Lisha: Es sieht so aus, als kämen eine Menge der Clips aus der The Jacksons Varieté Show direkt aus diesem Film. Aber ich sehe auch eine Menge Dinge in Michael Jacksons Performance, die möglicherweise näher auf seine Verbindung zu Fred Astaire eingehen. Vor einigen Jahren hatte ich das Glück, einer herausragende Präsentation der Tanzhistoriker Bonnie Brooks und Raquel Monroe mit dem Titel „Das postmoderne Genie von Michael Jackson“ am Columbia College in Chicago beizuwohnen. Sie beschrieben Michael Jacksons Tanzperformances als eine virtuelle Geschichte des Tanzes und hoben hervor, wie er so viele verschiedene Einflüsse auf eine solch makellose und originelle Weise verschmolzen hat, dass man sie einfach nur „genial“ nennen kann. Einer der faszinierendsten Clips, die sie verwendet haben, um das zu veranschaulichen, war eine Performance der Nicholas Brothers aus dem Film Stormy Weather. In dem The Jacksons Clip oben (etwa beginnend bei 2:25) bemerkte ich, dass der Treppenaufgang, die Rampe und die Teilungen am Ende dem Ende der Nicholas Brothers Performance ziemlich ähnlich waren:
zBb9hTyLjfM
Willa: Oh, und auch die Drehungen! Wow, Lisha, wenn du sie nebeneinanderstellst kannst du diese Einflüsse wirklich sehen. Und laut Fayard Nicholas hat Fred Astaire ihm erzählt: „Das ist die größte Tanznummer, die ich je auf Film gesehen habe.“ (Hier ist ein Link zu dem Fayard Nicholas Interview. Der Kommentar ist fast am Ende – nach etwa 7 Minuten).
Weißt du, eine Sache, die mich an all dem beeindruckt, Lisha, ist, dass Stormy Weather locker auf dem Leben von Bill “Bojangles” Robinson basiert, dem eleganten, aber ausdrucksstarken Tänzer, der dabei half, bezüglich Tanz und Choreographie im Film Pionierarbeit zu leisten. Zum Beispiel tanzte er mit Shirley Temple in einer Reihe von sehr berühmten Filmen in den 30er Jahren – und übrigens glaube ich, dass war das erste Mal, dass ein schwarzer Mann jemals auf der Bühne oder im Film mit einer weißen Frau getanzt hat. Die Nicholas Brothers zollen Robinson in Stormy Weather Tribut und Fred Astaire zollt ihm Tribut in The Band Wagon (das ihn namentlich erwähnt) und in einer sehr problematischen Nummer, Bojangles of Harlem, aus dem Film Swing Time. Bill Robinson hat also sowohl die Nicholas Brothers, als auch Fred Astaire beeinflusst und dann haben sie Michael Jackson stark beeinflusst, der, wie du sagst, „eine virtuelle Geschichte des Tanzes“ umspannt.
Lisha: Es scheint, Bill Robinson war ein großer Einfluss für alle diese Künstler. Fred Astaires Arbeit basiert, zumindest teilweise, auf der schwarzen Stepptanztradition, wie Brenda Dixon Gottschild in "Waltzing in the Dark: African American Vaudeville and Race Politics in the Swing Era" ("Walzer tanzen im Dunkeln: Afroamerikanische Vaudeville und Rassenpolitik in der Ära des Swing") anmerkt. Wir wissen, Michael Jackson war ebenfalls von der schwarzen Stepptanztradition beeinflusst – er tanzte sogar mit den Nicholas Brothers im Jahr 1977 und hat möglicherweise auch mit ihnen geübt:
VYQIKpkyd3g
Die Frage ist also, wer sich in all diesen Beispielen wessen Kultur aneignet? Stepptanz hat sowohl Wurzeln in europäischen, als auch in afrikanischen Traditionen. Vieles wurde darüber gesagt, wie Michael Jackson Anleihen von Fred Astaire und Hollywoodmusicals gemacht hat, aber wenig wird darüber gesagt, wie vieles weiße Performer schwarzen Tänzern verdanken, solchen wie Bill Robinson und den Nicholas Brothers.
Willa: Das ist ein ausgezeichnetes Argument, Lisha. Also wenn Michael Jackson Fred Astaire bezüglich seines Tanzes zitiert, deutet er dann zurück auf eine weiße oder schwarze Tradition? Die Antwort darauf ist ziemlich kompliziert, wie du andeutest.
Lisha: Zur selben Zeit, als Hollywood schwarze Performer unterdrückt hat, hat es auch an deren Talenten verdient. Die Anthropologin Elizabeth Chin schrieb einen unglaublichen Essay für das Journal of Popular Music Studies mit dem Titel "Double Consciousness and the Uncanny Business of Performing While Black" ( "Michael Jacksons Panter Tanz: Doppelbewusstsein und das unheimliche Geschäft des Performens während des Schwarzseins"). Sie sieht in dieser Hinsicht eine direkte Verbindung zwischen Stormy Weather und Michael Jacksons Panter Tanz als einem Traumballett, das „Teil eines andauernden Kampfes seitens afroamerikanischer Künstler, ihre Arbeit gemäß ihren eigenen Vorstellungen zu präsentieren.“
Willa: Chin’s Artikel ist faszinierend, besonders die Art und Weise, wie sie das Traumballett betrachtet, von dem sie glaubt, es entwickelte sich mit Stormy Weather und hat seinen vollständigsten Ausdruck vielleicht in dem Panter Tanz erreicht. Sie sieht das Traumballett als einen Ort, an dem schwarze Künstler aus weißen Stereotypen gewissermaßen ausbrechen und ihre eigenen Träume und ihre eigene Sichtweise ausdrücken konnten – obgleich diese Träume und Sichtweisen, wie Chin einräumt, einem weißen Publikum schmackhaft gemacht werden mussten.
Aber ich bin nicht sicher, ob Jackson in dem Panter Tanz seine Träume und seine Wut gezügelt hat – zumindest nicht ausreichend für manch weiße Befindlichkeiten, was ein Grund dafür ist, dass es einen solchen Aufschrei verursacht hat, als es erstmals ausgestrahlt wurde.
Lisha: Ich stimme dir da zu. Wenn Michael Jackson seinen Hut aufsetzt und in das “Spotlight” tritt, um einen hyper-sexualisierten, hyper-kriminalisierten Stepptanz zu performen, „performt“ er seine Rasse und sein Geschlecht auf eine sehr komplexe Art, die, wie ich glaube, die Überzeugungen, Wahrnehmungen und Erwartungen weißer Zuschauer zur Schau stellt. Wieder verkörpert er die Textzeile aus Is it scary: “I’m gonna be, exactly what you want to see.”/ "Ich werde genau das sein, was du sehen willst." Während er die alptraumhaften Vorstellungen der dominanten Kultur von schwarzen Männern als hyper-sexualisierte Kriminelle und Entertainer abspielt, drückt er auch seine Wut über diese Überzeugungen und Erwartungen aus. Der Tanz ist unglaublich schön, aber er ist auch extrem intensiv und unbequem. “Niederschmetternd” ist das Wort, das der Amerikanistik Professor Eric Lott verwendet hat, um den Tanz zu beschreiben.
Willa: Das ist eine gute Beschreibung.
Lisha: Aber ich denke Chin macht eine exzellente Bemerkung, wenn sie Gene Kellys “übermütiges Pfützenplanschen” in Singin’ in the Rain mit “dem stampfenden und schreienden Jackson” in dem Panter Tanz vergleicht. Die schwarze Traumlandschaft wird als Rückeroberung von Raum interpretiert, die weiße Tänzer sich von schwarzen Steppern angeeignet hatten, etwas, von dem ich denke, Kelly merkt es vielleicht in seiner Performance mit den Nicholas Brothers in The Pirate an:
MiYf0L-QP_k
Willa: Das ist ein großartiger Clip, Lisha! Und Ich stimme zu, dass Gene Kelly insbesondere den Nicholas Brothers Tribut zu zollen scheint, ebenso wie der Tradition des schwarzen Tanzes generell – eine Tradition, von der sowohl er, als auch Fred Astaire für ihre Arbeit ausgiebig gezehrt haben.
Und das erinnert mich wieder einmal an die problematische Nummer Bojangles of Harlem, die Astaire offensichtlich als Tribut an Bill Robinson performt hat. Daran ist am verstörendsten, dass er in Blackface (Schwarzgesicht) performt und das ist kein irgendwie verborgener Film, den nie jemand gesehen hätte. Sie ist aus Swing Time, den viele Kritiker, Roger Ebert eingeschlossen, als die beste seiner Zusammenarbeiten mit Ginger Rodgers sehen. Ich konnte keinen Clip von der gesamten Nummer finden, aber hier ist sie in zwei Teilen:
iuAIJhB45wM
-A6h12Qj9Cc
Ich erinnere mich an das erste Mal, als ich das gesehen habe. Ich war sprachlos und so enttäuscht, dass er es gemacht hat. Es fühlt sich zutiefst beleidigend an, es fast 80 Jahre nachdem es gefilmt wurde, anzusehen und ich kann dieses Gefühl nicht abschütteln. Und ich frage mich, wie es sich für Michael Jackson angefühlt hat das zu sehen, wissend, wie sehr er Fred Astaire bewundert hat?