Fachgelehrte Kommentare abgeben wie „Nicht schuldig ist nicht dasselbe wie unschuldig“. Nun, ich erlaube mir anderer Meinung zu sein. Das ist der ganze Sinn unseres Rechtssystems. Ein Mensch ist unschuldig, bis er von einer Jury seinesgleichen für schuldig befunden wurde. Michael Jackson wurde für nicht schuldig befunden, also war er nach dem Gesetz buchstäblich unschuldig. Damit anzufangen Kommentare abzugeben wie „Nur weil er für nicht schuldig befunden wurde, heißt das nicht, dass er unschuldig war“ ist der blanke Hohn auf unser gesamtes Rechtssystem.
Es erscheint mir so, dass die Medien einfach nur sehr ungern die Möglichkeit akzeptierten, dass Jackson unschuldig sein könnte. Die meisten Reporter schienen bereits überzeugt von Jacksons Schuld zu sein, weil sie ihn für einen Spinner hielten. Aphrodite Jones hat darüber in ihrem Buch geschrieben. Ich war zur Zeit der Michael Jackson Gerichtsverhandlung kein Journalist - ich war noch immer in Ausbildung - aber ich hatte immer dieselbe Einstellung: Ich möchte gerne Beweise sehen, ehe ich etwas glaube.
Was während der Jackson Verhandlung offensichtlich wurde, war, dass Beweiskraft nicht die Stärke der Staatsanwaltschaft war. Für all ihr Gepolter konnten sie keinen Fetzen eines greifbaren Beweises zustande bringen, um Jackson mit irgendeinem Verbrechen in Verbindung zu bringen. Alles was sie wirklich hatten, war eine Parade von Zeugen, von welchen die eine Hälfte im Kreuzverhör zusammenbrach und die andere Hälfte letztlich der Verteidigung mehr half als den Strafverfolgern.
Der Jackson Fall war einer, in dem die Staatsanwaltschaft alle Vorteile auf ihrer Seite hatte. Sie plünderten Jacksons Haus unangekündigt, während er meilenweit entfernt in Las Vegas war. Sie hatten die Unterstützung globaler Medienberichterstattung und brachten Fälle anderer Opfer heraus. Sie betraten Bereiche, die nicht von ihrem Durchsuchungsbefehl gedeckt waren, stahlen Dokumente der Verteidigung aus dem Haus von Jacksons persönlichem Assistenten und durchsuchten auf illegale Weise das Büro des Privatermittlers, der für die Verteidigung arbeitete – all das bescherte ihnen einen unfairen Vorteil.
Trotz alledem war es ihnen noch immer nicht möglich irgendetwas zu fabrizieren, das einem aussichtsreichen Fall nahe käme. Ich habe die Verhandlung damals verfolgt und erinnere mich daran schockiert gewesen zu sein angesichts der Divergenz zwischen den gerichtlichen Abschriften und der Medienberichterstattung.
J. Randy Taraborrelli hatte zuvor eine Geschichte über die Verhandlung erzählt. Er und der Rest des Pressepacks standen für ihre Pässe an. Eine renommierte weibliche Reporterin eines großen Magazins regte sich mehr und mehr darüber auf in der Schlange warten zu müssen (der Horror!) und explodierte plötzlich: „Glaubt hier IRGENDWER, dass Michael Jackson unschuldig ist, außer Randy Taraborrelli!?“
Diese Geschichte fasst die Haltung der Medien bezüglich der Verhandlung zusammen: „Wir wissen, dass er schuldig ist. Das ist eine Zeitverschwendung. Sie sollten ihn einfach jetzt gleich einsperren.“ Das ließ ihre Berichterstattung schlecht werden, bewusst oder unbewusst.
Joie: Es hat ihre Berichterstattung absolut verdorben, und es fällt mir einfach so schwer zu glauben, dass sie einseitig die Geschichte erzählt haben, die sie erzählt haben wollten – durch die Bank. Weißt du, ich habe neulich meiner Mutter meine Ausgabe von Michael Jackson Conspiracy von Aphrodite Jones geliehen, und nachdem sie es gelesen hatte, war sie völlig geschockt, weil alles, was sie wirklich von der Verhandlung wusste war, dass Michael Jackson im Schlafanzug vor Gericht erschienen war. Und als sie das sagte, war ich zunächst irgendwie sauer, aber als ich erst mal darüber nachgedacht hatte, habe ich begriffen, natürlich ist das alles, was sie wusste. Das ist alles, was der Großteil der Welt weiß, weil das alles ist, was die Medien ihnen erzählt haben. Niemand weiß wirklich, dass alle Zeugen der Staatsanwaltschaft im Kreuzverhör vernichtet wurden, weil die Medien nichts darüber berichteten, was die Verteidigung zu sagen hatte. Sie haben nur über die Sicht der Staatsanwaltschaft berichtet.
Charles: Ich arbeite nun seit 5 Jahren als Journalist und habe eine Menge Zeit im Gericht verbracht, um über Fälle für lokale und nationale Zeitungen zu berichten. All diese Zeit mit Gerichtsfällen zu verbringen - Kindesmissbrauchsfälle eingeschlossen - hat meinen Glauben daran, dass Michael Jacksons Strafverfolgung eine Farce war, nur erhärtet.
Willa: Das ist eine ziemlich starke Verurteilung, Charles. Was genau also ist an diesem Fall anders, als an anderen Fällen, über die du berichtet hast?
Charles: Vieles am Michael Jackson Fall war anders als an anderen Kindesmissbrauchsfällen, denen ich beigewohnt habe. Erstens, während ich in der Vergangenheit einige unfähige Strafverfolger erlebt habe, habe ich niemals etwas gesehen, was an die Dummheit der Michael Jackson Strafverfolgung heranreicht. Es war, als wäre der Fall von Mr. Bean zusammengesetzt worden. Jeder Zeuge erwies sich als unbrauchbar. Es gab keinen Beweis, um irgendeinen der Anklagepunkte zu unterstützen. Die Staatsanwälte verhielten sich wie Witzbolde, die manchmal versuchten ihren gesamten Fall vom Fleck weg umzuschreiben, weil Zeugen sich nicht so bezahlt gemacht hatten, wie sie es erhofft hatten. Es war hoffnungslos. Das Büro des Bezirksstaatsanwalts von Santa Barbara sollte jede Nacht seinen Glückssternen danken, dass Michael Jackson keine Klage wegen falscher Anschuldigung erhoben hat.
Was Unterschiede zwischen dem Michael Jackson Fall und anderen Kindesmissbrauchsfällen, die ich persönlich verfolgen durfte, anbelangt, passte nichts wirklich zusammen. Michael Jackson passte auf keine Weise ins Profil eines rücksichtslosen Pädophilen. Die Opfer in solchen Fällen sind normalerweise am Boden zerstört, brechen im Zeugenstand in Tränen aus, wenn sie den Missbrauch nacherzählen, dem sie ausgesetzt waren, wohingegen Arvizo Witze riss. Sie sind normalerweise traumatisiert durch ihren Missbrauch dahingehend, dass er wie eine Blitzlichterinnerung ist - ihre Erinnerungen sind lebhaft und beständig - wohingegen die Erinnerungen im Jackson Fall gänzlich widersprüchlich waren.
Um in jedes Detail zu gehen inwiefern der Michael Jackson Fall sich von anderen, über die ich berichtet habe, unterschied – könnte ich einen 5000 Wörter Essay darüber schreiben. Aber um es kurz zu fassen: Ich habe in zahlreichen Verhandlungen gesessen, in welchen echte Missbrauchsopfer gegen ihre Peiniger ausgesagt haben. Ich sah keine Ähnlichkeiten im Verhalten der Opfer oder der Angeklagten, keine Ähnlichkeiten in den Aussagen, keine Ähnlichkeiten in den Anklagen – und ich habe auch niemals einen wirklichen Kinderschänder im Umkreis von einer Millionen Meilen gesehen, der die unglaublich starke Verteidigung aufbringen konnte, wie es Jackson möglich war. Die Abschriften des Arvizo Falles lesen sich wie eine unüberlegte Parodie eines echten Kindesmissbrauchsfall.