Hier ein erster (sehr kritischer) Bericht der Welt zu den gestrigen BBMAs:
08:54
Billboard Awards
Der bizarre Totentanz des Michael Jackson
Justin Timberlake ist der große Sieger der Billboard
Music Awards. Aber wen interessiert das? Höhepunkt der Show in Las
Vegas war der gespenstische und bunt-schrille "Auftritt" von Michael
Jackson. Von Uwe Schmitt
Michael Jackson lebt!
Foto: Getty Images for DCP/Getty Images
Auferstehung von den Toten: Michael Jackson bei den Billboard Music Awards in Las Vegas.
Elvis, der zu früh verfettete und verstorbene King of Rock 'n' Roll, ist noch immer tot und hat die Bühne endgültig verlassen. Der König des Pop aber lebt.
Michael Jacksons Auferstehung begab sich um 18.19 US-Westküstenzeit im "MGM"-Hotel zu Las Vegas vor Tausenden Zeugen im Saal und einigen Millionen vor dem
TV-Schirm. Für Minuten kiekste, tanzte, moonwalkte der Untote derart real, dass man ihn auf eine Never-Ending-Tour schicken will.
Sein Hologramm als Instagram, drogenfrei, schlaflos, perfekt. Noch wirkt der Teint des Königs etwas käsig, verwischt, man darf nicht zu nahe herangehen wie bei
einer zu stark geschminkten Leiche. Abstand halten, gebückte Verehrungshaltung wahren, das wäre ein guter Rat.
Haben wir die Geburtsminute des riesigen Rockerweckung-Reichenverweserbusiness erlebt? Gehen bald untote Jim Morrisons, Jimi Hendrix', John Lennons auf
Hologramm-Welttournee? Kommen neue Filme mit den flimmernden Kunstkörpern Marilyn, Liz, Grace, Marlon, Orson und Humphrey? Können wirendlich die Toten erwecken,
für uns untot aufzuspielen, und sei es nur für eine Weile?
Warum Pietät wahren? Der King of Pop lebt ja
Das mögen Visionäre und Geschäftsleute durchdenken. Angekündigt war am Sonntagabend Ortszeit der Auftritt als "Einmal-im-Leben-Michael-Jackson-Experience" von Ludacris,
dem Moderator der Preisverleihungsshow Billboards Music Awards. Diamanten in den Ohrläppchen, der Mann hat's nicht nötig zu arbeiten. "Mister Jackson wird sein Ding machen",
versprach er. "Geht nirgendwo anders hin ... und macht mal Lärm!" US-Showbiz halt.
Die Leichenerwecker müssen noch etwas salben und feilen an ihrem Kunstprodukt. Näher als gefühlte 20 Meter durfte man sich dem Monster nicht nähern;
die noch diesseitige Tanztruppe um Jacksons Geist, ausstaffiert wie eine Kreuzung aus Bereitschaftspolizei und Marines mit Nachtsichtgeräten, verausgabte sich in der Chorus-Line.
Während der ewigjunge Peter Pan in roten Hosen und goldgelber Jacke zu "Slave to the rhythm" tanzte, als hätte ihm nie das Blut in den Adern gestockt.
Die Kamera von ABC zeigte ein paar Tränen und einen Kerl mit Grinsen und herausgestreckter Zunge. Recht hatte er, warum soll man Pietät wahren, wenn der König tanzt wie in jungen Jahren?
Man hätte sich vielleicht einen würdigeren Rahmen für dieses hologrammatische Ostererlebnis gewünscht. Der Billboard Music Award Show hängt etwas billig Kirmeshaftes an; die Oscars haben daneben die Gravitas eines Shakespeare-Theatertreffens.
Hätte Jacko den billigen Sex-Appeal gemocht?
Alles flirrte und war schrecklich bonbonbunt. Viva Las Vegas. Karierte Miniröcke scheinen mal wieder tragbar zu sein, auch Goldlametta über einem Turnanzug, wie ihn Jennifer Lopez trug. Wenn Preise an Imagine Dragons gehen, weil ihr Album "Night Visons" zweieinhalb Jahre in den Top Ten der Charts blieb, ist der Band das zu gönnen. Verkäufer des Monats in einem Gebrauchtwagenhandel sagt aber auch nicht weniger aus.
Hätte der King of Pop, wenn man ihm die Wahl gelassen hätte, seine Auferstehung feiern lassen wie einen überbezahlten Kindergeburtstag? Es fiel auf, dass alle Sängerinnen, solche mit Stimmen wie Shakira und Kate Perry, sich Moulin-Rouge-artig räkeln wie Beyoncé. Der Sex-Appeal der Damen-Popstarsist sonderbarerweise penetrant und billig wie in einem
Lower-Town-Strip-Joint. Hätte Michael Jackson das gemocht?
Niemand musste den König und Geist fragen, dessen kontemporiertes "Xcape" angeblich in mehr als 50 Ländern als Nummer eins in den Hitparaden steht. Die jungen Leute will man vor den Bildschirm locken, sagen die Veranstalter. Auch mit tanzenden Leichen. Warum nicht, solange sie sich bewegen?
Zwei US-Unternehmen, die im Patentstreit mit "Xcape" und seinen Produzenten liegen und die hologrammatische Reanimation vorantreiben, haben wenig Neigung zur Neuentwicklung. Sie wollten ihren Anteil. Doch der angerufene Richter lehnte es ab, die Wiederbelebung Jacksons zu verbieten. Also gibt es sie und gibt es den Wackelbildkönig Michael Jackson, wenn man ihn braucht und will.
Der König ist tot, sein Hologramm lebe hoch!