20 Std.
UPDATE 17.20 Uhr
Liebe Chantal Obrist, lieber Matthias Frank, lieber Jochen Haug - am Montag ging eine lange Arbeitsphase zu Ende. Ups and Downs haben uns alle vier immer wieder auf Trapp gehalten. Skeptisch mir gegenüber als unabhängige und sorgfältig arbeitende Journalistin, die selbstverständlich neutral und unvoreingenommen in der Sache recherchiert und das gründlich. Auf der Ebene der Fürsprecher - Familie, Freunde und Fan Community - aber genauso auch auf der anderen Seite der Skeptiker und Ankläger.
Emotionen bei Euch, wenn diese Journalistin, also ich, distanziert gegenüber der Haltung "MICHAEL is INNOCENT" war - bis heute. Und der Aussage: ich werde nicht beweisen können, ob er schuldig ist oder nicht. Das habt ihr irgendwann akzeptiert. Ihr habt akzeptiert, dass ich a. kein Fan bin und b. meinen Job gewissenhaft mache.
Ausgewogen zu berichten bedeutet aber eben auch, die andere Seite zu beleuchten. Am Anfang meiner Recherche-Reise hatte ich keine private Meinung dazu - kein Michael Konzert, kein Know-How zum Prozess und den anderen Anklagen, keine Doku gesehen - nur die Musik gehört. DAS war die Ausgangslage.
Und dann waren da noch diese emotionalen Fans, die mir mir eintrichtern wollten - MICHAEL ist unschuldig. Wie oft habe ich betont: ich werde nicht beweisen (können), dass er es ist. Wir machen keine Gegendokumentation zu Leaving Neverland. Aber, ich möchte das nachholen, was Dan Reed verpasst hat. Die andere Seite sprechen zu lassen. Familie, Feunde und auch die Fans. Ohne dabei den gleichen Fehler zu machen wie der Produzent. Einseitigkeit. Mein Ziel: Ausgewogenheit, Ehrlichkeit, journalistsiche Sorgfalt, einwandfreie Recherche und neue Inhalte. Und - das war mir wichtig - Vertrauen und Fairness. Journalisten, die mit unlauteren Methoden, falschen Behauptungen und Vorausstezungen arbeiten sind keine Journalisten (Bashir Prinzip). Das sind Menschen, die das Bild der Medienschaffenden in den Dreck ziehen. Aktuell geprägt durch die Relotius-Affäre. Ein Alptraum für die, die sorgfältig arbeiten. Zu dieser Sorgfaltspflicht zählte natürlich auch der Einbezug der Gegenseite, die Interviewanfrage an Reed, Safechuck, Robson, Bashir etc. Auch das war im ersten Moment für Euch schwer zu verstehen bzw zu akzeptieren. Es könnte ja auch dazu kommen, dass diese Männer überzeugen im direkten Interview, mich überzeugen. Absagen auf jeder Ebene und keine Antworten.
Auf dem Weg meiner sehr intensiven Recherchen (wohl eine der zeit- und energiefressendsten überhaupt) durfte ich unglaublich tolle Menschen kennengelernen - wie die Schleiters aus Hamburg zum Beispiel, die mir gegenüber äusserst skeptisch waren bei unserer ersten Begegnung, wenn auch immer freundlich. Dass ich überhaupt eine Audienz bekam, habe ich Matthias zu verdanken, der immer einen sehr guten Draht zur Familie hatte. "Schön, dass Sie gekommen sind, wir hören uns das alles mal an und wollen auch was für Michael tun, aber vor die Kamera gehen wir ganz sicher nicht." Der erste Satz von Wolfgang Schleiter zur Begrüssung. Ich merkte sofort - der meint das ernst. Vier Stunden , 2 Kannen Filtercafe und mehrere Stücke Bienenstich später: "vielleicht machen wir ein kleines Interview im Wohnzimmer, aber wirklich nicht mehr, wir überlegen uns das. Aber geh mal lieber nicht davon aus." Von der ersten Minute an waren wir per Du, das lockerte die Situation zumindest ein bisschen auf. Die Familie hatte Michael immer versprochen, dass sie seine und ihre Privatssphäre respektieren, nicht mit den Medien sprechen. Zu negativ waren seine Erfahrungen mit der Presse. Die größte Wunde hatte Martin Bashir hinterlassen. Aber selbst wenn es nicht Michaels ausdrücklicher Wunsch gewesen wäre, hätten die Schleiters nichts in die Öffentlichkeit von der besonderen Freundschaft getragen. Das nenne ich respektvollen Umgang mit einer ganz besonderen und wertvollen Freundschaft. Die Summen, die der Familie bereits geboten wurde, sind hoch. Die gemeinsamen Erlebnisse könnten sich sicher gut verkaufen, niemals würden die Schleiters diesen Weg gehen. Ich durfte ein paar wenige Geschichten hören während unserer Treffen - selten habe ich so viel Respekt und Liebe in den leuchtenden Augen gesehen, wie bei Anton, Franzi und Wolfgang beim Erzählen. Ein weiterer Grund, weshalb ich nie an deren Glaubwürdigkeit gezweifelt habe, keine Sekunde. Selbstverständlich musste ich mich darüberhinaus um Bestätigungen bemühen und douple checken, das ist gründliche Recherche (es gibt gerade um Jackson unzählige Menschen, die selbst nach seinem Tod Profit machen wollen mit einer Begegnung/ Freundschaft etc. - zu viele Wichtigtuer und geldgierige Menschen. Im Übrigen hat nur eine einzige Person Geld bekommen für die Mitwirkung in der Doku, sogar Ron Zonen hat nichts verlangt).
(Andere, sehr nahestehenden Personen/ Familien zb. haben Bücher geschrieben, Musik auf seinen Namen produziert und verkauft und angeblich auf Ebay persönliche Sachen versteigert. Makaber in meinen Augen)
Auf diese erste Begegnung folgten 2 weitere Vorgespräche mit der Familie bis letztlich einen Tag vor dem bereits eingetütetem Drehtermin das endgültige Go von Anton kam. Nächtelang habe ich mit ihm telefoniert - über seine Freundschaft zu Michael, über den möglichen Dreh, über die Konsequenzen geredet. Viele Gedanken und Bedenken geteilt. Es fiel ihm und seiner Familie äusserst schwer diese Entscheidung zu treffen und letztlich den Weg zu gehen. Im Nachhinein sind alle glücklich mit der Entscheidung. Für die Doku ein hoher und unverzichtbarer Mehrwert.
Zu Brad Buxer und Michael Prince , die ich durch Chantals Kontakt zu Brad Sundberg herstellen konnte. Auch da musste ich quasi durch eine erste Prüfung in der Schweiz beim Seminar "In the studio with Michael Jackson". Mein absoluter Erstkontakt mit der Community und Musik (zumindest bewusst). Damals Chantal höchst septisch mir gegenüber, in der sie häufig eine Martina Bashir in mir gesehen hat. Das war anstrenend und kräftezehrend, aber ich habe es akzeptiert und auch verstanden. Nach unserem Dreh im Westlake Studio bekam ich eine sehr emotionale Mail von Brad Buxer, in der er sich noch mal bedankte für den guten Dreh und mir eine Weiterarbeit zugesagte - jederzeit. Auch er hat Vertrauen geschöpft mit der Überzeugung - die Medienschnake scheint ehrlich.
Hätte sich auf dem Rechercheweg etwas anderes ergeben - zb, dass plötzlich Beweise aufgetaucht wären, die bestätigen , dass MJ schuldig ist - dann hätte ich sofort einlenken müssen. Authentitität, journalistische Sorgfalt und gründliche Recherche sind unabdingbar für seriösen Journalismus. Und natürlich die absolute Wahrheit!
Die Wahrheit werde weder ich noch ein anderer jemals beweisen können, denn die wissen nur 3 - Michael und die beiden Ankläger.
Diese Aussage wollten die drei nicht hören, aber ich bin standhaft bei meiner Aussage geblieben - das hier wird keine Gegendoku zu Leaving Neverland,das wird ein wertfreier Film, der die andere Seite, die Seite der Familie und Freunde beleuchtet, aber dennoch unter dem Leitfaden der Ausgewogenheit. Als klar wurde, dass ich in LA auch Ron Zonen besuchen würde, war ich v.a. in Chantals Augen ein möglicher Martin Bashir - Skepsis pur. Was würde passieren, wenn diese Journalistin mit den gleichen Mitteln arbeiten würde wie er? Der, der Jacksons Leben zerstört hat? Für die Fan Community ein Desaster, besonders für die, die das ganze angezettelt haben. Trotzdem ging die Suche nach der Wahrheit weiter.
Bis es dann am Montag, 6.1.2020 um 22.30 Uhr endlich soweit war. Die Doku wurde ausgestrahlt, das Ende einer langen und kräftezehrenden Reise die bei Null angefangen hat.
Ich bin weder Michael Jackson Fan, noch wusste ich im Mai 2019 wer Dan Reed, James Safechuck, Wade Robson und Martin Bashir sind. Ich bin eine überwiegend investigativ arbeitende Journalistin, für die Ehrlichkeit und Sorgfalt das wichtigste Gut ihrer Arbeit ist. Die mit Leidenschaft und Herzblut in der Welt nach echten und spannenden Geschichten sucht, ihren Job als Herausforderung und Passion sieht, der u.a. die Existenz sichert an zweiter oder gar dritter Stelle.
Für mich war Michael der irre Weltstar mit dem Mundschutz, der nach einer Überdosis Propofol gestorben ist. Konzerte habe ich nie besucht, seine Musik aber immer gerne gehört. Will you be there sicher schon 2000 Mal. Und jetzt sollte ich eine umfassende Doku mit Fakten und investigativem Ansatz machen. Wo fängt man da an? Im eigenen Archiv. Mit Dokus, Reportagen, Berichten und natürlich dem WWW. Aber - die beste und zuverlässigste Quelle: Jochen. Trotzdesen, dass er physisch nicht mit uns in LA war, war er gedanklich immer dabei, immer mit uns vernetzt und ist uns täglich zur Seite gestanden. Er ist daher genauso Teil der Doku, wie alle anderen auch Daher danke, Jochen, für Deinen unermüdlichen Einsatz, Dein Vertrauen und v.a. Deine Kontaktaufnahme mit mir. Es wäre wahrscheinlich nie zu diesem Projekt ohne Dich gekommen.
Mittlerweile kenne ich die meistens MJ Dokus, Bücher über den Star und selbstrecherchierte Fakten. Das Leben weiß r um Michael Jackson war hochexplosiv und brisant - zu jeder Zeit - inklusive der oft einseitigen Berichterstattungen.
Heute sehe ich Fans aus einem ganz anderen Blickwinkel als vorher. Auch, wenn ich diese innige Liebe zu einem Star nicht immer nachvollziehen kann,verstehe und respektiere ich die Magie um Michael Jackson, unabhängig von den Missbrauchsvorwürfen.
Nadja Pia Wagner - die Journalistin, die gerne mal mit Martin Bashir Café trinken gehen würde!
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