Michael Jacksons "Xscape": Das Gegenteil von Leichenfledderei
Acht Songs aus Jacksons Archiv wurden soundtechnisch aufgepeppt - mit feinem Resultat.
So ein posthum zusammengeschustertes Album aus Studio-Überbleibseln, die es – meistens völlig zu Recht – nicht auf ein reguläres Werk geschafft haben, ist tendenziell eine grausliche Sache. Fans von Michael Jackson kennen die Pein nur zu gut, das Vermächtnis ihres Idols durch solch musikalische Leichenfledderei angepatzt zu sehen. Das betreffende Machwerk erschien 2010 und hörte auf den schlichten Namen "Michael". Jetzt erscheint mit "Xscape" das zweite "King of Pop"-Album aus der Gruft.
Und, oh Wunder, es ist gut geworden. Richtig gut sogar. Unter der Aufsicht von Produzenten-Guru Timbaland hat eine Riege hochbezahlter Studioknöpferldreher acht Songs aus dem Nachlass Jacksons soundtechnisch ordentlich aufgemascherlt. Wirkte "Michael" hastig und ohne Gespür kompiliert, mit Songs, die Jackson zu Lebzeiten sofort in der Rundablage entsorgt hätte, so fügt sich "Xscape" ohne Bauchweh in das Lebenswerk des größten Popstars aller Zeiten ein.
In guter Form
Die jetzt erstmals veröffentlichten Songs, an denen Jackson zwischen 1983 und 2001 gearbeitet, die er aber nie fertig aufgenommen hat, zeigen den "King of Pop" in guter, ja teils ausgezeichneter Form. "Xscape" betört, swingt, groovt geschmeidig und setzt sich in den Gehörgängen fest. Bereits der zusammen mit Paul Anka geschriebene Auftaktsong "Love Never Felt So Good" ist ein auf angenehme Weise altmodischer Pop-Funk, der auf "Off The Wall" (1979) perfekt hineingepasst hätte.
"Blue Gangsta" erreicht zwar nicht die Klasse des thematisch ähnlich gelagerten "Smooth Criminal", steckt aber Jackson-Epigonen wie Pharrell Williams oder Bruno Mars locker in die Tasche. Auch "Chicago", "Do You Know Where Your Children Are" und "Slave To The Rhythm" (während der Sessions zu "Dangerous" aufgenommen) funktionieren bestens als stampfende Disco-Heuler.
Die beste Nummer ist aber zweifellos "A Place With No Name", Jacksons eigenwillige Re-Interpretation von "A Horse With No Name" der 70er-Jahre-Combo "America". Jackson sampelt das prägnante Gitarren-Riff des Softrock-Hits von 1972 und bastelt daraus einen extrem funkigen Track, der zeigt, wie gut sein letztlich missglücktes "Invincible"-Album von 2001 hätte werden können. Aus den Sessions zu jenem Album stammt auch der schwächste Song von "Xscape": der Titeltrack ist eines jener hastig und unentschlossen vor sich hin groovenden Stücke, die Jacksons späte Jahre kennzeichneten.
Fans sollten sich unbedingt die Deluxe-Version von "Xscape" zulegen. Auf der zweiten CD gibt’s die Original-Demos – frei von jeglicher Nachbearbeitung.