Wenn du seit 35 Jahren im Showbusiness bist, wenn du die meiste Zeit davon eine Showbusiness-Legende gewesen bist, dann solltest du wissen, wie man einen Auftritt macht. Zumindest das weiß Michael Jackson.
Der King of Pop kommt nicht einfach nur irgendwo an, und seine Erscheinung in einem üppi-gen Raum im teuren Beverly Hills Hotel ist keine Ausnahme. Er ist zwei Stunden zu spät. Sein Bodyguard geht im Voraus; sein Sicherheitscheck beinhaltet auch Blicke hinter Vorhän-ge und in Schränke und Badezimmer. Dann dämpft der Sicherheitsmann die Lichter. Als die Tür schließlich aufschwingt, ist es nicht Jackson, sondern zwei kleine Kinder, die in den Raum sausen: Prince, 4, dessen dunkles Haar blond gefärbt ist, und Paris, 3, deren braune Locken auf ihre Schultern fallen. Schließlich kommt auch ihr Vater.
Sein Bildnis ist allgegenwärtig; sein skulptiertes Gesicht und seine Rehaugen starren uns scheinbar täglich und nichtsdestoweniger einzigartig von Supermarktständen entgegen. Er ist zierlich, trägt ein blaues Militärhemd und sein Markenzeichen, kurze schwarze Hosen und weiße Socken. Und dann ist da seine Nase. Seine berühmte Nase, welche heute von grauen Bandagen verdeckt wird.
„Das ist ein schmerzstillendes Band“, sagt er leise, aber freundlich. „Für Allergien.“
Während seine Kinder auf dem Boden zu seinen Füßen spielen, redet er über sein Leben; freundlich und mit einem faszinierenden Sinn für Haltung und Selbstbeherrschung. Er ist ein Mann, der sich manchmal über die Presse entrüstet, aber gleichzeitig in der Lage ist, über sich selbst zu lachen, was vielleicht die am meisten überraschende Sache an Michael Jackson ist. An einem Punkt kichert er mehrfach beim Gedanken daran, wie Frauen bei seinen Konzerten in seiner Gegenwart ohnmächtig wurden.
Und dennoch ist er besorgt. Mit 43, befindet sich Jackson an einem Scheideweg seiner Karrie-re, versucht vordringlich sich selbst von einer 80er Jahre Pop-Ikone zu einem Mitspieler in der gegenwärtigen Popszene zu transformieren. Sein erster Schritt zurück an die Spitze waren die beiden vor kurzem stattgefundenen Konzerte im Madison Square Garden, seine ersten öffentlichen Auftritte in Amerika seit 12 Jahren. Sie wurden zu einem zweistündigen Fernseh-Special zusammen geschnitten, ‚Michael Jackson: 30th Anniversary Celebration’, Sendeter-min Dienstag, 13. November (CBS, 21 Uhr/ET). Er erwartet ängstlich die Reaktionen auf sein letztes Album, ‚Invincible’ (zum Druckzeitpunkt hatte seine erste Singleauskopplung, ‚You Rock My World, die Nummer 10 der Billboard-Charts erreicht, während das Video dauernd auf MTV lief). Zusätzlich hat er einen „We Are the World“-ähnlichen Song namens „What More Can I Give“ geschrieben und produziert; seine Erlöse werden den Opfern der Anschläge des 11. Septembers zugute kommen. Und er wird einen Kurzauftritt in der Fortsetzung „Men in Black 2“ im nächsten Sommer haben.
Am Ende war es Michael Jackson, der Vater, ein Mann, der tief mit seinen Kindern und seiner eigenen Kindheit verbunden ist, der den größten dauerhaften Eindruck hinterließ.
1 TV Guide Interview 2001 "The man in the mirror"
TV-Guide: Dieses Fernseh-Special feiert deine lange Karriere. Erinnerst du dich, als du das erste Mal auf die Bühne gegangen bist?
Michael: Ich war 5 Jahre alt. Und es war bei einem Liederabend in einer öffentlichen Schule. Wir mussten weiße Hemden und kurze Hosen tragen. Und ich erinnere mich daran, dass sie sagten: „Der kleine Michael Jackson wird jetzt ‚Climb Every Mountain’ singen“. Ich bekam den größten Applaus. Als ich wieder zu meinem Sitzplatz zurückkehrte, weinten mein Groß-vater und meine Mutter. Sie sagten, „Wir können einfach nicht glauben, wie schon du dich angehört hast.“ Das ist das erste, an das ich mich erinnere.
TV-Guide: Du machst selten TV-Specials.
Michael: Ich habe so viele abgelehnt, weil ich Fernsehen an sich nicht mag. Mir ist das pein-lich. Also ich mache einen Auftritt, aber ich sehe ihn mir erst ein Jahr oder zwei Jahre später an, weil ich immer von einem Teil enttäuscht bin.
TV-Guide: Die für diese Special gefilmten Konzerte waren Randvoll mit großen Stars. Das kann doch gar nicht enttäuschend gewesen sein.
Michael: Die [zweite] Show war gut. [Die erste Show] war entsetzlich, technisch gesehen, weil es eine Menge Zusammenbrüche und Unterbrechungen zwischen jedem Akt gab. Es war sehr schwierig. Das Publikum musste warten und warten und warten.
TV-Guide: Was ist das für ein Gefühl, wenn du auf der Bühne tanzt?
Michael: Ich bin ein Sklave des Rhythmus. Ich bin ein Transportmittel. Ich lebe nur für den Moment. Du musst es genau so machen, denn wenn du anfängst nachzudenken, bist du tot. Bei einem Auftritt geht es nicht um Denken, es geht um Gefühle.
TV-Guide: Planst du die Tanzschritte?
Michael: Bestimmte Schritte, die ich mit meinen Brüdern durchführe. Aber wenn ich alleine bin, ist das alles improvisiert. Nichts ist geplant, niemals. All diese Tanzschulen bringen den Kindern jetzt das Zählen bei, und das ist total falsch.
TV-Guide: Was denkst du über aktuelle Popgruppen, wie N-Sync? Imitieren sie dich?
Michael: Ich denke, das sind sehr gute Sänger. Ich kenne sie sehr gut und wir hängen manchmal zusammen rum und spielen. Ich habe kein Problem damit, dass sie [mich] imitieren. Es ist ein Kompliment. Jeder muss damit anfangen, zu jemandem aufzuschauen. Für mich waren das James Brown, Sammy Davis Jr., Jackie Wilson, Fred Astaire, Gene Kelly.
TV-Guide: Das Special beinhaltet auch einen Auftritt von Marlon Brando. Wie kam es zu seiner Teilnahme?
Michael: Brando ist ein guter Freund von mir. Ich kenne ihn seit gut 20 Jahren. Er kommt laufend zu mir nach Hause. Er liebt es, mit den Kindern zu spielen. Ich spiele mit seinen Enkelkindern, und wir lieben es, Filme anzusehen.
TV-Guide: Mit wem verbringst du sonst noch Zeit?
Michael: Elizabeth [Taylor], Brando, Gregory Peck; das sind sehr enge Freunde von mir. Entweder sind sie viel älter als ich oder viel jünger. Ich hatte nie zu einer Person wirklichen Kontakt, die in meinem Alter war. Ich denke, das hat sich so ergeben, weil ich mein Leben lang in Clubs gespielt habe, seit ich 5 Jahre alt war. Ich habe Leute betrunken gesehen, kämp-fend, und es war einfach widerlich. Wenn heute Leute zu mir sagen, „Hey, lass uns in einen Club gehen“, dann ist meine Reaktion, „Auf keinen Fall“. Wenn ich gehe, ist das für mich nicht lustig – zu viele Autogramme und Fotos.
TV-Guide: Entsprechen die Dinge auf deiner Aftershow-Party im Tavern of the Green Re-staurant der Wahrheit?
Michael: Es war da schlimm, ich konnte nicht atmen, weil mich alle [umzingelten].
TV-Guide: Und du wurdest ohnmächtig?
Michael: Das ist ein Gerücht. Das war Sensationsmache. [Die Presse] denkt sich das aus. Wie gewöhnlich. Sie lieben es, mir so etwas anzutun.
TV-Guide: Was ist passiert?
Michael: Nichts. Ich wurde nicht ohnmächtig. Nicht einmal ansatzweise. [Die Presse] macht das schon so lange, und es ist widerlich. [Wendet sich zärtlich an Paris, die um den Kaffeetisch herumrennt] Paris, mach keinen Krach. Du sollst nicht, nein, hau nicht gegen den Tisch. [Die Reporter machen eine] Aufnahme.
TV-Guide: Liza Minnelli hat auch bei einem der Konzerte gesungen. Ihr zwei scheint euch sehr nahe zu sein.
Michael: Ich spreche jede Woche mit Liza. Wir kommen vom gleichen Planeten. Wie auch Elizabeth.
TV-Guide: Welcher Planet ist das?
Michael: Er heißt ‚Kapriziöse Anomalität im Weltraummeer’ [das ist aus ‚Planet Erde’, ‚Dancing the Dream’] [lacht]. Mann, ich weiß den Namen nicht. Einfach hinter unserem Son-nensystem, denke ich. Aber dies ist wahr und man sollte es nicht zu leicht nehmen: Leute, die als Kinderstars aufwachsen, haben viel gemeinsam. Wenn du süß bist, lieben sie dich; du kommst in ein schwierigeres Alter und sie akzeptieren dich nicht mehr. Nur sehr wenige schaffen die Überleitung zum erwachsenen Star. Und die meisten werden selbstzerstörerisch. Und das ist sehr traurig.
TV-Guide: Wie verhinderst du die Selbstzerstörung?
Michael: Ich denke, Religion hilft mir.
TV-Guide: Bist du immer noch Zeuge Jehovas?
Michael: Yeah. Ich habe, weißt du, wir nennen es missionieren, gemacht. Wir machen 90 Stunden im Monat. Ich mach jetzt nicht ganz so viel, weil ich beschäftigt bin. Du gehst von Tür zu Tür. Ich trage ein Fettkostüm, Brillengläser, Schnurrbart, Hasenzähne und so etwas wie eine Afro-Perücke. Und ich klopfe an die Tür und sage, dass wir Zeugen Jehovas sind.
TV-Guide: Dieses Special fällt mit der Veröffentlichung deines siebten Solo-Albums, ‚Invin-cible’, zusammen. Ist dies dein Comeback?
Michael: Ich sehe es nicht als Comeback. Ich veröffentliche nur alle vier Jahre ein Album. Es geht nur darum, dass ich eine Lücke habe, zum Schreiben.
TV-Guide: Auf dem Album sind auch die Rap-Stars Will Smith und Jay-Z. Es ist schwer vor-stellbar, dass du mit Jay-Z arbeitest, dessen Image ein bisschen härter als deines ist.
Michael: [Er] war einfach so süß. Und dann hörst du diese verrückten Geschichten darüber, was [einer dieser Rapper] am nächsten Tag gemacht hat, und kannst es kaum glauben. Ich kenne sie nur als sehr nette Menschen. Perfekte Gentlemen.
TV-Guide: Was ist die Botschaft von ‚Unbreakable’, dem ersten Song auf dem Album?
Michael: Dass [ich] unbesiegbar bin, dass ich das alles schon durchgemacht habe. Du kannst mir nicht wehtun. Schlag mich nieder, und ich stehe wieder auf. [Zu Prince, der anfängt, mit seiner Snapple-Limonade auf den Tisch zu schlagen:] Hörst du den Krach, den du machst? Du sollst nett und leise sein.
TV-Guide: Du bist als exzentrisch bekannt. Hat das Aufwachsen im Rampenlicht etwas damit zu tun?
Michael: [lächelt schüchtern] Kommt darauf an, über welche Art von Exzentrizitäten du sprichst.
TV-Guide: Die Leute nennen dich ‚Verrückter Jacko’.
Michael: Aber das ist nicht nett. Sie machen das, weil sie eifersüchtig sind. Ich habe nichts getan. Ich gehe in Krankenhäuser und Waisenhäuser. Und wir bringen riesige Taschen mit Spielzeugen mit. Ich spende Tausende von Dollars. Was ist daran verrückt?
TV-Guide: Wegen der Art, wie du von der Presse porträtiert wirst, fragen sich die Leute, „Ist er merkwürdig?“
Michael [verärgert]: Ich habe Oprah gemacht. Ich habe Diana Sawyer gemacht. [Die Men-schen] sahen mich. [Die Presse] ist einfach nur komplett eifersüchtig. Und das gehört einfach zu den Dingen, mit denen ich umgehen muss.
TV-Guide: Wie gehst du damit um?
Michael: Ich wandele es in positive Energie um. Und ich schreibe darüber, ich tanze; es findet sich in meinen Bewegungen, in meinem Gesichtsausdruck. Und es wird zu einem Teil von mir, einem Teil meiner Kreationen. Und ich versuche, es nicht an mich heran zu lassen. Denn wenn du das zulässt, wirst du verrückt.
TV-Guide: Dein erstes Video, für die Single ‚You Rock My World’, ist tatsächlich ein 15-minütiger Kurzfilm. Wie bist du auf die Idee mit dem Gangster-Thema gekommen?
Michael: Ich weiß es nicht – die Idee kam mir halt einfach. Auf Kuba. Heiße Sommernacht. Ein Club, der von diesen Typen geführt wird. Ich wünschte nur, [MTV] würde die lange Ver-sion zeigen. Ich mag die kurze Version überhaupt nicht. Sie ist nicht unterhaltend genug.
TV-Guide: Wie weit bist du selber in den Prozess der Herstellung der Videos involviert?
Michael: Wenn du den Namen Michael Jackson sagst, dann denken die Leute immer an einen Entertainer. Sie denken nicht an die Tatsache, dass ich Songs schreibe. Ich versuche hier nicht zu prahlen, aber ich schreibe sie und ich führe bei einer Menge [Videos] Regie. Ich denke nicht, dass sich [jüngere Künstler] dieser Tatsache bewusst sind, obwohl ich glaube, dass es für sie inspirierend sein würde.
TV-Guide: Als du dieses Video gemacht hast, dachtest du da: „Ich will, dass dieses hier so gut wird wie das für ‚Thriller’“?
Michael: Nein, weil ich weiß, dass ich nicht die Zeit dazu habe, mich damit auseinanderzusetzen. Es gibt welche, die demnächst erscheinen und die besser sind.
TV-Guide: Lässt du deine Kinder MTV gucken?
Michael: Wenn sie in einem bestimmten Alter sind, schon, aber nicht jetzt. Sie müssen schon 15 oder 16 sein.
TV-Guide: Guckst du Fernsehen?
Michael: Ich liebe PBS, den Discovery Channel, Die Simpsons. Ich liebe die Sesamstraße. Ich könnte sie stundenlang gucken. Aber meine Lieblingsshow ist Malcolm mittendrin. Sie erin-nert mich so sehr an [meine Brüder und mich], als wir klein waren.
TV-Guide: Auf welchen Charakter beziehst du dich?
Michael: Malcolm. Hauptsächlich weil er versucht, sich der Gesellschaft anzupassen, und er mag Dinge wie E.T. oder Bambi nicht, er kann sich einfach nicht mit dem Konzept anderer Leute arrangieren. Und so empfinde ich auch oft. Sobald ich nicht mehr auf der Bühne bin, fühle ich mich unbehaglich, als wäre dies nicht der Ort, wo ich hingehöre.
2 Original Interview englisch
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